20 - AprilKink 2023 - Gehirne (Ærenik 4)

Content Notes

  • BDSM.
  • Gore.

Geschichte

Freden ließ Ærenik auch dieses Mal wieder die Virtualität gestalten, auch wenn zwischen ihnen kein abgesprochenes Machtverhältnis mehr bestand. Sie brauchte Support, also suchte sie sich aus, was sie brauchte. Auch wenn es Freden nicht sonderlich zusagte, im strömenden Regen gegen eisigen Wind zu spazieren. Das Bild hatte was Romantisches, aber Freden war eher die Variante Lobbud, die sich das ganze durch ein Fenster ansah oder andere beim Nasswerden beobachtete.

Vii hätte für sich Kälte und Nässegefühl und Einschlagkraft des Regens ins Gesicht lokal verändern können, und tat dies auch, aber nur ein bisschen. Nur so, dass es besser aushaltbar war. Vii wollte mitfühlen und auch ein haptisches Bild davon haben, was Ærenik gerade fühlte. Das sachte Herunterregeln würde das Bild nicht sehr verschieben, vermutete Freden, weil sie bestimmt weniger empfindlich war als vii.

Sie war Windschwinge. Freden hatte irgendwann bei ihrem Spiel das winzige Tatoo an ihrem Handgelenk gesehen, das sich Windschwingen oft stachen. Zwei Bögen, wie kleine Kinder oft Vögel vereinfacht zeichneten, die gerade malen lernten. Windschwinge war eine Selbstbezeichnung von Personen, die eher auf Reisen als an einem festen Ort lebten. Es gab natürlich allerlei Vermutungen, was denn nun auf die meisten Windschwingen zutreffen müsste, die zu einem großen Teil zu verallgemeinerter Unsinn waren, aber daraus, dass Ærenik diese Virtualität parat gehabt hatte, wagte vii doch zu schließen, dass sie solches Wetter während ihrer Reisen immer wieder erlebte und es ihr in gewisser Hinsicht gut tat.

Sie kämpften sich eine Weile gegen Sturm einen Pfad an einer Steilküste entlang. Es war vermutlich Abend, relativ dunkel, aber es war nicht klar, wie viel der Dunkelheit durch die grauen Wolken und den Starkregen ausgelöst war. Hin und wieder blinkte ein Leuchtturm und unter ihnen schäumte und rauschte das Meer.

“Ich liebe diese Virtualität!”, war das Erste, was Ærenik seit einer ganzen Weile sagte. “Du nicht?”

Warum fragte sie ausgerechnet diese Frage? “Darum geht es gerade nicht.”

“Ich wage zu schließen, dass du sie eher hasst.” In Æreniks Stimme schlich sich ein Schmunzeln. Sie wirkte irgendwie aufgeräumter als vor ein paar Minuten noch.

Freden ließ sich zu einer Antwort hinreißen, die etwas mehr preisgab, als vii wollte. “Hassen nun auch nicht.”

Ærenik gluckste. Sie machte eine Geste zur Landseite hin, die wie ein Handzeig gedeutet werden mochte, oder die Virtualität umgestalten konnte. “Wollen wir reingehen?”

Freden blickte in die Richtung und konnte wirklich nicht sagen, ob die Hütte eben schon da gewesen war. “Du musst keine Rücksicht auf mich nehmen.”

Aber Ærenik ignorierte und führte vii zu jener Hütte. Sie öffnete viiv die Tür und lud vii ins Innere ein.

Freden grinste. Vii war zweimal in einer Windschwingenherberge gewesen und sie waren beide sehr verschieden gewesen, aber doch hatten sie eine bestimmte Art an sich gehabt, die sich auch hier wiederfand. Bilder und Einrichtung, die wirkten, als stammten sie von sehr verschiedenen Personen, die darüber etwas kommunizierten, ohne sich zu kennen. Vii stellte sich vor, wie es war, in so einem Haus ein paar Nächte zu sein, und für Leute etwas zu hinterlassen, die später ankämen, wenn vii schon wieder weg wäre. Freundlichkeiten und Liebe für Unbekannte, aber für Personen, mit denen Windschwingen eben irgendwie verknüpft waren, weil sie auch reisten. Windschwingen bezeichneten sich oft als eine riesige Familie.

Vii setzte sich Ærenik gegenüber an einen einfachen Holztisch. Die Stühle waren sehr bequem. Ein warmes Licht erfüllte den Raum, beleuchtete die orangegelben Vorhänge am Rande des Fensters, an das das Wetter klatschte und herabrann. “Geht es dir besser?”

Ærenik nickte. “Ich würde dich jetzt doch um ein Spiel bitten.”

“Eines, um auf andere Gedanken zu kommen?”, fragte Freden. “Das kann sehr helfen.”

“Eigentlich nicht, im Gegenteil”, widersprach Ærenik. “Ich mag es nicht, dass ich da Hemmungen hatte, und ich finde, die können weg. Ich würde gern dein Gehirn essen. Und dass du meines isst.”

Freden starrte sie ein paar Momente fassungslos an. Vii öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann flüsterte vii: “Exposition sozusagen.”

Ærenik lächelte. “Wenn es dir zu hart ist, mache ich das mit einer Virtualität ohne Begleitung. Keine Angst, ich weiß, wie ich sowas safe mit mir mache.”

“Nein, ich”, wieder unterbrach sich Freden, ging in sich, was vii wirklich wollte. “Es ist nicht mehr mein Fetisch. Aber das macht ja nichts. Es muss nicht ein Fetisch von einer Person von uns sein, um es zu tun. Und auch ich probiere gern Extremes, Neues aus. Ich wäre gern dabei. Ich habe nur so gar nicht damit gerechnet.”

Ærenik grinste sehr breit. “Weil ich gerade quasi einen Drop oder sowas hatte, und jetzt das, was mich gedroppt hat, in noch extremer will?”

“Genau, das ist selten. Aber, nun, für mich wäre das auch nicht ganz untypisch”, gab Freden zu.

“Ist es eigentlich so etwas wie ein Meta-Kink?”, fragte Ærenik. “Dinge probieren wollen, um herauszufinden, was sie mit uns machen? Und schauen, was wir mit unserer Psyche machen können, um damit umzugehen?”

Freden kopierte ihre Geste von vorhin, indem vii sich einen Finger an die Lippen legte. “Das ist eine interessante Idee. Ich denke schon!”

“Jedenfalls”, sagte Ærenik und holte zwei Teller vom unterm Tisch hervor, wo sie bis gerade sehr sicher nicht gewesen waren. Sie platzierte einen davon vor sich und einen vor Freden. “Ich würde nun also meinen Schädel öffnen und mein Gehirn herausnehmen. Es bleibt an dem Gebamsel, dass es mit meinem Körper verbindet, den dehne ich nur, um es auf deinen Teller zu legen. Möchtest du es mit Messer und Gabel essen?”

Freden kicherte. “Ich denke, Messer und Gabel, jeweils in sehr spitz und scharf, wären ganz gut”, sagte vii. “Was wirst du dabei fühlen?”

“Im Prinzip gibt es in Gehirnen selbst keine Nerven, oder?”, fragte Ærenik, wartete aber keine Antwort ab. “Ich denke, ich würde über ASMR arbeiten. Wenn du am Gehirn herumschneidest, spüre ich zum einen ein Kribbeln auf dem Kopf, und zum anderen höre ich dabei passende Geräusche, die bei mir ASMR auslösen, also, durch die ich auch so kleine Elektroimpulse unter der Haut fühle. Nicht durch die Virtualität ausgelöst, sondern weil mein Körper so eben auf bestimmten akustischen Input reagiert. Kennst du das?”

Freden nickte. “Ich habe das selten und in sehr geringer Form auch. Aber vor allem habe ich darüber gelesen. Ich hätte gern noch eine Serviette, die ich mir in den Kragen stecken kann.”

Eigentlich, eigentlich war das nicht vis Fetisch. Aber irgendwas machte es schon mit viiv, einer Person gegenüberzusitzen, deren Gehirn vii verspeiste, während sie sich unterhielten oder schwiegen. Es war ein interessanterweise sehr wertschätzendes Gefühl.