James A. Sullivan – Das Erbe der Elfenmagierin

CN: Spoiler für “Das Erbe der Elfenmagierin”

In “Das Erbe der Elfenmagierin” von James A. Sullivan, einem Fantasy-Roman mit verschiedenen Völkern wie Elfen, Zwergen, Vilbaren, begleiten wir den Hauptcharakter Ardoas auf seiner lebensgefährlichen und zugleich sehr wohlfühlsamen Reise durch verschiedene Regionen und Kulturen auf den Spuren seiner vergangenen Inkarnationen.

Es gibt Kampf, Verletzungen, Tote, individuelle Charaktere mit vielen Innensichten, Sympathie-Gefühle, romantische und sexuelle Beziehungen, viel verschiedene Kultur und vor allem gut beschriebene soziale Interaktionen.

Zwischenmenschliches

Das sehr Besondere an diesem Buch sind neben der sensibel abgebildeten, wirklich vielfältigen Diversität aus meiner Sicht die Dialoge, aus denen teils komplexes Zwischenmenschliches, wie Wärme, soziale Konventionen und Unsicherheiten damit, auf relativ kleinem Raum sehr gut nachfühlbar abgebildet wurden.

Das Buch fängt mit einer besonderen Geburtstagsfeier an, zu der es verschiedene Traditionen gibt. Nicht alle sind mit den Traditionen vertraut und wir erleben den individuellen Umgang damit. Besonders berührt hat mich in dem Zusammenhang eine ehrliche Konversation zweier Charaktere, die jeweils in Bedrängnis gebracht worden sind, etwas zu tun, was nicht ihr Plan gewesen war, und wie sie damit umgehen, die vielleicht nun etwas unangenehme Situation für alle Beteiligten bestmöglich zu gestalten. Es war eine der Szenen, die sich erfrischend real angefühlt haben, und nach einem guten Ausweg aus einer Situation, die in Romanen nach meiner Erfahrung oft für Drama und feindliche Stimmung herhalten müssen.

Auch die Charaktere sind oft mit positiven und eben auch negativen Eigenschaften versehen, oder welchen, die in verschiedenem Licht verschieden aussehen, die sich realer angefühlt haben, als ich es aus Büchern gewohnt bin.

Beispielsweise wird Ardoas Mutter von außen teils so wahrgenommen, als würde sie sich der Freiheit ihres Kindes in den Weg stellen, um es zu schützen, und gleichzeitig sagt sie Sachen, wie: “Wir sind es, die sich verändern müssen, damit du dein Ziel erreichst.” Ich mag diese Widersprüche im Charakter sehr, wie eine Entwicklung auf verschiedenen Ebenen stattfindet, und die tiefen Wahrheiten in vielen allgemeinen Sachen, die sie sagt. Ich mag selten verallgemeinerte Weißheiten, aber diese waren zu einem großen Teil philosophisch und tatsächlich empowernd und schön.

Es waren unter anderem ihre Ermutigungen an ihr Kind, die mich in einer Lesung im Vorfeld berührt haben und die mich noch einmal sehr zum Lesen des Werks angeregt haben. Ihr findet mehr davon im Panel #DiverserLesen mit Ask mit James A. Sullivan.

Irgendwann werden zwei Charaktere eingeführt, mit denen Adroas eine polyamore Beziehung anfängt. Ich mag an dem Miteinander besonders die Akzeptanz des dritten Charakters in der Runde mit seinem Hyperfokus, und seinen Ängsten. “Du hast immer Angst, welche ist es dieses Mal?” Es wird nicht abgewertet (zumindest lese ich es nicht darein), sondern einfach genommen, wie es ist.

Zur Diversität im Worldbuilding

Einiges dazu wurde bereits im besagten Panel angesprochen, daher gehe ich hier nur kurz auf die Punkte ein, die mir persönlich am Herzen liegen.

Ich habe mich in vielen Szenen mit trans Repräsentation oder Worldbuilding dazu sehr wohl gefühlt. Ich mag, dass Ardoas Frage über den Hintergrund einer trans Person von einem Hinterfragen von sich selbst ausgeht, die sein eigenes Geschlecht betrifft. Ich mochte, wie ein nicht-binärer Charakter sich Gedanken darüber macht, wie andere ihn wahrnehmen, und dabei herausgearbeitet wird, dass auch nicht alle nicht-binären Personen sozusagen das gleiche Geschlecht hätten. Ein bisschen schade fand ich vor genau diesem Hintergrund, dass es des öfteren für Geschlechter jeweils drei Bezeichnungen oder Namen gab, und dass nie angesprochen wurde, dass es auch keine Lösung ist, wenn wir einfach eine einzelne dritte Kategorie aufmachen. Das hätte, finde ich, schön an ein zwei Stellen in den Plot gepasst, diese Problematik anzusprechen oder damit aufzuräumen. Dann wiederum fand ich sehr gut, dass Geschlecht in verschiedenen Kulturen verschieden gehandhabt wird, und die mit dem binärsten System meist nicht die PoV-Kultur ist.

Ich fand interessant, wie im Werk von Assimilation die Rede war – zumindest habe ich das so verstanden. Es gibt das Volk der Feen, von denen diejenigen, die in eine andere Region eingewandert sind, Verhaltens-/Lebensweisen von dort übernommen haben, und andere eben nicht so sehr. Ich kann das nicht so gut in Worte fassen, wie es dieser Roman rübergebracht hat, aber fand es sehr schön, über all diese Aspekte von Kultur in einem Roman zu lesen.

Die Stelle bezüglich Kultur-Clash, die mich am stärksten beeindruckt hat, war aber eine Vorstellungsszene zwischen Ardoas und einer politisch hochrangingen Person, in der es zu einem Handkuss kommt. Ardoas weiß nicht, wie die Geste korrekt ausgeführt würde, und entscheidet sich schließlich unsicher für eine Variante. Jene war falsch, sozusagen, und infolge dessen wird direkt auf Charaktereigenschaften von ihm geschlossen, die damit nicht viel zu tun haben.

Ich fand es extrem stark geschrieben, was dabei in Ardoas vorgeht, ich konnte das sehr nachfühlen. Für mich kam gleichzeitig das Unbehagen aus anderem Zusammenhang wieder auf, diese Angst, die ich in jedem (wirklich jedem) neuen Haushalt fühle, weil ich in so vielen Fällen durch die Blume gesagt bekomme oder durch Mimik hätte erahnen sollen, dass ich mich nicht regelkonform und deshalb sehr unhöflich verhielte. Es war einfach sehr beeindruckend geschrieben.

Weniger soziale Worldbuilding-Elemente

Ich feiere, dass die Luftschiffe Segel oben und unten haben. Das ergibt einfach spontan viel Sinn. Ich mag, dass ein Monat 32 Tage hat. Ich mag solche Details über Zeitmessung sehr gern.

Und schließlich wurde das Wort “Fakke” erklärt. Es ist, soweit ich das mitbekomme, ein Insider zwischen ein paar Schreibenden in der Fantastik-Bubble. Ich fand sehr cool, wie ernsthaft und mit Gespräch über Sprache das Wort im Werk erklärt wurde.

Fazit

Ich kann noch über viele Elemente schwärmen, aber das sprengt aus meiner Sicht den Rahmen dieses Reviews. Aus meiner Sicht wird das Werk durch viele Dinge, die im Laufe der Handlung passieren, ausgemacht, und weniger durch einen roten Faden (der schon vorhanden, aber eben nicht so wichtig für mich ist). Es war eins der angenehmsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen beziehungsweise gehört habe.

Content Notes zu “Das Erbe der Elfenmagierin”

tweet