Moxie

Inhalt

Moxie ist ein Highschool-Spielfilm auf Netflix. Er geht um eine Schülerin, die patriarchale Gewalt beobachtet und anonym eine feministische Bewegung dagegen in Gang setzt. Empfohlen wurde mir der Film unter anderem wegen der Diversität: Einige der Mitlernenden sind BPoC, eine Randfigur ist behindert.

Motivation dieses Reviews

Es ist unüblich für mich ein Review über einen Netflix-Film zu schreiben. Ich schreibe meist über Bücher und Geschichten von Schreibenden, die eher unbekannt sind, um Nischengenres, Kleinverlage, Indie-Schreibende, etc zu unterstützen. Ich schreibe auch eher, um bestimmte Aspekte von Büchern herauszustellen, die sie besonders machen, weniger, um meinen eigenen Geschmack zu äußern, weil der Privatsache ist. Warum schreibe ich nun dieses Review?

Es gab sicher einiges an dem Film, das tatsächlich gut war und ich möchte ihn auch nicht völlig kaputtreden, das ist definitiv nicht mein Ziel. Ich möchte trotzdem ein paar Elemente des Films ansprechen, die mich aufwühlen, und von denen ich mir wünschen würde, dass sie bei potentiellen Hypes mit gesehen werden. Ich ende mit Fragen. Vielleicht sehe ich Dinge auch völlig falsch. Antworten und Sichtweisen anderer interessieren mich da sehr.

Diversität und intersektionaler Feminismus?

Ja, Diversität war vielleicht tatsächlich sichtbarer, als in vielen Filmen, die ich in meiner Kindheit und Jugend gesehen habe. Ich habe mich aber schon gefragt, wenn wir tatsächlich über Intersektionalität von Sexismus und Rassismus reden möchten, was der Film teilweise tut, warum es Nebencharaktere sein müssen, warum der Hauptcharakter immer noch weiß ist. Es kam mir auch ein bisschen unrealistisch und wholesome für weiße Menschen gemacht vor, dass der Sexismus außerhalb der feministischen Bubble im Film abgestritten und relativiert wurde, aber innerhalb jener die Rassismus-Probleme im Wesentlichen alle einfach akzeptiert wurden. Als selbst weiße Person kann ich nur schwer einschätzen, wie da ein realistisches Bild ist.

Als trans maskuline, nicht-binäre Person war der Film unangenehm anzusehen. Der Film trennte binär, es war von Frauenpower, Girls Power die Rede, ohne ein einziges Mal auch nur ein Thema wie trans männlich oder nicht-binär Sein im Feminismus anzureißen. Es gab dafür mindestens eine Steilvorlage, als binär gegendert worden ist. Unsichtbarkeit ist Gewalt, die meinen Alltag bestimmt. Das macht solche Filme, die da explizit Materie für Feminismus schaffen und dann auch noch sagen, über Intersektionalität zu reden, schwer anzusehen.

Support, aber nur, wenn du lieb bist.

Sehr positiv fand ich, dass ein Schüler schon von Anfang an feministisch war und nicht dazu überredet oder davon überzeugt werden musste. Nein, eher sogar, dass da die Skepsis passiert, dass sich wirklich ein männlicher Schüler für Feminismus einsetzen würde. Leider war die Skepsis aus meiner Sicht dann etwas berechtigt: Als der Hauptcharakter irgendwann unter großem Druck steht und zu Unrecht in das Verhalten der zu dem Zeitpunkt anwesenden Personen Sexismus interpretiert, sie dafür alle anschreit, ist der Mitschüler und zu dem Zeitpunkt Beziehungsmensch sauer und spricht nicht mehr mit ihr, bis sie sich wieder benimmt. (Bisschen überspitzt und zynisch ausgedrückt). Er beteuert, dass er sie immer supportet hätte. Was stimmt, aber in dem Moment ein Shitmove ist, weil es im Feminismus eben nicht nur um sie und ein beliebiges Herzensprojekt geht, sondern um Menschenrechte und Gleichberechtigung, sodass der Support für Feminismus eher nicht an persönliche Bedingungen gekoppelt sein sollte. Aus meiner Sicht ist das eine schlechte Botschaft in einem feministischen Film.

Zum Glück ist diese richtig schlimme Sache passiert! (Sarkasmus)

CN für den Rest: ekelhafte Übergriffigkeit, Vergewaltigung

Was ich an diesem Film richtig gut fand, war die Darstellung der Machtlosigkeit im aktivistischen Kampf. Da hat man so viel Energie investiert, dass man völlig alle ist, um auf ein Problem aufmerksam zu machen, und Leute hören einem ansatzweise ein bisschen zu, aber die wichtigen Leute, die an den Hebeln sitzen, eigentlich auch nicht, und dann kommt der sexistische Mensch, der vor allem Mitschülerinnen gegenüber übergriffig ist, sie ohne Konsens anbaggert, sie sexualisiert, und inszeniert sich als Opfer eines Shitstorms, bekommt dafür eine Plattform. Durch irgendwelche logisch wirkenden Strukturen, gegen die man sich nicht wehren kann, hat die feministische Gruppe selbst keine. Feminismus wird blockiert, wenig passiert. Das ist schlimm. Und realistisch.

Aber an der Stelle einen Film zu beenden, ist ja irgendwie traurig, nicht empowernt. Das verstehe ich auch. In den letzten 10-15 Minuten des Films kommt eine weitere Mitschülerin zu Wort, die von besagtem sexistischen Menschen vergewaltigt worden ist. Positiv in dem Zusammenhang fand ich, dass es nicht gezeigt wurde, dass aber darüber geredet wird. Dass gesagt wird, dass zugehört wird, weil es ein reales Problem ist, dass Überlebenden solcher Verbrechen die Tat abgestritten wird. Aber mit dieser Tat löst sich auch der Konflikt: Der Täter muss die Schule verlassen. Damit endet der Film.

Mich lässt das mit einem sehr entsetzten Gefühl zurück: Ernsthaft? Ein Filmende, in dem wir nicht mehr die Hoffnungslosigkeit haben, dass der Mitschüler nie gestraft wird für seine Alltagsübergriffigkeit und Dank sexistischem, patriarchalem System immer gewinnt, aber stattdessen eine Vergewaltigung der Grund ist, warum diese Person von der Schule fliegt, lässt uns mit einem besseren Gefühl zurück, weil es einen Ausweg gibt? Das ist widerlich. Geht das nur mir so, dass das ein furchtbares Gefühl hinterlässt? Hätte dieses Grauen, dass es so schlimm werden muss, damit etwas passiert, nicht Teil des Films werden müssen? Und es gleichzeitig anzunehmen ist, dass dann nur die eine Person an Machtposition verliert, aber sich am grundsätzlichen Problem nichts ändert? Warum fühlt sich das am Ende des Films so an, als wäre damit Gerechtigkeit wieder hergestellt? Oder ist das nur etwas, was mir so suggestiv vorkommt, aber andere fühlen da das Grauen des Films? Wenn der Film 15 Minuten eher geendet hätte, als noch die falsche Person von der Schule geflogen war, bevor die Vergewaltigung zum Thema geworden ist, wäre euch das Ende des Films dann positiver vorgekommen, oder negativer?

tweet