29 - AprilKink 2023 - Dienst nach Vorschrift (Rybalık und Fiskala 1)

Content Notes

  • Migräne und damit verbundene psychisch die Denkfähigkeit stark einschränkende Zustände.
  • Domination/Submission.
  • Dienstverhältnis.

Geschichte

Aus Freden nicht völlig ersichtlichen Gründen hatte vii das Bedürfnis, aufzustehen, als sich Rybalık und Fiskala vis Tisch näherten. Vii hatte die beiden trans demiweiblichen Personen erwartet. Mit Fiskala hatte Freden zuvor schriftlichen Austausch gehabt. Beziehungsweise, eigentlich fast eher mit Rybalık. Fiskala war beauftragt worden, Rybalıks Anliegen zu formulieren, war also eigentlich nur für die Formulierungen und die Höflichkeit drumherum der Korrespondenz verantwortlich, nicht aber für den Inhalt. Das “nur” würde Freden in Gänsefüßchen setzen: Vii hätte durchaus manchmal gern eine Person gehabt, die vii gerade das abnahm. Viiv half dabei eine KI, aber das war etwas anderes. Eine Person, die sich darum kümmerte, hatte eine ganz eigene Note von Verlässlichkeit und Fürsorge.

Sie hatten jedenfalls am Rande auch über Feminismus und Transsein gesprochen, und dass beide das Label trans demiweiblich mit einem schönen Wohlgefühl und sehr offen trugen. Freden wusste bei diesem Teil des Austauschs nicht, ob er nicht doch ein gutes Stück mehr aus Fiskala gesprochen hatte, als es die Inhalte des Nachrichtenwechsels ansonsten getan hatten, und musste deshalb gerade besonders daran denken, als sie sich vis Tisch näherten. Fiskala trug langes, schwarzes Haar mit cyanfarbenen Strähnen darin, eine schlichte weiße Bluse und einen kurzen karierten Faltenrock. Irgendetwas an der Kleidung drückte das Einssein mit ihrer Identität für Freden so aus, wie vii es aus den Nachrichten gelesen hatte.

Fiskala zog für Rybalık den Sessel zurück. Rybalık strich mit den Händen den Rock an ihren Oberschenkeln dicht an den Körper, bevor sie sich setzte. Die Beine positionierte sie anschließend aneineinander geschmiegt leicht seitlich angewinkelt, die Füße ausgestreckt. Es machte einen sehr edlen Eindruck, der Freden im Nachhinein klargemacht hatte, warum vii aufgestanden war.

“Ich bin Rybalık”, stellte sich Rybalık vor, während Fiskala einen weiteren Sessel heranrückte, um sich selbst anschließend zu setzen. “Ich werde gern mit ‘sie’ referenziert, aber ein gelegentliches ‘dey’ dazwischen würde mich erfreuen. Sollte es je dazu kommen, dass du mit irgendwem über mich redest.”

Freden nickte einmal und setzte sich wieder. “Freden, ‘vii/vis/viiv/vii’.” Es kam viiv vergleichsweise unedel vor, wie vii sich vorstellte.

Rybalık trug einen schwarzen, weichen Rock, der ihr bis knapp über die Knie reichte, darunter eine glitzernde Strumpfhose. Über einer blass lavendelfarbenen Bluse trug sie ein dunkelviolettes Jackett.

Sie wandte sich an Fiskala. “Protokollierst du?”

“Natürlich, natürlich!” Nur einen Moment wirkte Fiskala etwas hektisch, als sie aus einer Umhängetasche ein Notizbuch, eine Feder und ein Tintenfass hervorholte. (In Virtualitäten lief so etwas glücklicherweise nie aus und trocknete, so schnell wesen wollte.)

“Vielleicht siehst du schon, was ich meine.” Rybalık lehnte sich leicht zurück und machte eine queer lesbare Geste mit der Hand. “Meine Dienerin ist ein bisschen verpeilt. Aber eine ganz liebe.” Sie bedachte Fiskala mit einem warmen Blick.

Freden lächelte. “Ich habe es aus den Nachrichten geschlossen”, sagte vii. “Beides.”

“Da wir beide nicht die energiereichsten Personen sind, würde ich gern direkt zum Thema wechseln. Ist das recht?”, bat Rybalık.

Freden stimmte zu. “Es geht darum, dass du in Situationen, in denen es dir nicht gut geht, etwa, weil du Migräne hast, einen Rundumservice deiner Dienerin haben möchtest, der dir bestmöglich hilft. Aber ihr seid beide jeweils nicht so gut in der Lage, in der Situation selbst zu erkennen, welche Dinge notwendig sind”, fasste Freden Fiskalas Ausführungen zusammen.

Rybalık nickte.

Es war so eine unaufdringliche, zarte, und doch klar Aufmerksamkeit auf sich ziehende Geste, nur ein Drehen des Kopfes, ein fragender Blick, mit dem Fiskala um Erlaubnis bat, reden zu dürfen. Erst als Rybalık nickte, tat sie es: “Wir haben versucht, uns auch im Vorfeld zu überlegen, was in der Situation dann notwendig wäre, aber sind daran gescheitert.”

“Richtig”, bestätigte Rybalık. “Ich mache immer wieder denselben Fehler, mich zu überschätzen, was ich in der Migränesituation eigentlich schon noch können müsste. Ich denke dann, ich kann dann nicht mehr selber kochen, aber das Buch lesen, das müsste noch gehen. Doch in der Situation ist dann Realität, dass ich nur wimmernd auf dem Bett liege wie ein einer Lady unwürdiges Häufchen Elend.”

“Mylady, das kann ich nicht bestätigen”, warf Fiskala sanft ein. “Selbst dein Jammern ist edel.”

Sie erntete einen tadelnden Blick und Freden war sich recht sicher, dass sie das vorher gewusst und bewusst in Kauf genommen hatte, weil ihr wichtiger gewesen war, ihre Lady aufzubauen, als ungestraft davonzukommen. (Wobei Freden sich auch vorstellen konnte, dass der Blick zwischen ihnen Strafe genug sein würde.)

“Ich würde gern zur Transparenz offenlegen, dass wir kein 24/7 Spiel spielen. Von vornherein spielen wir vor allem, weil es mir in einem Spiel leichter fällt, um Hilfe zu fragen”, erklärte Rybalık. Auf ein in sich gekehrtes Lächeln Fiskalas hin, fügte sie hinzu: “Es macht uns durchaus auch ohne Anlass Spaß, so ist das nicht.”

Freden nickte. “Ich hatte in der Vergangenheit ein Spiel mit einer Person, die sich andernfalls nicht erlaubt hat, sich wertvoll genug zu fühlen, dass sie Personen danach fragen kann, ihr Wünsche zu erfüllen. Dabei ging es unter anderem um solche Dinge, wie eine Limonade geholt zu bekommen.” Es war eins von Fredens ersten Spielen im Rahmen des offenen Dating-Projekts gewesen, erinnerte vii sich. “Geht es in diese Richtung?”

Rybalık runzelte die Stirn und wiegte den Kopf hin und her. “Ich denke, es ist schon irgendwie etwas anderes”, meinte sie. “Ich habe keine Probleme damit, dass mich irgendwer anlasslos verwöhnt. Es gibt zwei Ursachen für das Problem, denke ich. Tut es etwas zur Sache?”

Freden zögerte, einfach zuzustimmen, was vis Reflex gewesen wäre, allein schon, weil vii neugierig war. Aber es schien vii, dass sie das Gespräch gern kurz halten wollten, weil es für Rybalık anstrengend war. “Ich kann es leider nicht ausschließen”, sagte vii ehrlich. “Vielleicht finden wir auch anders Ansätze, aber ich stelle mir einfacher vor, euch helfen zu können, an das Problem heranzugehen, wenn ich es genauer verstehe.”

Rybalık nickte. “Zum einen geht es manchmal um Sachen, die mir sehr banal vorkommen, und die mir ohne Migräne sehr leicht fallen. Ich glaube, ich vergesse, dass ich sie nicht selber mache, weil ich sie nicht kann.” Sie grübelte einen Moment. “Dabei geht es um so etwas wie, sich aus einer Flasche Wasser in ein Glas nachschenken, weil ich die kalte Flasche nicht anfassen kann. Und ich sitze dann da und weiß nicht, warum ich es nicht tue, bis es mir einfällt, und dann denke ich, es müsste trotzdem gehen und frage nicht.”

“Oh, das hast du mir nie erklärt”, murmelte Fiskala, mehr zu sich selbst, und machte eilig eine Notiz in das Buch.

“Es ist mir auch gerade erst bewusst geworden, meine Süße.” Rybalık schmunzelte.

Freden konnte förmlich sehen, wie Fiskala die Bezeichnung schmeichelte. Ihre Körperhaltung wurde ganz weich und sie lächelte in sich hinein, wurde vielleicht ein bisschen rot.

Trotz des schönen Anblicks besann sich Freden wieder auf das Gespräch. “Das war der eine Punkt. Und der andere?”

“Prinzipiell ähnlich.” Rybalık legte die Hände im Schoß ab, die linke über der rechten, als ob sie gerade anfinge, sich wohl zu fühlen. Vielleicht war eben der Moment gewesen, in dem sie festgestellt hatte, dass die investierte Energie in dieses Gespräch sich rechnen würde. “Mit Migräne kann ich Arbeitsschritte nicht überblicken. Und ich kann irgendwie keine Befehle geben, von denen ich nicht weiß, ob sie überhaupt möglich sind.”

“Wie meinst du das?”, fragte Freden, als sie nicht von selbst weitererklärte.

“Sagen wir, es geht um Teekochen.” Rybalık grübelte wieder. “Ob das so ein gutes Beispiel ist? Egal. Es umfasst: Wasserkochen, Teesieb füllen, Aufgießen, Ziehenlassen und Teesieb entfernen.” Sie zählte die Schritte an den Fingern ab.

Dabei erst fiel Freden auf, dass sie nur eine ausgewachsene Hand hatte. Aus dem rechten Armende waren sehr kleine Ansätze von Fingern gewachsen, die aber nichts hätten halten können. Nur mit dem Unterarm selbst konnte sie etwas halten.

“Wenn ich Migräne habe, kann ich nicht einmal bis drei zählen. Geschweige denn, all die Arbeitsschritte mit meinen Gedanken umfassen. Ich kann nicht abschätzen, ob das ganze drei Minuten oder zwei Tage dauern würde, oder ob das ganze überhaupt möglich wäre.” Wieder grübelte sie einen Moment. “Es ist merkwürdig. Natürlich müsste ich es mir davon ableiten können, dass ich mich erinnern kann, schon einmal Tee gekocht zu haben, oder dass Fiskala es schon einmal für mich getan hat. Aber ich kriege es nicht hin, etwas in Auftrag zu geben, von dessen Umfang ich keine Vorstellung habe.”

Freden nickte. “Ich verstehe. Ich möchte außerdem anmerken: Das sind ziemlich unschöne Zustände”, sagte vii.

“Es soll gerade nicht darum gehen, was ich gegen diese mache, darum kümmere ich mich auf anderem Wege”, stellte Rybalık klar.

“Selbstverständlich”, sagte Freden. “Mein Vorschlag wäre, dass wir eine Migräne-Situation ohne Migräne simulieren. Mir ist klar, dass das nicht völlig geht. Aber wir können dabei vielleicht rekonstruieren, was du in der Situation alles brauchst.”

Rybalık nickte. “Es würde für mich nicht sehr erfolgversprechend klingen, aber dabei einer unbeteiligten Person die Situation zu erklären, der sie neu ist, und die so gut zuhört wie du, das hilft. Danke.”