Nachgedanken zum Nornennetz

Content Notes: Gate Keeping, Trans-/Inter-/Nichtbinärfeindlichkeit, Diskriminierung, Mobbing, Zynismus

Einleitung

Ich habe im Juli 2020 überlegt, Mitglied des Nornennetzes zu werden und hatte einen Monat lang Zugang zum Discord-Server des Netzwerkes. In diesem Monat und auch davor sowie danach habe ich seitens mehrerer aktiver Mitglieder Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit, erfahren, die bei mir langfristig Spuren hinterlassen hat.

Es ist nicht eine einzelne große schlimme Sache allein passiert, sondern es geht um eine Aneinanderkettung von diskriminierenden Ereignissen. Daher ist der Artikel so lang. Ich möchte eine nachvollziehbare Aufschlüsselung geben, auch, weil ich es von Kritiken in der Vergangenheit kenne, dass manche Personen versuchen, alle möglichen Interpretationen von "es kann doch nicht so schlimm gewesen sein" zuerst auszuprobieren, bevor sie glauben, dass etwas schlimm war. Zu dem Thema verweise ich auf den Artikel Brolidarität.

Ich bin nicht allein mit diesen Erfahrungen. In meiner Zeit im Netzwerk hatte ich viel Kontakt zu einer weiteren nicht-binären Person (S.D.). S.D. hatte in dem Zeitraum eine Selbstfindungsphase und ist inzwischen aus ähnlichen Gründen nicht mehr im Netzwerk. Ich werde gelegentlich und mit Erlaubnis in diesem Artikel auch die Perspektive von S.D. wiedergeben. S.D. möchte anonym bleiben, bitte respektiert das, auch wenn ihr S.D. aus dem Wiedergegebenen erkennen solltet.

Ich habe viele Einzelgespräche mit Personen aus dem Netzwerk gehabt und festgestellt, dass tendenziell ein paar trans- und nichtbinärfeindliche Personen im Netzwerk sich nicht ändern, das Netzwerk aber stark in eine Richtung steuern, während gleichzeitig ein großer Teil des Netzwerkes sowie mit dem Netzwerk interagierendes Umfeld von den Mikroaggressionen und auch offenerer Ignoranz nichts mitbekommen und das Netzwerk uneingeschränkt unterstützen. Der Zustand, dass diese Dinge so unsichtbar und unbekannt sind, ist für mich kaum erträglich. Ich wünsche dem Netzwerk Gutes, so weh es mir getan hat. Es sind großartige Leute dabei, die sich auch offen und in unbequemen Situationen gegen Trans-, Inter- und Nichtbinärfeindlichkeit einsetzen. Ich wünsche mir aber auch, dass die trans-, inter- und nichtbinärfeindlichen Strukturen im Netzwerk aufgebrochen werden und möchte daher Personen darauf aufmerksam machen. Mein Ziel ist es, trans, inter, nicht-binäre und agender Personen zu schützen, aber auch nicht betroffene Personen zu sensibilisieren. Auch möchte ich, dass Personen aufgeklärt entscheiden können, wie sie mit dem Netzwerk umgehen, und dass dort Diskriminierung nicht mehr hinter den Kulissen weiter stattfindet.

Motivation der Bewerbung bei den Nornen

Ich war einen Probemonat lang im Nornennetz, Juli 2020. Das ist das übliche Verfahren. Eine Person bewirbt sich, testet einen Monat lang, ob das Netz zu ihr passt, und das Netz schaut, ob die Person ins Netz passt. Falls dem so ist, tritt die Person ein, sonst eben nicht. Ich war skeptisch. Zum Zeitpunkt des Ausprobierens bezeichnete sich das Netzwerk noch als Frauennetzwerk, und ich bin keine Frau. Es fühlte sich merkwürdig an, schon in meiner Bewerbungsmail zu schreiben, was nicht passen würde, was sich ändern müsste, damit ich bleiben würde. Der Wortlaut war:

"Auf den Seiten des Nornennetzes ist von Autorinnen/Frauen die Rede. Zwei Nornen motivierten mich, dass sich bewerben dennoch okay wäre. Ich fühle mich von den derzeitigen Formulierungen nicht vertreten und würde meine Bewerbung quasi mit einem Konflikt starten. Ich verstehe, wenn ich deshalb nicht aufgenommen würde. Es mag falsch sein, mich zu bewerben, obwohl das Netzwerk nur für Frauen ist. Manchmal liegt es aber daran, dass die trans* und inter* Thematik lange unsichtbar gewesen ist. In diesem Fall helfe ich gern die Entwicklung zu Inklusion und einem sensiblen Umgang zu unterstützen.".

Ich habe damit gerechnet, dass der Fall möglich ist, dass es nicht zu einer Änderung kommen würde, oder dass es viel Aufklärungsarbeit werden würde. Ich habe gehofft, dass sich langsam kontinuierlich mit Aufklärungsarbeit von vielleicht zunehmend verschiedenen Seiten etwas ändert. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich die Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit, die von ein paar Personen ausging, mehrere Monate psychisch zerlegen würde.

Muss ich es wirklich öffentlich machen?

Bisher habe ich darauf verzichtet, das Nornennetz öffentlich zu kritisieren. Mir wurde von verschiedenen Seiten Dinge gesagt wie, ich würde Leute gegen eine Wand stellen, ich wäre passiv-aggressiv, ob Outcalls wirklich notwendig wären, oder ob nicht mit Leuten erst einmal im Einzelgespräch geredet werden könne. Um transparent zu machen, woher diese Wahrnehmung vielleicht kommen mag, weise ich auf diesen Twitter-Outcall zum Thema cis-Sexismus hin, den ich noch vor meinem Probe-Monat verfasst habe. Einzelgespräche habe ich dennoch viele geführt, und sogar selbst dann, wenn ich mich nicht sicher vor feindlichen Äußerungen gefühlt habe.

Die Einzelgespräche waren teils schlimm. Vielleicht sind die Vorwürfe anderer gegen mich Tone Policing oder anderweitig nicht in Ordnung gewesen, vielleicht ist etwas an ihnen dran und ich verhalte mich nicht okay. Vorwürfe dieser Art gehen definitiv nicht an mir vorbei. Ich würde es gern besser machen, habe aber keine Ahnung wie. Ich hätte mich gern anleiten lassen, was ich stattdessen hätte tun müssen, damit sich an der Trans-, Inter- und Nichtbinärfeindlichkeit etwas ändert, und ich oder andere trans, inter, nicht-binäre und agender Menschen dabei wenig Kraft investieren müssen, aber glaube, das ist in jedem Falle illusorisch.

Bis jetzt ist für mich nicht zu erkennen, dass sich etwas im Nornennetz an besagter Feindlichkeit ändern und das nur lange brauchen würde. Es geht mir nicht um irgendwelche Bezeichnungen tief im Netzwerk, die langsam im Internet-Auftritt aufgearbeitet werden müssen. Das ist auch nicht unwichtig, aber dass das dauert, verstehe ich. Es geht um das Gatekeeping, das auf der Hauptseite der Nornen ins Gesicht springt, und um Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit, die ebenso ins Gesicht gelebt wird. Daran hat sich, soweit ich das beurteilen kann, fast nichts geändert. Ich höre seit einer Weile nicht mehr viel. Ich bekomme mit, dass das, was damals passiert ist, immer noch überhaupt nicht transparent nach außen ist, und ich sehe, dass sich am Auftritt seit kurz nach meinem Verlassen nichts Maßgebliches geändert hat.

Ich habe einige dieser Kritiken, die sich nicht nur auf Erfahrungen im Nornennetz, sondern allgemein auf exkludierenden cis-Feminismus beziehen, in Blogartikeln verarbeitet:

Bei manchen kam das als Nonmention an, oder als wollte ich vage über das Nornennetz lästern. Durch die oben erwähnte Ex-Norne S.D. habe ich erfahren, dass in den Artikeln vor allem danach gesucht worden ist, wo ich Nornen indirekt kritisiere und dass das nicht in Ordnung sei. Dabei war die Feindlichkeit im Nornennetz nur Mitanlass, strukturelle Probleme zu besprechen, die mir überall begegnen, und wiederverwendbares, differenziertes Material für viele Leute zur Verfügung zu stellen. Vieles, was ich in diesen Artikeln bespreche, erlebe und bekämpfe ich in vielen Umfeldern, seit über zehn Jahren.

Ich mache es nun öffentlich, weil alle anderen Schritte schon versucht worden sind. Die Probleme sind immer noch unterirdisch und schwelen, von vielen nicht gesehen, vor sich hin. Ich mache das, damit andere aufgeklärte Entscheidungen fällen oder sich schützen können. An dieser Stelle: Ich würde keiner trans, inter, nicht-binären oder agender Person raten, sich dieses Netzwerk anzutun.

Ich habe Angst davor, dies öffentlich zu machen, denn:

  • Ich könnte nach Nachweisen gefragt werden, aber ich habe keinen Zugriff mehr auf das Netzwerk und war damals nicht geistesgegenwärtig genug, Sicherungen von feindlichen Interaktionen zu machen.
  • Ich habe eben doch Angst, Personen unrecht zu tun.
  • Die Feindlichkeit geht besonders von einem festen Kern aus. Ich kann nicht beurteilen, wie schnell sich der Auftritt nach außen zum Beispiel ändern würde, wenn sich nicht bestimmte einzelne Personen so vehement sperrten.
  • Ich habe im Spezifischen Angst vor zwei bis drei Personen und deren Reaktionen.
  • Im Netzwerk sind weitere nicht-binäre und trans Menschen, die teils versuchen möchten, etwas von innen heraus zu ändern. Ich möchte dem nicht im Weg stehen.
  • Ich möchte eigentlich kein relativ kleines Netzwerk, das sich auch für gute Dinge einsetzt und das Leuten wichtig ist, die ich mag, kaputt reden.
  • Ich bin mir sicher, dass viele Personen im Netzwerk kaum mitkriegen, was los ist. Es gibt im Nornennetz viele Kanäle, in denen verschiedene Dinge passieren. Die Trans-, Inter- und Nichtbinärfeindlichkeit, die ich erlebt oder von der ich mitbekommen habe, fand entweder im Hauptkanal oder in bestimmten kleinen Kreisen statt. Der Hauptkanal ist sehr aktiv und von vielen daher gegen die Überflutung dauer-gemutet. Ich habe im Nornennetz auch ein paar großartige Menschen kennengelernt, die sich unmissverständlich für trans und nicht-binäre Menschen stark machen, auch in unbequemen Situationen, und möchte, wenn ich das Nornennetzwerk kritisiere, nicht alle über einen Kamm scheren.
Es ist eine beschissene Situation. Entweder, die Feindlichkeit bleibt vielen, die dabei sind, sowie Außenstehenden unbekannt und es ändert sich nichts, weil der Druck von innen, das Ansprechen und Aufklären nicht reicht oder ignoriert wird. Oder eine der Personen, die diese Feindlichkeit erlebt haben oder erleben, gerät in die Situation, ein einigermaßen beliebtes Netzwerk öffentlich anzugreifen, um diese Probleme transparent zu machen.

Mir wird heute immer noch flau, wenn ich "Nornennetz" lese. Ich weiß, dass ich nicht allein damit bin, das Netzwerk wegen Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit nach viel Ertragen verlassen zu haben. Mit allem, was passiert ist, war es mindestens eine an Mobbing angrenzende Lage. Und ich bekomme immer wieder von Neuem mit, wie ein Teil meiner Bubble einfach keine Ahnung hat, dass es da solche Probleme geben könnte. Das Nornennetz, oder besagter Kern, an dem Änderungen scheitern, hat sich über fast ein Jahr hinweg steter Kritik verweigert.

Was ist passiert?

Der Auftritt

Das Nornennetzwerk ist seit Längerem davon weg, nur für Frauen offen zu sein. Die Änderung ist kurz nach dem Ende meines Probe-Monats online gegangen. Stattdessen ist die Formulierung jetzt "Autorinnen" und in einem Folgesatz "Bei uns sind auch inter* und nicht binäre Personen willkommen, die sich unter dem Schirm eines Autorinnennetzwerkes wohlfühlen" (Quelle 1: Nornennetz, Hauptseite, Quelle 2: Interview von Teilzeithelden.). Das ist ein Gatekeeping, das über trans-, inter- und nichtbinärfeindliche Mikroaggression hinausgeht: Etwas überspitzt ist das Netzwerk also auch offen für inter und nicht-binäre Menschen, die sich freiwillig unsichtbar machen lassen, oder denen Misgendern nicht so viel ausmacht. Schließlich wird überwiegend von Autorinnen geredet. Kritik daran:

  • Es ist eine Fremdbezeichnung (nicht die Adjektive im Einzelnen, sondern die Konstellation), die sich eine oder mehrere cis Personen als "Kompromiss" überlegt haben, um inklusiver zu wirken. Es gibt ein paar wenige Personen, die sich von einer solchen Formulierung abgedeckt sehen, und von "Autorinnen" alleine nicht. Aber auch jene nehmen oft das Gatekeeping darin wahr und finden die Formulierung daneben.
  • Nicht-binäre Menschen haben ein riesiges Spektrum an Geschlechtern. Unter ihnen gibt es auch nicht-binäre Männer oder trans maskuline Personen (wie mich). Nicht-binäre und inter Personen einzuschließen, ohne alle trans, inter, nicht-binäre und agender Personen zu berücksichtigen, ist nicht zu Ende gedacht.
  • Mit dem Zusatz "unter dem Schirm eines Autorinnennetzwerks wohl fühlen" ist es nicht einmal mit Unüberlegtheit begründbar. Es wird damit vermittelt, dass ein Bewusstsein dafür besteht, dass nicht alle nicht-binären Menschen mit dem Femininum "Autorinnen" eingeschlossen wären. Jene, die sich nicht mit diesem Begriff identifizieren können, werden ausgeschlossen. Warum? Geht es um das Prinzip, "weiblich genug" zu sein? Oder werden Personen, bei denen das Femininum "Autorinnen" Dysphorie auslöst, Privilegien bezüglich Sexismus zugeschrieben oder Diskriminierungserfahrungen abgesprochen, weswegen man sie nicht dabeihaben möchte?
  • Metakritik: Die Kritik ist alt. Die Formulierung, wie sie gewählt wurde, lässt darauf schließen, dass man nicht mit vielen von uns ins Gespräch tritt, uns ignoriert oder sich bewusst gegen unsere Argumente sperrt.
Trotz Kritik von vielen Seiten, vielen Threads und vielen Artikeln von verschiedenen nicht-binären, trans und inter Personen zum Thema, einschließlich mehrerer sichtbarer und lauter Aktionen in der Fantastik-Buchbubble, bei denen Kritik dieser Art inzwischen sinnvoll umgesetzt worden ist (siehe #DiverserLesen), hat dazu aber keine fruchtbare Auseinandersetzung stattgefunden, die über freundlich ausgedrücktes, aber sehr verletzendes "aber du wirst weiblich gelesen" oder nicht weiter reflektiertes "es geht hier um Weiblichkeit" hinausging. (Hier sei angemerkt, dass ich als trans maskuline Person manchmal als weiblich eingeordnet werde, aber das macht mich nicht weiblich oder weniger nicht-binär. Es ändert auch nichts daran, dass ich mich mit der Bezeichnung "Autorinnen" nicht wohlfühle. Die Argumentationen, dass eine Autorinnen-Organisation doch „für mich“ sei, ist also inkonsistent.)

Erst, als ein öffentlicher Tweet Monate nach meinem Eintrittsversuch das Nornennetz direkt auf den uneinheitlichen Auftritt hinwies, wurde eine Task Force gegründet, die daran etwas ändern sollte. Das hat nicht geklappt. Stattdessen ist mindestens eine weitere kämpfende Person S.D. (von S.D. weiß ich auch von der Task Force) frustriert wegen nicht auszuhaltender Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit und dem Herunterspielen von Diskriminierung aus dem Netz ausgetreten.

S.D. berichtet weiter, dass jeder Versuch, Formulierungen auf der Webseite inklusiver zu gestalten, der nicht freundlich genug ausgedrückt war, dazu führen konnte, dass zurückgerudert und angedroht wurde, bereits vorgenommene Änderungen rückgängig zu machen. Während eine der sich querstellenden Personen in Einzelprivatgesprächen mit S.D. behauptet hat, dass sie doch eigentlich bereit wäre, auch trans Männer aufzunehmen, wurde S.D. von ihr dazu gedrängt, Formulierungs-Kompromissen zuzustimmen, damit überhaupt ein Vorschlag fixiert würde. Später wurde S.D. darauf festgenagelt, der Exklusion doch zugestimmt zu haben.

Über uns, nicht mit uns

Während meiner Zeit im Netzwerk habe ich gelegentlich Trans-, Inter- oder Nichtbinärfeindlichkeit angesprochen. Ich hatte mich ja für Aufklärung angeboten. Als aus einem solchen Ansprechen eine kleine Diskussion wurde, brach diese jedoch scheinbar plötzlich ab. S.D. stand mit mir in Privatkontakt und teilte mir mit, dass man die Diskussion in einen für mich geschlossenen Kanal verlegt hätte, um das Problem und eventuelle Lösungen netz-intern zu diskutieren. Mir wurde dazu nicht Bescheid gesagt. Es ging um Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit, was mich persönlich betrifft, und cis Personen beschlossen, mich aus der Konversation auszuschließen.

S.D. war Teil dieser Gespräche und doch nicht. S.D. wurde in der Gruppe ständig als cis Person vereinnahmt, während S.D. sich regelmäßig als nicht-binär outete. Es fielen Aussagen in der Richtung "Wir sind doch alle cis hier".

Ich fände es sogar vertretbar, wenn diese Gruppe speziell mit mir nicht reden mag, weil ich eine Person bin, mit der sie nicht zurechtkommt. Ich bin autistisch, und in der Weise, wie ich das bin, ist Subtext und Norm-Höflichkeit manchmal so eine Sache bei mir. Aber eine netzinterne Diskussion, völlig ohne Personen, die es betrifft, oder mit bzw. neben S.D., während es S.D. betrifft, aber S.D. ignoriert und misgendert wird, ergibt keinen Sinn. Das ist bevormundend und diskriminierend.

Von S.D. weiß ich, dass auch später in der gegründeten Task Force nicht-binäre Personen Aufgaben umsetzen sollten, die sich eine cis Person ausgedacht hat. Aufgaben, die jene nicht-binäre Menschen sogar problematisch fanden und kritisiert haben. Die Stellen hingegen, an denen Kritik durch nicht-binäre Menschen geäußert wurde, wurden weiter ignoriert. Wenn von außen kritisiert wird, ist die standardmäßige Antwort: "Wir sind uns der Lücken bewusst und arbeiten an einem einheitlichen Konzept und der Nacharbeit. Wie schnell das geht, hängt von der freien Zeit der Zuständigen ab." (Tweet des Nornennetzes dazu). Womit die Verantwortung auf die machtlos gemachte Gruppe der nicht-binären Menschen innerhalb der Nornen abgewälzt wird und jene indirekt negativ dargestellt werden. Es mangelt nicht an Zeit, die Hauptseite der Nornen anzupassen, sondern es gibt zu viel Widerstand. Das wird damit verschleiert.

Gegeneinander ausspielen

Während ich sehr direkt mit meinen Aussagen war (damit meine ich, dass ich nicht durch Blumen rede, nicht, dass ich beleidigen würde) war S.D. lange Zeit etwas vorsichtiger in der Ausdrucksweise. Die Hoffnung war vielleicht, dass es dadurch zu weniger Abwehrreaktion kommt. Stattdessen führte es dazu, dass wir gegeneinander gestellt und verglichen wurden. Unter anderem wurde festgehalten, dass S.D. eher im Netzwerk zu akzeptieren wäre, weil S.D. (zumindest zu dem Zeitpunkt) ja keine Neopronomen benutze. Es machte den Eindruck, als würden wir als die gute queere Person und die böse queere Person wahrgenommen. Wenn S.D. darauf hinwies, eigentlich dieselben Forderungen wie ich zu stellen, wurde S.D. mitgeteilt, dass S.D. doch wenigstens nett und freundlich wäre. Geändert hat die Freundlichkeit allerdings nichts.

Transfeindlichkeit in my face

Ich als offen trans maskuline Person im Testmonat musste mir als Reaktion auf die Aussage: "Trans Männer bekommen kein Male Priviledge" von einer Norne anhören: "Trans Männer nehmen wir ja auch nicht auf", und von einer anderen: "Verstehe ich dich richtig: Du würdest nicht Norne werden, wenn wir keine trans Männer aufnehmen würden?". Weiterhin wurde argumentiert, dass trans Männer privilegiert wären, weil Leute mit männlich gelesenem Namen leichter einen Verlag finden würden. Als Beispiel wurden Frauen mit männlich gelesenen Pseudonymen angebracht. Jegliche weitere Auseinandersetzung zum Thema Marginalisierung von trans Männern wurde abgebrochen. Im Gespräch mit mir, einer trans maskulinen Person mit dem Namen "Maren". Das tat heftig weh, ich war wütend und wusste überhaupt nicht mehr, was ich sagen sollte.

In Privatgesprächen wurde mir außerdem mehrmals dargelegt, dass trans Männer oder trans maskuline Menschen eine Gefahr darstellten. Dass ich selbst, obwohl selbst trans maskulin, keine darstellte, wurde damit begründet, dass ich von anderen als weiblich wahrgenommen würde. Immerhin haben sich drei Personen, die mir vergleichbare Dinge gesagt haben, bei mir entschuldigt und wir stehen nun in positivem Kontakt zueinander. Es ist trotzdem beeindruckend, mit wie vielen Personen ich genau dieses Gespräch hatte.

Hidden Powers

Während ich eintrat, lief noch gar nicht so lange eine Aktion mit Namen "Hidden Powers". Das war eine Sammlung aus 12 Büchern, für jeden Monat in einem Jahr eines, geschrieben ausschließlich von Frauen. Warum das problematisch ist, haben ich und andere trans, inter, nicht-binäre und agender Menschen an anderen Stellen oft genug ausgeführt und das soll hier nicht das große Thema werden.

Als ich zu den Nornen kam, gab es eine Einführung. Sie wurde von einer Person geleitet, die ich schon aus einem Projekt namens "Ausgeklammert" kannte. Das war ein Panel, das die Person mit geleitet hat. Darin ging es im Wesentlichen um Gatekeeping bei Feminismus oder anti-sexistischen Aktionen. Unter anderem kam im Panel Gatekeeping von trans, inter*, nicht-binären und agender Personen im Zusammenhang mit Frauenaktionen zur Sprache. So viel zur Vorgeschichte.

In der Einführung bei den Nornen stellte jene Person Hidden Powers, oft auch der Frauenschuber genannt, lang und breit vor, und das ohne ein Wort über die gatekeepende Problematik zu verlieren. Das Publikum bestand aus vielleicht fünf Personen, eine davon war ich. Ich habe eigentlich nichts sagen wollen, aber es nach einer Weile nicht mehr ausgehalten. Auf meine Nachfrage antwortete die Person, dass sie das Gendern noch nicht so gewohnt wäre (worum es überhaupt nicht ging) und dass sie damit gerechnet habe, dass ich etwas sagen würde. Mein Problem ist nicht, dass fünf Mal Frauen und Autorinnen gesagt, aber nur einmal der Gap mitgesprochen wird. Mein Problem ist, dass in meiner Anwesenheit von Sexismus gegenüber Frauen geredet wird, ohne ein einziges Mal darauf hinzuweisen, dass dieser Sexismus nicht-binäre, inter, trans und agender Menschen auch trifft. Mein Problem ist, dass ich die Person sein muss, die das Unsichtbarmachen und Ausschließen innerhalb solcher Aktionen, die eigentlich Sichtbarmachung dienen, ansprechen muss. Besonders verletzend ist, wenn die Problematik, wie kommuniziert, bewusst war. Weil ja schon die Erwartung da war, dass ich etwas sage.

Nur durch meine Nachfrage hin erfuhr ich von einer Folgeaktion, die "Together" heißen sollte, und in der nur Bücher nicht-binärer Schreibender besprochen würden. Auch das ist gegebenenfalls ein problematisches Gatekeeping, wie weiter oben erwähnt. (Über die Problematik ließe sich diskutieren, was nicht mit Personen passiert ist, die zu entsprechenden Gruppen gehören.) Nach längerer Recherche fand ich im Netz die Formulierung für dieses Projekt. "Und wir sind immer noch nicht durch, denn nach dem Schuber “Hidden Powers” wird es Zeit für einen weiteren. Er wird unter der Bezeichnung “Together” veröffentlicht und das Geschlecht wird keine Rolle spielen. Seid gespannt." - Link zur Nornenschuberseite im Nornennetz. Was werden die meisten Leute da hineinlesen? Erfahrungsgemäß, dass halt Männer und Frauen erlaubt sind. Vielleicht fragen sie sich, warum das so besonders sein soll. Nach "Hidden Powers", exklusiv nur für Frauen, wo ein together sinnvoll gewesen wäre, dann ein "Together" zu lesen, in dem nicht einmal der Mumm besessen wird, auszusprechen, mit wem denn bitte, - vielleicht, weil sich die Community nicht einigen kann, mit wem, wen sie vielleicht doch gatekeepen will, bei wem sie sich ausdenkt, ohne miteinander zu reden, dass sie doch Privilegien haben müssten, dadurch, dass sie trans sind - , ist das sehr verletzend. Miteinander zu reden, war für mindestens zwei nicht-binäre Personen mit dem Netzwerk nicht möglich.

Ein halbes Jahr später gibt es eine neue Büchersammlung. Sie heißt wieder "Hidden Powers". Auf der Seite zum neuen Nornenschuber ist nicht mehr von Frauen die Rede, irgendwann am Ende jedoch von Autorinnen. Es wirkt fast wie ein Ausversehen. Ich habe alle Verfassenden kurz recherchiert. Über keine der Personen war in ihrem Internetauftritt leicht ersichtlich, ob sie nicht weiblich oder nicht-binär wäre. Allerdings ist Kayla Ancrum inter. Es war das Buch, das S.D. vorgeschlagen hatte, weil ohne Eigeninitiative nicht einmal nach entsprechenden Büchern gesucht worden wäre. Ancrums Hintergrund wird auf der Seite zum Nornenschuber nicht erwähnt. Das muss auch nicht zwangsläufig passieren, aber überhaupt kein Wort über cis-feministisches GateKeeping oder geschlechtlich diverse Repräsentation fallen zu lassen, löst Probleme nicht. Die Unsichtbarkeit geht also auch im neu angesetzten Schuber, in einem frischen Projekt, weiter. Das sendet klare Signale und ist aus meiner Sicht unmöglich, nicht als Ignoranz zu verstehen.

Beratung zu biologistischem Weltenbau

Während meines Probemonats wurden mir gelegentlich Fragen zu Weltenbau gestellt und wie nicht-binäre Personen repräsentiert werden könnten. Ich habe sie damals versucht, gut und freundlich zu beantworten. Als Reaktion auf die erbetene Kritik musste ich mir aber teilweise Dinge anhören wie: "Ich kann nichts dafür, die Figuren haben sich dazu entschieden, so zu sein." So etwas höre ich häufiger. Bitte reflektiert, wenn eure Figuren sich aussuchen, irgendwie zu sein, ob das nicht in Wirklichkeit von internalisierten Vorstellungen von zum Beispiel Geschlecht, Biologismus, Ableismus oder anderem Diskriminierungsformen ausgesucht wird. Wenn es passiert, passiert es erstmal, aber hinterfragen und gegebenenfalls ändern ist dann wichtig. In diesem Falle ist es fast immer Biologismus gewesen, bei dem Geschlecht auf binäre Körperlichkeit reduziert wurde. Zu dem Thema habe ich weiter oben schon den Artikel Biologismus in der Fantastik verlinkt.

Kleine Stiche

Personen, die meine Vorstellung gelesen und mit mir in verschiedenen Kontexten interagiert haben, in denen es darum ging, dass ich nicht-binär bin, haben das Femininum in Gesprächen benutzt, in denen ich mit dabei und mit angesprochen hätte werden sollen. So etwas nehme ich tatsächlich kaum übel, auch wenn ich es anspreche. Darum geht es hier nicht. Zwar ist es ein Zeichen, dass sich noch viel ändern muss, aber es ist nicht zwangsläufig Folge einer stabilen, ignoranten Haltung. Wegen so etwas würde ich diesen Artikel nicht schreiben. Auch Reaktionen wie: "Deine Neopronomen gehen ja noch, da gibt es viel schlimmere" sind zwar sehr unangenehm, und nie sollte eine Person mit Neopronomen so eine in einem Netzwerk zu hören bekommen – schon gar nicht, wenn es sich queerfreundlich oder progressiv nennt. Trotzdem ist das keines der Dinge, die mich dauerhaft schlimm verletzt haben.

Worum es geht, und worum nicht:

Es ging mir nie um Misgendern, das ausversehen passiert, auch wenn es oft passiert. Das wurde mir oft unterstellt, aber das ist nicht der Fall. Es geht mir darum, dass ich mich permanent so fühlen musste, als wäre meine Lebensrealität nur eine Meinung, um mangelnde Bereitschaft oder Offenheit und klar feindliche Haltungen. Ich weiß, wie es ist, wenn Schritte auf mich zugemacht werden und wenn sie Leuten schwerfallen, für die alles neu und viel Arbeit ist. So etwas fühlt sich anders an. Dafür, und für Fehler, die dabei passieren, bin ich immer offen. Aber wenn ein Netzauftritt gestaltet wird oder ein Projekt gestartet, wenn bereits Kritik bezüglich einer Diskriminierungsform im Raum steht, dann sehe ich deutlich, wenn kaum ein Versuch unternommen wird, sich bezüglich Kritik zu öffnen oder mit Personen zu reden, die Expertise und gelebte Erfahrung haben.

Andere Diskriminierungsformen

In diesem Artikel habe ich mich auf Trans-, Inter- und Nichtbinärfeindlichkeit beschränkt. Aber auch Ableismus war ein großes Problem, zu dem sich einige Personen den Mund fusselig geredet haben, ohne dass es spürbare Änderungen gegeben hätte, während ich dort war. Es betrifft wahrscheinlich auch weitere Diskriminierungsformen. Zum Beispiel wird, obwohl mindestens zwei jüdische Personen in der Buchbubble, eine davon im Netzwerk, dagegen protestieren, in Tweets des Netzwerks der unzutreffende und diskriminierende Ausdruck "Mensch jüdischen Glaubens" verwendet. Aber das ist nicht Schwerpunkt dieses Artikels.

Fazit

Im Nornennetz ist für die meisten nicht-binären, trans, inter oder agender Personen kein Raum. Ich habe kontinuierlich sowohl im Hauptchat als auch privat von bestimmten Nornen eine transfeindliche Grundhaltung entgegengelebt bekommen. Die aufgeführten Stellen sind jene, in denen es sehr deutlich war. Ich weiß, wie es sich anfühlt, mit Personen zu reden, die noch nie Berührungspunkte mit trans Personen hatten, aber ihnen wichtig ist, etwas zu ändern, selbst wenn sie Schwierigkeiten beim Verstehen oder wenig Kraft zum Umsetzen haben. Sie fragen, wie es den betroffenen Personen geht, nehmen die Reaktionen von marginalisierten Menschen erst einmal ernst, auch wenn sie sie nicht verstehen, und hören aktiv zu. Diesen Raum konnte mir das Nornennetz in keiner Weise bieten. Im Gegenteil: Die erlebte Ignoranz und die Transfeindlichkeit haben Schaden bei mir hinterlassen. Auch S.D. erlebt noch Nachwirkungen dieser verlorenen Auseinandersetzungen. Wir würden keiner trans, inter, nicht-binären oder agender Person raten, sich in dieses Netzwerk zu begeben und doch wünschen wir uns natürlich Änderung. Wir wünschen uns, dass es zukünftig Personen nicht so ergeht wie uns.

tweet