Ein P.S. zu Phantastische Seiten

Content Notes: Ableismus, Gate Keeping, Trans-/Nichtbinärfeindlichkeit, Diskriminierung, Non-pologies, Harry Potter-Referenz

Motivation und Einordnung

Dieser Artikel, veröffentlicht am 25.03.2021, ist ein Meta-Artikel zu einem Problem, das gerade in der (angeblich) progressiv feministischen Fantastik-Bubble auf zum Beispiel Twitter brodelt. Es geht, wie so oft bei mir, zum einen um das systematische Gate Keeping nicht-binärer, trans, inter* und agender Personen aus feministischen Projekten, schon im Namen, obwohl sich die Projekte mit allgemeinen Problemen des Sexismus und Patriarchats befassen, von denen alle nicht-binären, trans, inter* und agender Personen mitbetroffen sind. Ja, auch trans Männer, trans maskuline Personen, inter* Männer. Die Phantastischen Seiten, ein Panel-Format von der Verlegerin des Art Skript Phantastik Verlags Grit Richter, in dem jeweils vier Personen auf twitch miteinander über ein Thema reden, haben mal Phantastisches Damenquartett geheißen, und das nicht zufällig, sondern, wie mir auf Nachfrage erklärt wird, tatsächlich gegen die systematische Unsichtbarmachung von "Frauen und Personen, die sich als Frauen angesprochen fühlen". Im nächsten Absatz verlinke ich Artikel, die auf dieses Problem Bezug nehmen.

Der Name wurde, ohne es irgendwie accessible zu kommunizieren geändert. Zwar wünsche ich mir immer noch, dass darauf mal ein öffentliches Statement folgt, aber das soll hier gar nicht das primäre Problem sein. (Update 26.03.2021: Einen Tag später gibt es ein Statement von Grit Richter, dass die Umbenennung kommuniziert, siehe Link-Liste.) Zum anderen nämlich wurden die zwei Personen, die das angesprochen haben, vorwiegend @JuneTMichael1 und ich, aber vielleicht auch andere, die später hinzukamen, als unüberlegt und pöbelnd dargestellt, indirekt Trolle genannt, generell massiv getonepolicet. Beide Probleme sind üblich. Dieses Mal beschränkte sich das aber nicht auf Replys, sondern es gibt einen Podcast oder ein Panel dazu, eben jenes erste Panel Phantastische Seiten mit dem Untertitel "Was gibt es denn hier zu motzen", in dem es ungefähr 15 bis 20 Minuten lang fast ausschließlich nonmentioning darum geht, June T. Michael und mir zu erklären, wie schlimm das ist, dass und wie wir Diskriminierung angesprochen haben. Zum Problem des Gate Keepings selbst wird nichts für die Außenwelt Verständliches gesagt. Es ist alles bisher öffentlich, ich verlinke im Folgenden.

Das "angeblich" im ersten Absatz bezieht sich nicht auf alle Projekte oder jeden Aktivismus in der Fantastik-Bubble, aber Intersektionalitätsprobleme sind Probleme, an denen auch in dem Umfeld, dass sich progressiven Feminismus auf die Fahnen schreibt, viel zu wenig gearbeitet wird. Die Phantastischen Seiten sind da nur ein Beispiel, das besonders hochgekocht ist. Es ist aber ein systematisches Problem. Ich erlebe das in allen feministischen Kontexten. Es wird sogar nicht nur zu wenig daran gearbeitet, sondern nicht einmal zugehört. Versuche und das Ansprechen der Probleme durch marginalisierte Minderheiten werden negativ geframed und verurteilt. Marginalisierte Personen werden aktiv vor den Kopf gestoßen und öffentlich nieder gemacht. Das böse trans-Twitter ist nicht ohne Grund eine zynische Phrase, die auf Twitter viele trans, inter*, nicht-binäre und agender Personen kennen und nutzen, um sich gegenseitig satirisch zu stärken und zu helfen. Das Framing ist sehr gaslightend und toxisch.

Mir wurde erklärt, das öffentliche Statements, die sich auf Personen direkt beziehen und nicht anonym sind, eher nicht gut sind, eher dem Kampf um Sichtbarkeit schadeten. Meine Hoffnungen, in diesem Kontext doch auf Verständnis zu stoßen, sind begrenzt. Zu viele üble Erfahrungen. Ich habe Angst vor diesem Schritt.

Ich möchte hier klar machen, dass ich das nicht mache, um weh zu tun oder zurückzuschlagen, obwohl mir durchaus bewusst ist, dass es weh tun wird. Ich mache das auf Anraten verschiedener Personen hin, weil dieses Problem, das gerade brennt, für viele so halb mal im Sichtfeld von Leuten erscheint, sie aber eigentlich gar nicht genau wissen, was los ist. Ich mache das aus Transparenz-Gründen, damit bei einem dieser vielen beschissenen Probleme, die ich in den vergangenen Jahren erlebt habe, um einfach nur da sein zu dürfen, für alle klar und transparent sein kann, was passiert. Ich mache das auch, weil einige Menschen in meinem Umfeld sich nicht trauen, mir Fragen zu Diskriminierung zu stellen, wenn ich zum Beispiel einen Artikel veröffentlicht habe. Gründe für diese Angst sind vielleicht, dass nicht klar ist, von welcher Dimension von Diskriminierung die Rede ist und dass sie gar nicht gemeint sind. Dass ich eher Leute meine, die die Artikel gar nicht erst lesen und dann einfach so bashen. Und eben das negative Framing. Das geht halt auch nicht an einem vorbei. Wenn Grit Richter in einem Panel und in Tweets öffentlich sagt, June T. Michael und ich wären Trolle oder würden unüberlegt Wut ablassen oder auch nur etwas, was das nahe legt, dann wird das diese Angst auslösen.

Das Problem ist nicht neu, Verlinkung zu älteren Artikeln

In diesem Abschnitt gehe ich nicht auf das Framing ein, sondern gebe Lesematerial zu dem Gate Keeping Problem.

Zunächst ist da die alte Umschreibung, die problematisch ist: "Frauen und Personen, die sich als Frauen angesprochen fühlen". Dazu:

Aber ja, ich gehe soweit zu sagen, dass Frauen-only-Projekte fast immer entweder nichts mit Feminismus zu tun haben oder unsolidarisch sind. Ich wünsche mir, dass es mehr Aktionen geben wird, die sich mit allen Diskriminierungsformen befassen. Ich sehe aber auch, dass Safe Spaces bezüglich einzelner Diskriminierungsformen wichtig sind, etwa bezüglich Sexismus oder sexueller Übergriffigkeit. Jenen Sexismus und die Übergriffigkeit erleben aber zum Beispiel trans Männer nicht weniger, trans Männer bekommen nicht irgendwoher Male Priviledge, nur weil sie männlich sind. Es gehört auch immer die gesellschaftliche, uneingeschränkte, immer da gewesene Akzeptanz dazu, dass eine Person männlich ist, damit die Privilegien funktionieren. Ausführlich zu den Themen und zum Gate Keeping:
  • "The Other Side Of TERF - Not All Men", ein Artikel zu genau diesem Thema, der klassische Argumente dekonstruiert.
  • Ein Titter-Thread, der die Einleitung des ersten Artikels zusammenfasst.
  • "FLINTA*-Spaces", ein Ausblick, wie feministische Schutzräume aussehen sollten, und was es bedeutet. Und eben, dass es nicht darum geht, ein Spotlight auf Transfeindlichkeit zu werfen, sondern um Sexismus. TL;DR: Auch FLINTA*-Spaces sind keine Safe Spaces für zum Beispiel trans Personen, trotzdem ist der Schritt der Öffnung in Namensgebungen konsequent.
  • "Diskriminierung in der Buchbranche", ein Artikel von @KaenKazui auf Twitter. Sier schreibt hier über die gleiche Problematik (, ich bin damit nicht allein).
  • Ein Twitter-Thread, der von einer anderen Seite an das Thema GateKeeping herangeht.

Link zum Panel "Phantastische Seiten", Thread, Transskript

Wie zuvor angesprochen, ist in diesem Fall alles öffentlich.

Die Kritik

Jenes Transskript haben June T. Michael und ich kommentiert. Für volle Transparenz, was alles problematisch war an der Art, wie in dem Panel mit uns umgegangen wird, verlinke ich auch das kommentierte Transskript hier. Da das aber sehr lang ist, hier ein TL;DR:

Es fiel das Statement "Das wäre in einem 6-8 Augengespräch sehr schnell geklärt gewesen" und das Narrativ zog sich bis auf weiteres durch. Zu der systematischen Problematik dahinter werde ich einen Artikel schreiben und June verfasste dazu bereits diesen Twitter-Thread. Kurz zusammengefasst gibt es folgende Problematiken:

  • Ableismus-Layer (Hör/Sprechschwierigkeiten, Reizüberflutung/Fokus/Mimik, Barrieren wie Ort/Software).
  • Man muss schnell reagieren können, was nicht geht, wenn einem überhaupt erst zugehört wird, wenn man übermäßig auf Formulierungen Acht gibt, weil andernfalls derailt und getonepolicet wird, oder wenn die Diskriminierung selbst retraumatisierend triggert.
  • Outernet out-sein-Layer, dass eine Person bei face-to-face Gesicht zeigen muss und keinen nötigen Anonymitäts-Schutz mehr haben kann.
  • Der Connection-Layer, dass im Internet mehr Mitbetroffene da sind.
  • Der Semiöffentlichkeits-Schutzlayer.
  • Der Anspruch auf Einzelaufklärung.
Nichts von den Punkten ist Derailing oder hypothetisch. Alle Punkte führen bei June T. Michael, mir und anderen im betroffenen Umfeld zu Problemen und Ausschluss.

Von dieser Problematik losgelöst, sind folgende Sachen vorgefallen:

  • Es gab fortlaufend das Framing, dass June T. Michael und ich unüberlegt und unsachlich Verletzendes gesagt hätten und überhaupt böse seien (unter anderem mit einer JKR-Referenz, einer TERF, auf Voldemort).
  • Es kam zu einem ständigen eigenen Zentrieren in einem Zusammenhang, in dem es um Diskriminierung geht.
  • Diese Selbstzentrierung passierte ohne Ausblick: Steter Fokus darauf, dass Outcalls verletzen. Aber nirgens wird gesagt, was das für Leute bedeutet, die kritisieren müssen.
  • Es ist sehr problematisch, dass ein Panel gemacht wird, in dem über ein Problem geredet wird, in der nur eine Person anwesend ist, die das für ein Problem hält, die außerdem wenig Redezeit hat.
  • Es gab bis heute, gut zwei Wochen später, kein accessible Statement dazu, dass es jetzt anders heißt und warum.
  • Es gab auch keinerlei Entschuldigung oder aufrichtiges Eingeständnis. So halb noch für den Titel (wobei da die Aussage war "es kommt nicht drauf an, was ich sage, sondern was ich tue"), aber gar nicht für das Framing des bösen Transmobs, das sich auch durch das Panel durchgezogen hat.

tweet