23 - AprilKink 2023 - Zufall (Orkar 1)

Content Notes

  • Füße, Fußfetisch.
  • Misgendern, Transfeindlichkeit.
  • Toxische Beziehung.
  • Exhibitionismus.

Geschichte

Der kleine Ork (kaum größer als Freden) erschien mitten im Dating-Gemeinschaftsraum und blickte sich unsicher um. Die Augenbrauen leicht gehoben, den Mund entspannt halb offen, drehte die Person sich im Kreis, suchend, bis sie Fredens Blick fand.

Freden fragte sich, ob der Ork zu viiv wollte und fing den Blick ein, wartete, und als sich der Blickkontakt nicht auflöste, winkte vii ihn zu sich. Er näherte sich langsam, berührte die Sessellehne Freden gegenüber mit den Fingern. Freden mochte die Finger und ihre Sanftheit sofort.

“Freden, vii/vis/viiv/vii”, stellte Freden sich vor.

“Die Person mit dem Datingprofil mit dem Angebot zu, äh, Kinks und Barrieren oder Hemmungen?”, fragte der Ork.

Freden grinste und nickte. “Genau div.” Der Ork haderte immer noch damit, sich hinzusetzen, und Freden wiederholte deshalb die einladende Geste ergänzt mit expliziter Frage: “Möchtest du dich zu mir setzen?”

Der Ork nickte vorsichtig. “Schon”, sagte er. “Ich möchte nur niemandem den Platz stehlen.”

Vii kannte Leute, die anderen immer den Vortritt lassen mussten und wiederholte die Einladung. Jetzt wo sie geklärt hatten, dass der Ork zu viiv wollte, sollte er auch vis ganze Aufmerksamkeit bekommen. “Du bist genau richtig hier und stiehlst niemandem etwas.”

Immer noch hadernd setzte sich der Ork zaghaft. Und schwieg.

“Warum bist du hier?”, fragte Freden frei heraus, in der Hoffnung, dass es helfen könnte.

Die fremde Person zuckte mit den Schultern und sortierte den Rock ihres Kleides. “Ich will nicht allein sein”, sagte sie. Es war ein dünnes schwarzes Kleid mit einem Lochmuster darin, das es absichtlich krumpelig machte. Die Löcher waren in seidigem Garn eingefasst und Freden stellte sich vor, dass sie sich schön anfühlen mussten. “Ich wollte einfach Gesellschaft unter Leuten, die Kinks positiv gegenüber eingestellt sind. Also, wo ich akzeptiert bin, wie ich bin.”

Freden nickte. Kein Spiel also. Vielleicht kam dadurch die Unsicherheit, weil Freden vor allem Spiele anbot. “Wie geht es dir?”

“Mies.” Die Antwort kam sofort und klang sachlich. “Ich habe miese Dinge erlebt und will nicht darüber reden.”

“Ich mag, wie klar du kommunizierst und weißt, was du möchtest oder nicht möchtest”, stellte Freden heraus. “Möchtest du denn reden?”

Der Ork nickte. “Über fast etwas beliebiges anderes.”

“Wie heißt du?”, fragte Freden als nächstes.

“Oh, das habe ich in dem Durcheinander völlig vergessen!” Der Ork grinste das erste Mal, aber nur kurz. “Ich bin Orkar. Mit ‘r’ am Ende, sodass da kar drinsteckt, die Gottheit des Todes eines alten Windschwingenzweigs.” Er fügte mit einem kaum merklichen Seufzen hinzu: “Pronomen ‘er/sein/ihm/ihn’.”

“Bist du Windschwinge?”, fragte Freden.

“Ich weiß es nicht. Ich bin in einer Windschwingenfamilie groß geworden, aber dann bin ich sesshaft geworden”, berichtete Orkar. Er wirkte irgendwie bedrückt. “Vielleicht darf ich mich trotzdem so nennen.”

“Ich glaube, für solche Fragen bin ich sehr sicher nicht die richtige Ansprechperson, aber mir ist eine Windschwinge bekannt, die außerdem kinky ist und die ich für sehr supportend halte”, fiel Freden ein. “Hast du Anschluss an eine Community?”

“Bisher wenig. Ich weiß nicht so genau, ob das für mich gerade Priorität hat.” Orkar gab ein kurzes nachdenkliches Geräusch von sich. “Vielleicht sollte ich trotzdem schonmal Kontakt aufnehmen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich habe oft Angst, Kontakt zu fremden Leuten anzufangen, und da hilft mir manchmal ein wenig, im Vorfeld zu wissen, dass eine Anschlussperson für supportend gehalten wird.”

“Wer weiß, vielleicht seid ihr euch ja schonmal begegnet. Bei der Größe der Kink-Szene vielleicht unwahrscheinlich, aber ich frage trotzdem mal: Kennst du Ærenik?” Freden machte sich eigentlich wenig Hoffnung, zumal vii Ærenik in vis Umfeld zuvor nie begegnet war, und Freden war nun nicht wenig umtriebig.

Aber zu vis Überraschung grub sich ein breites Lächeln in Orkars Mimik. “Na, klaro!”

Freden konnte nicht schließen, ob es irgendwas mit Glücklichkeit zu tun hatte. “War etwas unsensibel meinerseits?”

“Wer kennt Ærenik denn nicht aus so allerlei Medien?” Orkar runzelte die Stirn. “Meintest du, sie ist dir persönlich bekannt?”

Ups, dachte Freden. Richtig, Ærenik hatte mitgeteilt, dass sie eine Bekanntheit war. “Das hatte ich eigentlich so gemeint.” Unsicher lächelnd fügte Freden hinzu: “Ich bin ungebildet genug, dass ich nicht wusste, wer sie ist, bevor ich mit ihr gespielt habe.”

Orkar schüttelte grinsend den Kopf. “Niemand würde damit rechnen, dass Ærenik kinky ist!” Er kicherte kurz und fügte leise hinzu: “Das war Ironie.”

“Jedenfalls war mein Gedanke, wenn du eine kinky Windschwinge brauchst, die Mut machen kann, würde ich euch vielleicht bekannt machen. Sobald du etwas in der Richtung priorisieren möchtest. Falls du magst. Und falls Ærenik mag.” Freden fragte sich, ob dieser Vorschlag die Sache nun schlimmer oder besser machte, als Orkars Mimik wieder ernster wurde.

“Ærenik und Mut machen?”, fragte er. “Das kommt mir widersprüchlich vor. Also, sie ist schon irgendwie cool und hat vor allem in den letzten Jahren mit ihrer Offenlegung darüber, dass sie Windschwinge ist, und mit ihren kurzen aufklärenden Statements dazu viel in der Richtung bewegt. Aber ihre Vergangenheit legt so überhaupt nicht nahe, dass sie Einfühlsamsein überhaupt kann. Verzeihung, dass ich das so sage.”

Freden schüttelte freundlich den Kopf. “Du darfst das gern so sagen. Ich kenne sie auch nicht gut.” Freden ließ ungesagt, dass Ærenik darüber gesprochen hatte, eine Entwicklung durchgemacht zu haben. Sie würde dadurch gerade wahrscheinlich nicht plötzlich safe für Orkar werden, also tat es nichts zur Sache.

“Aber ihr habt miteinander gespielt!” Orkars Mundwinkel zuckten, als würde er ein Lächeln oder Grinsen unterdrücken. Vielleicht als würde seine Mimik automatisiert Dinge tun, die Orkar nicht für angebracht hielt. “Mich würde ja schon interessieren, ob sie zu diesen Leuten gehört, die im Alltag einen unmissverständlich dominanten Eindruck machen, aber privat submissiv spielen, oder ob sie auch eher dominant spielt. Aber es geht mich vermutlich nichts an.”

Freden stimmte innerlich Orkars Vermutung zu und lächelte bloß, ohne zu antworten. “Wie spielst du gern? Wenn du darüber reden magst.”

“Eher submissiv.” Aber vielleicht, um von sich abzulenken, fragte Orkar: “Und du bietest in deinem Datingprofil quasi alles an. Gibt es nichts, was du nicht ausprobieren würdest?”

Freden schüttelte lächelnd den Kopf. “Wenig. Aber ich habe schon Tabus. Ich wurde neulich gefragt, ob ich einen Mann spielen würde. Ich wusste es vorher nicht, aber das ist für mich eines.”

Die Mimik und Haltung vis Gegenübers sackte so rasch in sich zusammen, dass Freden sich wirklich erschreckte. Der Atem blockierte einen Moment, dann lief er flach. Orkar setzte sich in eine andere Sitzhaltung und versuchte, sich wieder zu entspannen, vielleicht sich nichts anmerken zu lassen, aber dazu war es zu spät.

“Möchtest du darüber reden, oder das Thema wechseln?”, fragte Freden besorgt.

“Darf ich…”, Orkar schluckte. “Belastet es dich nicht?”

Freden schüttelte den Kopf. “Ich bin gern da. Mich belastet es im Allgemeinen nicht, von etwas Schlimmem erzählt zu bekommen.”

“Ich bin in einer Beziehung”, begann Orkar, aber korrigierte sich direkt. “War! Ich war in einer Beziehung.” Er schluckte und blickte auf den einen bloßen Fuß, den er mit auf den Sessel genommen hatte. “Als ich groß geworden bin, waren um mich herum viele trans, und ich dachte immer, ich erfahre nicht dasselbe, also bin ich nicht trans. In der Phase habe ich ihn kennengelernt. Mein Ex-Beziehungsherzwesen meine ich. Und als sich dann herausgestellt hat, dass ich doch trans bin, konnte er sich so überhaupt nicht vorstellen, mit einem Mann in einer Beziehung zu sein.” Orkar rieb sich über das eingestickte Lochmuster im schwarzen Rock. “Er hat mich dann gefragt, ob ich mal einen richtigen Mann spielen könnte, damit er sagen kann, ob er das kann.”

Es erwischte Freden für einen kurzen Moment unerwartet stark. “Shit. Bei den Schnergen der Bergen”, murmelte vii. “Das tut mir leid.”

Orkar blickte auf. “Belastet es dich wirklich nicht?”

Freden schüttelte den Kopf. “Mich nicht!”, versicherte vii. “Ich weiß, wie übel das ist. Brauchst du gerade etwas? Scheu dich nicht, zu fragen!”

Orkar schüttelte den Kopf, aber verharrte dann doch. Er brauchte eine ganze Weile, bis er sich traute, zu sagen: “Ich möchte mich gern klein machen. Wenn du wirklich so frei bist und kaum Tabus hast, hast du vielleicht doch Lust zu spielen?”

“Klar!”, versicherte Freden. “Was möchtest du spielen?”

“Ich würde dir gern die Fußnägel lackieren, wenn du das magst. Und dabei unter dir sitzen.” Orkar atmete plötzlich sehr schnell. “Ah, jetzt mache ich bestimmt, den Eindruck, dass es mich total erregt, dabei ist es nur, dass es mir so viel Angst macht, Bedürfnisse zu kommunizieren.”

“Dafür machst du das sehr gut.” Freden hoffte, nicht unerwünscht beelternd rüberzukommen. “Soll ich mir die Strümpfe selbst ausziehen? Möchtest du in eine Virtualität zu zweit mit mir gehen?”

Orkar schüttelte den Kopf. Sein Blick verfing sich an Fredens Füßen. “Ich möchte gern hier bleiben. Ich mag, wenn Leute gucken. Ist das okay?”

“Ja”, versicherte Freden warm. Es war ein Kink-offener Raum. Und wenn bestimmte Anblicke Personen störten, dann konnten sie sie mit einer Geste ausblenden oder sogar im Vorhinein festlegen, dass sie bestimmte Dinge wie etwa nackte Füße nicht sehen wollten. “Gehört also Exhibitionismus zu deinen Kinks?”

Orkar lächelte und nickte. “Du bist lieb. Und ich freue mich gerade sehr, dass ich diese Zufallsbegegnung mit dir habe.”

“Zufallsbegegnung?”, fragte Freden.

Orkar runzelte die Stirn. “Wolltest du mich hier treffen? Kanntest du mich irgendwoher?”

Freden schüttelte den Kopf. “Ich dachte, du wolltest zu mir, wegen des Profils!”, sagte vii. “Ich dachte, du wärest so nervös, weil du zunächst nicht spielen wolltest, sondern bloß reden.”

“Nein.” Orkar wirkte mit einem Mal wieder so zurückhaltend wie am Anfang. “Ich war so nervös, weil ich dachte, dass eine Person, die zu dir wollte, sich nicht zu dir trauen würde, wenn ich da schon sitze.”

Freden kicherte. Und ließ das Gespräch Revue passieren. Ja, tatsächlich. Orkar hatte nicht gesagt, er wäre wegen des Profils da, er hatte nur davon gewusst! “Oh, da habe ich wohl einiges fehlinterpretiert”, gab vii zu. “Aber ich bereue nichts. Ich fand deine Gesellschaft, auch wenn sie nicht mit meinem Profil zusammenhing, bis jetzt sehr angenehm und sie war genauso wichtig, als hätte es zusammengehangen.”