30 - AprilKink 2023 - Erfahrungsberichte (Freden 1)

Content Notes

  • BDSM.
  • Knien.
  • Toxische Beziehung - erwähnt.

Geschichte

Rosa zählte die Bagage zum letzten Mal. Immer noch fehlte eine Person, aber es war bereits eine Sechstelstunde später, als sie hatten anfangen wollen. Also hängte sie von außen eine Nachricht an die Tür mit der Botschaft ‘An die zu spätkommende Person: Bitte einmal laut klopfen und dann einfach eintreten’, bevor sie sie hinter sich schloss.

Es war eine Tür, die vom Dating-Gemeinschaftsraum in einen privaten Versammlungsraum abzweigte. Der Zweck des Raums war beschränkt auf Reden über BDSM, nicht zum Praktizieren gedacht. Die Größe passte sich den Teilnehmenden an. Sie hatten sich in gemütliche Sofas und Sessel im Kreis gesetzt. Zwischen oder vor einigen standen kleine Tische, um etwas ablegen zu können.

Rosa schmunzelte und schüttelte den Kopf, weil es einige eben nie lassen konnten. “Wer auch immer du bist, hier wird heute nicht auf dem Boden gekniet”, tadelte sie freundlich eine schillernde Person.

“Nölsardine, Pronomen ‘as/sain/iem/as’”, stellte sich Nölsardine vor. “Ich fühle mich heute nicht wohl auf einem Sessel. Die Perspektive ist falsch.”

Hm, das war vielleicht etwas anderes, aber Rosa wollte eigentlich keine Ausnahmen machen. “Kannst du dich in einen Schneidersitz oder so etwas setzen? Geht das?”

Nölsardine nickte und setzte sich um. Irgendeine sehr freundlich wirkende Person neben iem bot iem ein Kissen an, dass Nölsardine auch annahm.

Als sich die ohnehin kaum vorhandene Geräuschkulisse in erwartungsvolle Stille verwandelte (was waren sie alle diszipliniert!), sprach Rosa die Runde an: “Ich bin Rosa Pride-Away, Pronomen am liebsten ‘sie/ihr/ihr/sie’…” Sie hatte nicht einmal ausgesprochen, als einige in der Runde leise klatschten, während die meisten ihre Hände zu stillem Applaus erhoben und winkten. “Ja, ich weiß, ich bin großartig, aber um mich soll es heute nicht gehen, sondern um euch.” Sie hoffte, dass sie die richtige Mischung aus Arroganz und Scherzhaftigkeit traf. “Ich mag außerdem, bevor es wirklich losgeht, einmal Freden vorstellen. Ihr kennt viiv eigentlich eh alle.”

Freden saß neben ihr, aber irgendwie tat vii das sehr zurückhaltend. Nun stand vii einmal auf, deutete eine Verbeugung an und setzte sich wieder. Auch vii erntete die gleiche Art Mischung aus leisem Händeklatschen und stillem Applaus.

“Ihr habt euch einverstanden erklärt, dass Freden oder My Tumull, – ich weiß nicht, wie formal ihr euch jeweils angeredet habt –, unbeteiligt zuhören darf. Das heißt, wir unterhalten uns über die Sessions, die ihr mit viiv gehabt habt, und vii sagt überhaupt nichts dazu. Vii verzieht am besten nicht einmal eine Miene”, erklärte Rosa das Prozedere. “Ich fasse noch einmal kurz den Sinn des ganzen zusammen: Freden hat da ein Projekt angezettelt, das einen für mich interessanten Schwerpunkt hat: Barrieren und Hemmungen bei kinky Sessions. Ich würde euch dazu gern interviewen und das ganze ein bisschen auswerten, um einen Artikel über die Sache zu schreiben.”

“Bitte einen ganz lieben!”, warf Nölsardine ein.

“Wir werden sehen!” Rosa grinste und hob einige Male eine Augenbraue. “Das kommt darauf an, was der Rest von euch so berichtet.”

Es klopfte. Na toll, direkt nach der Einleitung. Rosa blickte einige Momente zur Tür, in der Hoffnung, die Person würde den Zettel zu Ende in Betracht ziehen und einfach eintreten, aber nichts passierte.

Eine Person in einem hübschen, kurzen karrierten Rock, die Rosa leider bisher noch nie im Dating-Gemeinschaftsraum bemerkt hatte – leider, denn sie gefiel Rosa spontan sehr –, stand auf und öffnete die Tür. Der schönen Person folgte die Ziege in den Raum, die Rosa heute das erste Mal in aufgerichteter Haltung erlebte. Sie hielt sich oft im Dating-Gemeinschaftsraum auf und sprang gelegentlich fremden Leuten auf die Tische. Dieses Mal setzte sie sich gerade zu schüchtern auf den freien Sessel neben der Person, die so oft über sie wachte. Julipp? Ja, Julipp müsste das sein.

“Wäret ihr einverstanden, Namen mit Pronomen über euch einzublenden?”, fragte Rosa.

Einige nickten, einige machten Gesten, nach und nach plöppten die Tags über ihnen auf. Bei Ærenik lief das natürlich instant und ohne sichtbares Zeichen dafür ab. Sie tauschten einen Blick aus, gegenseitig von einander wissend, dass sie sich eher mäßig gut leiden konnten. Wobei, irgendwas hatte sich in den letzten Jahren getan.

“Ich würde ein Spotlight-Verfahren vorschlagen”, sagte Rosa. “Bevor ich euch explizite Fragen stelle, machen wir eine Runde und ihr erzählt einmal kurz etwas aus der Session mit Freden. Schwerpunkt darauf: Was war die Situation vorher, was hat sich verändert oder was konnte an Wünschen im Zusammenhang mit Barrieren oder Hemmungen erfüllt werden, wie viel Einfluss hatte die Session direkt oder indirekt darauf und wie wohl habt ihr euch dabei gefühlt. Es soll ein kurzes Spotlight werden. Ich weiß, das ist nicht jedwesens Talent, aber versucht es bitte.” Während Rosa noch sprach, erschienen die Stichpunkte, zu denen die Teilnehmenden berichten sollten, auf einer Tafel hinter ihr.

Rosa setzte sich und bedeutete der Person links von sich, mit dem Bericht anzufangen. Sie selbst nahm sich ein Notizbuch, um sich Stichpunkte zu machen. Sie war nicht so furchtbar organisiert, aber es half ihr hinterher, sich im Gespräch mit ihrem Herzwesen zu erinnern, um einen Artikel zusammenzuschreiben.

Marim strich sich nervös den Rock glatt, als er Rosas Blick einfing. “Dann fange ich wohl an.”

Er trug hübsche Ringelstrümpfe, fand Rosa. “Wenn das für dich okay ist.”

Marim nickte. “Ich mache eine Studie, bei der es um Eskapismus geht. Dabei dürfen sich Studienteilnehmende eine Virtualität ausdenken, sehr frei, die vollkommen unrealistisch ist. Fosh, ich mache diese Studie doch schon seit Jahren, ich sollte da locker und spontan drüber reden können.”

“Keine Sorge, ich verstehe das”, motivierte Rosa. “Das Publikum ist ja doch jedes Mal verschieden vorbereitet.”

Marim nickte noch einmal nervös. “Eine Person hat sich eine Virtualität gewünscht, in der sie im Bauch eines Krokodils, äh, entspannt.” Er holte tief Luft und grinste, ohne aufzublicken. “Ich fand Fredens Studie, äh, das ist ja keine Studie, Fredens Sache dafür passend. Und vii hat das auch sehr gut gemacht. Ich habe mich wohl und geborgen gefühlt. Vielleicht etwas zu wohl.”

“Was ist damit gemeint?” Rosa hob eine Braue.

Marim lächelte verlegen. “Wir haben noch andere Dinge gemacht, als für meine Studie wichtig ist. Ich glaube, wir hatten hinterher beide ein bisschen Sehnen nach Dingen, für die gerade nicht genug Raum in unserem Leben ist.” Er seufzte. “Aber eigentlich tut das nichts zur Sache. Mir hat die Session geholfen. Der Versuch mit der Person hinterher lief gut. Ich war durch die Session mit Freden gut vorbereitet auf alle Eventualitäten, darauf, was das ganze psychisch maximal mit mir machen kann und wie ich damit umgehe. Mir war das vorher gar nicht so bewusst, aber ich glaube, dass ich durch die Session überhaupt erst in der Lage war, bei meinem Versuch nicht vollkommen überfordert zu sein, sondern die Sache souverän durchzuziehen.”

Rosa machte sich eine Notiz und zog ein Bein mit auf den Sessel. (Ein schönes.) “Ich würde zusammenfassen, dass das Problem Reiz- und Informations-Überflutung in einer wichtigen Versuchssituation gewesen wäre, wogegen geholfen hat, dass eine Person mit dir vorher alles in besonders Extrem einmal durchgegangen ist?”

Marim nickte sachte. “Ja, das lässt sich so zusammenfassen. Auch wenn mir das selbst vorher nicht ganz klar war.”

Rosa wartete einen kurzen Moment, ob er etwas ergänzen würde, und nickte aber dann zügig der nächsten Person zu, als dem nicht so schien. Mauk.

Mauk lächelte und rieb sich über den glatten Schädel. Sie trug ein hauchdünnes Kleid, das, wären sie in einem anderen Jahrhundert unterwegs, sicher ausschließlich als Kink-Kleidung hätte gewertet werden müssen. Rosa war ganz froh, dass sie über jedwede Kleidungswertung im Allgemeinen hinweg waren. “Mein Problem mit Freden war, dass wir uns zuvor miteinander nie beherrschen konnten. Geholfen hat letztendlich Ærenik.” Mauk machte eine Geste in die Richtung des übertrieben selbstsicher schmunzelnden Elbs. “Wir haben eine Session zu dritt gemacht, die sie dann doch abgebrochen hat, als es für mich sonst zu viel geworden wäre. Sie war nur dazu da, die uns mangelnde Beherrschung über uns selbst zu ersetzen.” Mauk kicherte. “Was mit Verlaub ein sagenhaft subtil und gleichzeitig enorm dominantes Spiel war. Wir haben durch sie glücklicherweise schon nach vier Stunden aufgehört und nicht erst nach einer Woche. Es war sehr krass schön.”

Rosa lächelte nicht. Noch zumindest konnte sie nicht über irgendetwas lächeln, was Ærenik gut machte. Trotzdem fragte sie: “Hat dann also weniger Freden, sondern mehr Ærenik zur Lösung eures Problems beigetragen?”

Mauk blickte ein paar Momente grinsend zu Freden hinüber.

Rosa folgte dem Blick. Freden saß diszipliniert still da. “Ihr spielt hier doch nicht etwa?”, bohrte sie nach.

“Ich spiele”, gab Mauk etwas kleinlaut zu. “Ich kann einfach nicht nicht spielen.” Sie seufzte, um ernster zu werden. “Ich würde eher sagen, dass tatsächlich ich herausgefunden habe, was uns helfen kann. Und ich möchte eigentlich betonen, dass Selbsthilfe für mich zumindest die schönste Form der Hilfe ist. Darüber hinaus, dass es unendlich wertvoll ist, wenn geschätzte Personen dann das Vertrauen schenken und sich auf das neue Konzept einlassen. Und das ist etwas, was Freden immer tut.”

Einige Hände erhoben sich zu stillem Applaus und Nölsardine umklammerte sich zustimmend nickend selber.

Rosa stimmte ebenfalls zu und machte sich ein paar Notizen. “Danke dir.” Sie nickte der nächsten Person zu.

“Puh”, machte Orkar. “Ich fühle mich ein bisschen seltsam dabei, wenn ich nicht so gute Sachen sagen möchte.”

“Möchtest du, dass Freden den Raum eine Weile verlässt?”, fragte Rosa. “Oder privat mit mir reden?”

Orkar schüttelte den Kopf. “Ich habe mir das lange überlegt. Aber ich mag Freden schon, und ich habe den Wunsch, dass vii etwas daraus mitnehmen kann.”

Rosa blickte zu Freden hinüber und erkannte, wie schwer es viiv fiel, nichts zu sagen. Sie blickte noch einmal Orkar an, und als auch Orkar nickte, interpretierte sie, dass sie Freden ausnahmsweise das Wort erteilen könnte.

“Danke für das Vertrauen”, sagte Freden bloß.

Rosa lächelte. So kannte sie viiv. Dann nickte sie Orkar zu.

“Ich finde die ganze Situation ziemlich kompliziert, weil ich mich gleichzeitig auch sehr wohl gefühlt habe. Ich kam aus einer toxischen Beziehung, wie ich jetzt weiß, in der ich ausgenutzt worden bin. Ich möchte nicht ins Detail gehen”, sagte er. “Ich war eigentlich gar nicht in der Absicht bei Freden gelandet, eine Session mit viiv zu machen. Aber irgendwie hat es sich ergeben. Ich wollte quasi respektvoll ausgeliefert werden.” Orkar holte tief Luft. “Ich hätte mir im Nachhinein von einer Person, die Psychotherapie anbietet, gewünscht, nicht in dieser vulnerablen Situation direkt ein Spiel anzufangen. Ich hätte mir gewünscht, dass Freden mir vorgeschlagen hätte, mir mindestens einen Tag Abstand zu nehmen, um zu überlegen, ob das wirklich mein Wunsch ist, oder ob ich nur wieder gefallen möchte.”

Einige Momente war es still im Raum. Viele Blicke wandten sich Orkar entgegen, einige der Anwesenden machten Gesten, um ihr Mitgefühl auszudrücken, die sich für diesen Zweck in den letzten Jahren entwickelt hatten. Rosa ließ ihm Raum und sagte zunächst nichts.

“Vii war sehr vorsichtig, ja. Aber ich weiß einfach jetzt, dass es normal ist, dass Personen mit einer Psyche, die so kaputt wie meine ist, sich häufig zu schnell auf Dinge einlassen, nur um gut zu sein.” Orkar seufzte. “Außerdem habe ich mich nicht auf Augenhöhe gefühlt – was vielleicht ein alberner Wunsch ist, wenn ich gern zu vis Füßen knien und abgewertet werden möchte. Aber auf anderer Ebene, meine ich. Als wüsste Freden immer, was gut für mich ist. Als wüsste ich es selber nicht.”

Rosa sah Orkar am ganzen Leib zittern. Weiter hinten in der Runde stand eine Person mit Nametag ‘Lele’ auf und bot an, herüberzukommen, aber Orkar schüttelte den Kopf und wechselte selbst den Ort. Bei Lele war mehr Platz auf dem Sofa. Er kuschelte sich in ihren Schoß und ließ sich streicheln. “Bitte fahrt fort”, bat er leise.

Rosa nickte und forderte ohne Umschweife die nächste Person zu reden auf: Die Ziege.

“Ja, also ich bin Ziege, und ihr habt mich vermutlich noch nie reden gehört”, sagte Ziege. “Woah, war das gerade emotional. Es tut mir so leid.”

Orkar schüttelte den Kopf und Rosa griff ein: “Lass gut sein. Rede über dich.”

Ziege nickte und zuckte mit den Schultern. “Also, bei mir war das ziemlich gut mit Freden, aber auch ein ziemlich simpler Wunsch. Ich wollte verkauft werden und dabei sehr erniedrigt werden”, berichtete Ziege. “Das Problem war: Es wollte sich eine Weile niemand im Dating-Gemeinschaftsraum dafür finden, was schon allein sehr demütigend ist. Aber mit Fredens Profil hatte Julipp da Hoffnung und das wohl zurecht. Freden hat das gemacht und ich würde das am liebsten noch einmal wiederholen! Es hat sich sehr krass angefühlt, ganz tief in mir drin. Ich würde es beschreiben, als ob…”

Rosa unterbrach Ziege. “Über das Gefühl gern keine Details erst einmal.”

Ziege nickte. “Dann bin ich durch.” Irgendwie wirkte Ziege gerade auch ziemlich fertig.

“Also zusammengefasst: Die Hürde war, eine Spielperson an einem bestimmten Ort zu finden, der die Suche auf einen zu kleinen Radius für so ein Gesuch eingeschränkt hat?”

Ziege nickte noch einmal.

“Du wirkst fertig. War etwas schlecht?”, fragte Rosa.

Ziege schüttelte den Kopf. “Zu viel Empathie zu Orkar.”

Julipp lächelte Ziege zu und bot eine Hand an. Die Ziege legte ihre derzeit unhufige Hand hinein.

“Julipp, möchtest du etwas berichten?”, fragte Rosa. Julipp hatte bei der Anmeldung geschrieben, dass Julipp nur Begleitung wäre, und schüttelte erwartungsgemäß den Kopf, also wandte sich Rosa der nächsten Person zu.

Lore war ein Drache und zeigte sich auch mit entsprechender Gestalt. Das taten nicht alle Drachen. Einige fanden es einfacher, sich mit anderen Körpern durch Virtualitäten zu bewegen, die nicht so viel Raum zum Fliegen boten, und blieben mit ihrer Drachenidentität unerkannt.

Rosa kannte Lore von einigen Gesprächen darüber, ob der Raum für sem so in Ordnung war, oder ob sey sich Anpassungen wünschen würde. Lore hatte abgelehnt. Allerdings hatte Lore sonst eine kleinere Gestalt gewählt, etwa die Größe eines Schwans vielleicht. Nun hatte sey es sich in etwa der Größe eines Lobbuds im Sessel gemütlich gemacht. “Ich habe ungefähr gegenteilige Erfahrungen zu denen Orkars gemacht und möchte an dieser Stelle betonen, dass es selbstverständlich nicht ändert, dass ich dir voll und ganz glaube.”

“Ich fände gut, wenn wir Orkars Wunsch berücksichtigen könnten und ihn aus dem Gespräch aussparen würden.” Rosa hoffte, nicht allzu ungehalten zu klingen.

Lore nickte. “Selbstverständlich. Es tut mir leid”, sagte sey. “Mein Wunsch war ein recht komplexer: Ich werde häufig in einer Weise abgewertet, die mir meine Fähigkeit, mich selbst zu verantworten, abspricht. Gleichzeitig wollte ich gern eine Kreuzung aus Age Play und Petplay machen, in der prinzipiell genau das passiert. Aber eben ohne abgewertet zu werden.”

“Und das ist Freden geglückt?”, fragte Rosa. Ihr dämmerte etwas.

“Sehr gut, viel besser, als ich es gewagt habe, zu erhoffen”, bestätigte Lore.

“Ah, du musstest Orkars Session erwähnen, weil dein Erlebnis inhaltlich so verwandt mit dieser ist, dass es sich devalidierend anfühlen könnte, dass du darüber redest, wenn du vorher keine Klarstellung diesbezüglich machst?”

“Das war meine Befürchtung.” Lore legte den Kopf auf der Sessellehne ab. “Ich habe mich durch Freden sehr validiert und wertgeschätzt gefühlt, in jeglicher Hinsicht.”

Rosa nickte und machte sich eine weitere Notiz. “Ich würde dazu vielleicht später mehr Fragen stellen?”

“Gern”, sagte Lore. “Wann und was immer du willst.”

Noren, das neben ihr saß, streckte den Rücken durch. “Für mich hat die Session mit Freden viele neue Erkenntnisse gebracht, aber leider keine glücklichen. Aber dafür kann Freden nichts”, sagte es. “Lele und ich haben ein D/s-Verhältnis ausprobiert. Wir waren beide noch sehr neu mit BDSM und so. Leider bin ich ein Brat, wie ich gelernt habe, und Lele eher eine dominante Person, die gern bedient. Ich hoffe, ich drücke das richtig aus.”

Noren blickte zu Lele hinüber. Lele nickte, während sie weiter sanft über Orkars Kopf streichelte. Orkar hatte sich inzwischen beruhigt, schien es.

“Jedenfalls wissen wir zwar jetzt, wo das Problem liegt, was viel wert ist, aber haben immer noch keine Möglichkeit gefunden, wie wir miteinander ein Spiel spielen, das uns beiden Spaß macht”, sagte Noren. “Das klingt so negativ. Ich würde gern noch einmal betonen, dass Freden wundervoll ist. Und vor allem auch wundervoll spielt!”

“Tut letzteres etwas zur Sache?”, fragte Rosa und runzelte die Stirn.

“Ich finde, schon, weil ich dadurch herausfinden konnte, worauf ich stehe und worauf Lele steht”, hielt Noren fest. “Wir wussten es jeweils nur zu ungefähr, wir wussten nicht, dass es viele verschiedene Varianten gibt, submissiv oder dominant zu sein. Oder welche Facetten es gibt. Und wie die zusammen- oder eben nicht zusammenpassen. Wir haben auch beide jeweils durch ein Spiel mit Freden erst die Überzeugung haben können, dass wir überhaupt wirklich kinky sind. Wir hatten da beide Selbstzweifel.”

Rosa nickte. “Ich verstehe.” Lächelnd machte sie sich noch eine Notiz.

Anschließend wandte sie sich dieser Person mit dem hübschen Rock und der unglaublich schönen Ausstrahlung zu, die sie erst im Laufe der Versammlung so richtig wahrgenommen hatte. Sie wirkte sehr sortiert. Wenn Rosa sie anblickte, durchströmte Rosa ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit. So, als würden alle um Fiskala herum Krach machen, nur Fiskala war still.

“Ich vertrete mich und meine Lady Rybalık”, leitete sie ein. “Wir haben Freden als sehr hilfreich empfunden. Es ging darum, dass ich meiner Lady eine gute Dienerin sein gewollt habe, wenn es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht gut genug geht, mich dazu anzuleiten, sie zu versorgen. Wir haben im Gespräch mit Freden eine präzise Anweisungs- und Aktionsliste erarbeitet, wie ich ihre Schwierigkeiten in diesen Phasen ausgleichen kann. Es hat leider oder zum Glück schon einmal sehr gut geklappt. Leider, weil Migräne nie sonderlich wünschenswert ist, aber sie passiert nun einmal.”

Rosa nickte und schrieb fleißig mit. Sie würde bei Fiskala nicht viel nachfragen müssen.

“Ich möchte mich bei Mauk außerdem für die Formulierung bedanken, dass eine der schönsten Formen von Unterstützung das Vertrauen in die eigenen Ideen zu Selbsthilfe ist”, fügte Fiskala hinzu. “Das war bei unserer Session am Ende auch der Fall. Wir haben ein Spiel gespielt, bei dem Freden im Wesentlichen motivierend anwesend gewesen ist. So wenig das nach aktiver Hilfe klingt, war es doch die beste, die wir uns erhoffen konnten.”

Nölsardine war die nächste Person in der Runde und as sagte: “Ich wollte eigentlich viel erzählen, aber ich kann nicht mehr. Ich hätte weiter vorn in der Runde sitzen müssen.” As seufzte. “Ich wollte liebgehabt werden und ich wurde liebgehabt. Ich wollte nölen und dafür gelobt werden, und jetzt kann ich viel besser nölen als vorher.”

Die anderen in der Gruppe lächelten und wieder hoben einige zuerst und davon angesteckt schließlich viele die Hände seitlich vom Kopf, um einen stillen Applaus zu winken.

“Das klingt wundervoll!”, sagte Rosa, und ging zur nächsten Person über. Zu Lele.

Aber statt dass Lele etwas sagte, meldete sich Orkar wieder zu Wort. “Ich möchte noch einmal betonen, dass nichts wirklich Schlimmes passiert ist. Vielleicht ist auch eine Gratwanderung, wozu Freden sich entschieden hat, denn ganz viel an der Session hat auch geholfen.”

Rosa wusste nicht so genau, was sie dazu sagen sollte. Also nickte sie einfach. “Möchtest du jetzt mehr dazu erzählen, das einfach so stehen lassen oder später noch einmal dazu etwas sagen?”

“Später”, sagte Orkar. “Ich habe das Gefühl, ich muss ganz viel verarbeiten. Und dass ich vielleicht ungerecht bin.”

“Du bist nicht ungerecht”, schritt Lore ein. “Ich finde es sehr gut und respektvoll, was du gesagt hast, und wie du es gesagt hast, wenn ich mich einmischen darf.”

Orkar nickte.

Erst danach fuhr Lore fort: “Ich kenne Situationen wie deine. Ich selbst habe das Privileg, mich mit mir selbst schon sehr lange auseinandergesetzt zu haben. Das macht meine Situation anders als deine. Ich kenne mich mit Psychen und dem, was sie so tun, beruflich aus.”

“Bietest du auch Psychotherapie an?”, riet Orkar.

“Nein.” Lore warf einen Blick auf Rosa, vielleicht, weil sie gerade sehr vom Thema abwichen, aber Rosa fand gerade wichtiger, dass der Raum für dieses Gespräch da war, und nickte sem aufmunternd zu. “Ich unterrichte Personen, die Psychotherapie anbieten. Ich kenne die Theorie, nicht die Praxis. Aber ich kann dir trotzdem sagen, dass egal wie gut eine Psychotherapieperson in ihrem Fachgebiet ist, sie nicht für jede Person die richtige sein kann. Und auch im Allgemeinen nicht beleidigt ist, wenn es nicht passt. Darüber hinaus lernen Therapiepersonen nie aus. Was du gesagt hast, weiß Freden sicher schon einzuordnen und zu schätzen. Ich bin mir sicher. Deine Kritik darf unperfekt formuliert sein. Sie hilft trotzdem in jedem Falle weiter. Ich wünsche dir, dass du lernen kannst, dich damit wohl zu fühlen, sie geäußert zu haben.”

Orkar nickte. Blickte zu Freden hinüber, zurück zu Lore und sagte: “Danke.” Dann sah Orkar ein letztes Mal zu Freden. “Mach dir keine Sorgen. Ich wollte Kritik äußern und Lele meinte, ich darf mich trauen. Aber eigentlich sind es Kleinigkeiten. Wenn auch wichtige.”

Freden nickte.

Rosa atmete tief durch. Die machten das schon. Sie wartete, bis sie alle sortierter erschienen und übergab das Wort an Lele, die aber ablehnte, weil Noren schon alles Wichtige gesagt hatte. Allerdings führte ihr Fragen zu einem Blickwechsel zwischen den beiden, der in einem Umzug Norens zu ihnen aufs Sofa führte. Rosa grinste. Kuscheln stand für den Raum nicht auf der Tabu-Liste.

Emiliett war die nächste und vorletzte Person in der Reihe. “Das Spiel mit Freden hat einen schönen Auftakt in ein besseres Leben gegeben”, sagte rhei. “Ich hatte Probleme damit, mich wertvoll genug zu fühlen, um Dinge zu bitten, die mein Leben erleichtern, und das einfach so. Wir haben ein Spiel gespielt, weil ich mich das in einem Spielkontext getraut habe, wo ich es außerhalb nicht konnte. Ich habe mich darin sehr wertgeschätzt gefühlt. Anschließend war ich so mutig, mein liebstes Herzwesen zu fragen, ob es so ein Spiel testweise mit mir auch spielen würde. Es ist nicht kinky, aber willigte bei so einem Spiel doch ein, indem es nur darum ging, dass ich mich wertvoll fühle, und dass es für mich da ist.” Emiliet lächelte Freden zu. “Über die Zeit konnte ich mit jeder Session mehr dieses Gefühls aus dem Spiel in meinen Alltag mitnehmen und ich fühle mich inzwischen viel selbstbewusster. Ich möchte mich bei der Gelegenheit bei dir bedanken.”

Rosa lächelte und machte sich Notizen. Das war auch eine schöne Zusammenfassung, bei der sie nicht viel nachfragen musste. Nun blieb nur noch Ærenik.

Ærenik lehnte in ihrem Sessel, als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen, eins ihrer in schwere, schwarze Stiefel gekleideten Beine über das andere geschlagen. “Ich kam mit dem Wunsch zu Freden, viiv einen Wunsch zu erfüllen. Also eigentlich habe ich Fredens Idee für viiv umgedreht, und kam nicht mit einem eigenen Anliegen.”

“Was machst du dann hier?”, fragte Rosa, ehe sie sich zurückhalten konnte.

Ærenik lächelte und zuckte mit den Schultern. “Du hast alle geladen, die sich wegen Fredens Datingprofil bei viiv gemeldet haben und eine Session mit viiv hatten. Da gehöre ich zu.”

“Entschuldigung”, sagte Rosa. “Klar bist du hier willkommen.” Sie musste sich anstrengen, um es so zu meinen.

“Vielleicht hatte ich tatsächlich auch einen eigenen Wunsch: Ich wollte gern Extremes und Kurioses erleben”, fügte Ærenik hinzu.

“Und, war das erfolgreich?”, fragte Rosa.

Ærenik nickte langsam. “Es ist einmal sachte über meine Grenze gegangen. Das war eine Neuerfahrung für mich. Ich habe mich nach meinem Dom Drop bei Freden gut aufgehoben gefühlt.”

Rosa blickte Ærenik überrascht an. Dass Ærenik eine Schwäche zugab und dann auch noch lobend über eine andere Person sprach, die ihr in dem Zusammenhang geholfen hatte, damit hätte sie in dieser Runde nicht gerechnet. “Wenn du magst, geh ein klein wenig ins Detail.”

Die Gesprächsrunde zog sich dahin. Irgendwann wurde sie lockerer. Irgendwann wurde Freden eingeladen, doch zu reden. Aber Rosa verließ die Runde, bevor eine Kuschelparty daraus wurde.

Sie wechselte die Virtualität zu einer, die ihr Herzwesen für sie beide heute Abend gewählt hatte. Sie schmetterte ihr Notizbuch erschöpft auf den Boden (was ihm nichts machte, weil es virtuell war), und legte sich neben Olge. Auf eine Wiese bei Nacht. Sehr romantisch, dachte Rosa, aber hatte erschöpft, wie sie war, kaum mehr Sinn dafür. Und doch strömte der Geruch nach Wiese in ihre Nase und entspannte sie augenblicklich.

Olge lächelte. “Schön, dass du da bist.” Diese Ruhe, die Olge ausstrahlte. Dieses Zuhausegefühl.

Rosa drehte sich trotz schmerzender Glieder auf die Seite und berührte mit der Nase den muskulösen Oberarm dieses geliebten Orks, um einfach einzuschlafen.