Akkordeon

Content Notes: Blut, Erotik, Emocean (starke Emotionalität), Anspielungen auf Ausziehen und BDSM

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Die Geschichte

Ich bin kein Vampir. Auch wenn meine Behausung eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Sarg haben mag. Sie nennt sich Koffer und ist auf meine Körperform zugeschnitten. Hier wohne ich, wenn ich nicht atme.

Ich sauge kein Blut. Ich habe nicht einmal Zähne. Ich habe Tasten, Knöpfe und Atem. Ich nehme nicht Leben, ich gebe Leben. Und sauge an Seelen. Bis sie anreißen und aus ihnen Träume rieseln.

Dein Rad rumpelt über das Pflaster dahin, und ich gegen die Kofferwände auf deinem Rücken. Du hast es eilig, hast diese innere Anspannung, durch die mir klar wird, was du vorhast. Dass du dich gleich mir hingeben wirst und ich mich deinen Fingern. Dass du dich ausziehen wirst, vor all den anderen da draußen, ohne dass sie es verstehen. Vielleicht ein paar schon.

Dann kommen wir an, am Hafen. Die Welt hält an, als du das Fahrrad anlehnst und ankettest. Das Rumpeln vorbei, stattdessen die Stille. Das Meeresrauschen, das Windrauschen in den Blättern, das nicht von dir kommt, beruhigt. Du atmest. Atmest Ruhe, weil du weißt, dass du gleich Erlösung findest.

Du legst den Koffer mit mir darin neben dich auf die Kaimauer und öffnest die Verschlüsse andächtig. Du klappst den Koffer auf und nimmst mich behutsam daraus auf deinen Schoß. Du fädelst die Arme durch die Gurte und löst die kleinen Lederriemchen, mit denen mein Körper zusammengehalten wird.

Wie ein leichtes Seufzen dringt Luft in meine Lunge, als die Fesseln fallen. Nur ein wenig, nur, weil wir loslassen. Du berührst eine der Tasten, schon jetzt, sachte, um dem Seufzen ein Geräusch zu entlocken. Das Geräusch eines Instruments, das Bescheid gibt, dass es existiert und bereit ist. Wie die Dämpfer auf den Saiten eines Klaviers, wenn sie gehoben werden. Oder der Hall in einem Geigenkorpus, wenn etwas Hartes sachte gegen ihn stößt. So seufze ich nun hier. Deinen zärtlichen und liebenden Blick auf mir. Deine Finger, die ihre Position suchen, ohne dass du hinsiehst. Der Mittelfinger der linken Hand, der die Taste mit der anderen Oberfläche findet, und sich von dort ein paar Knöpfe weiter nach oben seinen Weg bahnt. A-Moll. Deine andere Hand, die über das glatte Plastik der Tasten streift. Als wäre dieses Plastik ein Material, das wertvoll wäre wie Haut. Deine Finger wandern darüber, lange bevor der Entschluss fällt, auch zu spielen. Deine Lunge, an der meine lehnt, zittert, wie meine.

Du schließt die Augen, als du mit der rechten Hand die ersten Töne drückst und zärtlich an meinem Körper ziehst. Mir Klang entlockst. Klang, der durch meinen ganzen Körper fließt, und aus ihm hinaus in deinen. Bis du weinst. Weil du es darfst. Weil ich dafür da bin. Weil du mich mit dir weinen lässt.

Und dann fließen wir fort, in Musik, in Klang, in einem Meer aus etwas, was nicht trennbar ist in Töne, Wellen, Meereswind, Gefühl. Verschmelzen, weil ich nicht mehr ich bin und du nicht mehr du, sondern es nur noch ein wir gibt. Verzehren uns ineinander. Leiden und genießen das Leiden. Bis die Seele aufbricht und alles herausströmt, wofür es keine Worte gibt, nur Musik.

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