Bildbeschreibung:

Ein anskizzierter Birkenwald im Nebel. Ohne Bank.

Content Notes:

Erotik, Blut, Sex, Genitalien.


Das Reißen der Zeit

Luna und Sonja

Geruch von modrigem Holz, vom ersten Grün der frischen Brennesseln. Der Klang des Windes in den Zweigen. Eine Woche ist Luna nicht hier gewesen. Sie hat es vermisst. Ein Wald, der über zweihundert Jahre ihr Zuhause war, und sie kann ihn kaum eine Woche verlassen ohne dieses Sehnen.

Er ist trocken. Für seine Verhältnisse zumindest. Das Laub auf dem Boden knistert anders. Und doch ist es so vertraut, wie Luna es braucht.

Vor ihrer Holzhütte liegt Sonja auf dem Boden. Sie rührt sich kaum, als Luna ankommt. Sie ist vielleicht auf der halben Verwandlung zwischen Fuchs und menschlicherer Form stehen geblieben und liegt dort in diesem wunderschönen Zwischenkörper mit zerzausten Haaren.

Luna liest sie vom Boden auf und trägt sie behutsam durchs Haus in ihr Bett, legt sich neben sie, streicht ihr über das Fell. “Was brauchst du?”

“Wasser”, kommt es nuschelnd aus Sonja heraus. “Was zu essen. Wärme. An Wärme mangelt es hier.”

Luna kümmert sich um alles davon. Sie reicht Sonja die Flasche zu trinken aus ihrer schwarzen, bestickten Umhängetasche und legt auch die Brotdose mit dem Stück Quiche daneben, das sie sich eigentlich für sich mitgebracht hat. Die Küchenzeile ist unten in einem kleinen Steinanbau hinter dem Haus. Sie setzt einen Kessel mit Wasser auf, um es später in irgendwas zu gießen, was als Wärmflaschenersatz taugt, denn sie hat so etwas nicht.

Bis das Wasser kocht und ihr etwas einfällt, geht sie zurück zu Sonja ans Bett. Diese mümmelt an der Quiche herum, ohne Rücksicht darauf, dass sie das ganze Bett zukrümelt.

“Warst du einfach die ganze Woche hier?”, fragt Luna.

Ein Zittern durchläuft Sonjas Körper. Er ist ein klein wenig menschlicher geworden. Sie nickt. “Kannst du mich nicht in den Arm nehmen und aufwärmen?”

Luna berührt Sonjas Nacken mit ihrer kalten Hand. “Ich glaube nicht, dass das taugt.”

Sonjas Körper durchrinnt ein Zittern. “Es ist so kalt”, flüstert sie. “Und ich bin so nörgelig. Das ist so ungerecht dir gegenüber.”

Als Luna den Kessel pfeifen hört und von Sonja ablässt, greift diese mit diesen langen, fellig knochigen Fingern nach ihrem Arm. “Du wirst warm, wenn du Blut trinkst, oder?”

“Aber die Person, die gerade zum Aussaugen zur Verfügung steht, ist die, die ich gerade aufpäppeln möchte”, wendet Luna ein. “Das wirkt kontraproduktiv auf mich.”

“Saug mich ruhig aus”, flüstert Sonja leise. “Wenn ich zurückkomme, geht es mir entspannt und gut.”

“Ich hol den Kessel hoch und überlege es mir”, verspricht Luna.

Als sie wenig später mit dem Kessel wieder in ihrem Schlafzimmer ankommt, hat Sonja die Krümel aus dem Bett auf den Boden gefegt und liegt in zwei Wolldecken eingewickelt nun in fast menschlicher Form da und bibbert. Es ist ein herzzerreißender Anblick.

Luna stellt den Kessel ab und kriecht zu Sonja ins Bett. “Bist du dir sicher, dass du das willst?”, flüstert sie. “Ich bin gerade nicht scharf darauf, dich auszusaugen, aber wenn es ist, was du willst…”

“Ich will mich dir nicht aufdrängen”, sagt Sonja. “Ich dränge mich dir auf, oder?”

Luna streicht Sonja übers Haupt. “Ich habe dich gerade gern hier”, sagt sie sanft.

“Wenn du mich aussaugst und ich in deinem Bett wieder zu mir komme…” Sonja beendet den Satz nicht. “Ich kann nicht klar denken. Ich hätte gern deinen warmen Körper an mir. Ich bin gerade auch nicht ausdrücklich scharf drauf ausgesaugt zu werden, aber ich stelle es mir auch schön vor. Würdest du es hassen?”

Luna schüttelt den Kopf. “Ganz und gar nicht. Dann also mal als Mittel zum Zweck.”

Luna hebt behutsam die Decken an, um sich zu Sonja darunter zu schieben, und nimmt deren geschwächten Körper sanft in den Arm. Sie streicht ihr Haar vom Hals. Sonjas Hals liegt trotzdem nicht nackt dar, eine dünnhaarige Fellschicht wächst darauf. Das ist auch mal neu, denkt Luna. Sie streicht mit ihren Lippen darüber. Sonja fiepst sacht, aber so unbeschreiblich kraftlos im Vergleich zu sonst. Dieses Häufchen Elend. Luna seufzt fast, als sie die Zähne in Sonjas Hals versenkt und zu trinken beginnt.

Es trifft sie überraschend, dass es so gut ist, dass es ihr so gut tut. Sonja wehrt sich nicht ein bisschen, lässt sich einfach dahinein fallen, als wäre es das normalste der Welt, von einem Vampir ausgesaugt zu werden. Lunas Finger streicheln Sonja zärtlich durchs Fell auf ihrem Rücken, bis aus ihm irgendwann ein Todesseufzen klingt, dass Luna tief berührt.

Luna hätte, während sie Sonjas Leiche im Arm hält und aufwärmt, Zeit gehabt, sich darüber Gedanken zu machen, warum es sich nun so gut anfühlt, diese Kreatur in den Armen zu halten. Sie sind zufällig zwei unsterbliche Wesen, die in der selben Gegend leben. Sie haben nie zusammengefunden. Luna weiß nicht mehr, warum. Ihr Gedächtnis wird poröser, je weiter es in die Vergangenheit hineinreicht. Und soweit sie sich erinnern kann, waren Sonja und sie schon immer da und auch schon immer eher im Zwist. Sie haben wohl damals gegenseitig ihre Handlungsweisen nicht besonders gut gefunden. Sie haben sich beide über die Zeit verändert, aber Gefühle sind geblieben. Irgendwie so.

Aber Luna setzt sich nicht weiter damit auseinander. Dann lässt sich dieser Moment besser genießen.

Eine ganze Weile später, – sie hat einfach mit Sonja im weichen eigenen Bett gelegen und sich entspannt –, informiert sie ein tiefer Atemzug des Körpers in ihren Armen darüber, dass Sonja wieder da ist. Mit einem zweiten Atemzug wandelt sich Sonjas Körper wieder in eine sehr menschliche Gestalt. Sie öffnet die Augen. Braun. Das hat Luna noch nie beobachtet.

“Ich bin immer noch hier”, sagt Sonja. Vielleicht verwundert. “Und du bist warm.”

Luna lächelt und streicht Sonjas Haar nach hinten. Das Gesicht ist nun unbehaart. “Geht es dir besser?”

Sonja lächelt auch und macht ein zustimmendes Geräusch. “Ich kann noch nicht so ganz fassen, dass ich hier sein darf.”

“Ist dir nun warm genug?”, fragt Luna.

“Es ist schon mächtig kalt bei dir”, sagt Sonja und fügt leiser hinzu: “Ich sollte vielleicht nicht immer das erste sagen, was ich denke.”

Luna schmiegt sich mehr an Sonja, um Körperwärme zu teilen. “Es wäre wohl effektiver, wenn ich mich ausziehe, oder?” Sie entfernt sich wieder ein Stück von Sonja und fängt an, ihre Schnürung im Rücken zu lösen.

“Ich helfe dir, wenn du mich lässt”, bietet Sonja etwas verdutzt an.

Luna dreht sich um, und lässt sich helfen. Als es locker genug ist, zieht sie es sich über den Kopf. Sie entledigt sich außerdem ihrer Strümpfe und ihrer Unterwäsche. Alles landet einfach neben ihrem Bett. Dann schmiegt sie ihren Körper wieder gegen Sonjas.

“Auch wieder als Mittel zum Zweck?”, fragt Sonja.

“Wozu sonst?”, fragt Luna. “Funktioniert es? Wirst du wärmer?”

Sonja nickt. Sie überlegt, ob sie sich umdreht, damit Lunas Körper ihren Rücken wärmen kann. Aber dann sind die Lippen weiter weg. Und sie will Luna küssen. So sehr. Aber nur, wenn sie es will. “Magst du küssen?”, fragt sie vorsichtig.

“Damit dir noch wärmer wird?”, fragt Luna belustigt.

Sonjas Atem verhakt sich einen Moment. Ehrlich sein. Sie schüttelt den Kopf. “Das wäre vielleicht ein Nebeneffekt”, sagt sie. “Magst du küssen als Beschäftigung? Zum Selbstzweck?”

“Meistens nicht so sehr”, sagt Luna. Sie sagt es selten, stellt sie fest. Sie hat es noch nie für sich getan, immer nur für andere. Und sich dann manchmal genommen, was sie wollte. “Es sei denn, sie bluten.”

Sonja beißt sich auf die Lippen. Es sieht anstrengend aus. Sie blutet nicht, als sie wieder locker lässt. “Ich habe irgendwie große Hemmungen, Verletzungen zuzufügen”, sagt sie. “Egal ob mir oder anderen.”

Luna streichelt ihr über den Kopf und von dort in den Nacken. “Das ist in Ordnung.”

“Findest du nicht, dass es eine Schwäche ist?”, fragt Sonja.

“Vielleicht eine wie nicht über Tafeln kratzen können”, überlegt Luna. “Manche Leute können das einfach nicht. Es ist ja meistens auch nicht besonders sinnvoll. Also auch wirklich nicht schlimm, das nicht zu können.”

Sonja nickt. “Ich würde es gern gerade können.”

“Darf ich dir weh tun?”, fragt Luna.

Sonjas Atem reagiert auf die Worte, was Luna ein Lächeln entlockt. “Es tut mir nicht weh, wenn du mich beißt. Oder kaum.”

Mit der Hand, die in Sonjas Nacken liegt, fährt Luna über Sonjas Hals wieder nach vorn, bis ihr Daumennagel auf Sonjas Unterlippe zum Liegen kommt. “Wenn ich den Fingernagel nehme, vielleicht schon. Willst du das?”

“Grah!”, sagt Sonja. “Du bist so fies und so gut! Ja ich will das!” Sie spricht ein klein wenig undeutlich, um den Kontakt zwischen Daumen und Lippe nicht zu lösen.

Luna bohrt ihren Fingernagel durch Sonjas Lippenhaut. Sonja wimmert und zieht zischend die Luft ein. Luna zieht eine Blutline von Sonjas Lippe das Kinn hinunter und beugt sich anschließend vor, um sie von unten zur Lippe hin aufzulecken. Dann saugt sie das Blut aus der Lippe, bis diese heilt, versenkt sich dabei in den Kuss hinein. Sie fühlt Sonjas rascheren Atem auf ihrem Gesicht. Sie mag, dass Sonja genießt. Aber als Sonja wieder ganz verheilt und das Blut aufgeleckt ist, erzeugt Luna wieder Abstand zwischen ihren Gesichtern.

Sonja atmet rasch und schwelgt. So sehr. Wenn das hier bloß nie enden würde. “Ich liebe dich”, flüstert sie.

Luna streichelt ihr wieder sanft über den Kopf. “Das irritiert mich, offen gestanden. Für mich passt das Spiel, das du da mit mir gespielt hast, das ich auch nur ungern Spiel nenne, nicht dazu.”

Sonjas Körper sackt in sich zusammen. “Du hast es so haushoch gewonnen”, murrt sie. “Du gewinnst immer. Du wirst immer gewinnen.”

“Wir sollten über Machtgefälle reden”, antwortet Luna.

Sonja öffnet die Augen weit und runzelt die Stirn. “Ich liebe es und ich hasse es. Dass wir eins haben”, sagt sie. “Und jedes Mal, wenn ich versuche, etwas daran zu ändern, dass wir eins haben, fühle ich mich hinterher mies, weil ich auf die falsche Art brutal bin. Dir verzeihen immer alle, mir nicht. Aber ich sage mir dann, ich will auch gar nicht, dass sie mir verzeihen. Aber vielleicht magst du mich lieber, wenn sie es tun. Aber ich glaube, es ist schlecht, dass ich will, dass sie mir verzeihen, damit du mich magst. Ich bin so verwirrt.”

Luna schmunzelt. “Ich auch”, sagt sie. “Vielleicht, weil ich dich mag, obwohl du den ganzen Mist abziehst.”

Sonja streckt eine Hand aus und streichelt Lunas Wange. Dann zieht sie sie wieder weg. “Magst du das überhaupt?”

“Dich mögen oder das Streicheln?”, fragt Luna.

“Letzteres”, sagt Sonja und korrigiert sich eilig. “Beides.”

“Ich mag das Streicheln. Sehr”, antwortet Luna. “Das Mögen verwirrt mich noch. Aber, hm. Ich mag es auch. Das ist ziemlich eindeutig.”

Sonja lächelt. “Das ist schön!” Sie streckt die Hand wieder aus und streichelt Lunas Wange dieses Mal etwas länger.

Luna schließt die Augen und genießt. Viel weicher noch sagt sie: “Ich habe in der Drogerie noch eine Schmetterlingsspange gekauft. Möchtest du eine haben? Und falls ja, die, die ich seit etwa einem Jahrzehnt trage oder die Neue?”

“Oh”, macht Sonja. “Die Entscheidung ist schwierig.”

“Wir können auch wöchentlich wechseln oder so etwas”, schlägt Luna vor.

Sonja blickt sie an, als wäre gerade etwas Wundervolles passiert. Sie nickt. “Das möchte ich.” Leiser und ängstlicher fügt sie hinzu: “Warum bist du so lieb zu mir?”

Luna streichelt Sonja wieder über das Haar, über den oberen Rücken, beobachtet, wie Sonjas Körper darauf reagiert. Er wird weicher und entspannter. “Das ist gar keine so einfache Frage. Vielleicht verwöhne ich gern.”

“Hast du dich in mich verliebt?”, fragt Sonja.

Irgendwas in Luna springt auf die Frage an wie ein Frosch, der zu lange nicht im Wasser war. Unwillkürlich rückt sie näher an Sonja heran und verdreht dabei ihren unteren Arm, auf dem Sonja liegt so, dass sie im nächsten Augenblick unter ihr liegen würde. Sie hält die Bewegung auf, als sie sie realisiert. “Ich glaube, schon.”

Sonja grinst fast feixend. “Du bist in mich verlihiebt!” Sie sagt es wie einen albernen Singsang. “Du willst mich! Du willst mich benutzen!”

“Moment”, sagt Luna. “Ich würde gern”, – sie unterdrückt es ‘vorher’ zu sagen, und weiß nicht einmal, ob es mehr ein sprachlicher oder ein psychischer Reflex wäre, es zu sagen –, “mit dir zu Ende über unser Machtgefälle reden. Ist das in Ordnung für dich?”

Sonja zuckt mit den Schultern. “Es klingt sinnvoll. Aber ich weiß auch nicht, was ich dazu sagen soll. Du bist halt stärker als ich.”

“Schon”, sagt Luna. “Aber ich glaube irgendwie, das eigentliche Machtgefälle zwischen uns kommt durch, hm, wie erkläre ich das. Das, was du angesprochen hast mit der Beliebtheit.”

“Ich will gar nicht beliebt sein”, sagt Sonja. “Ich will, dass du mich liebst. Und küsst.” Wieso hat sie das gesagt. Es ist schon wieder zu lange her. “Ich denke, das Gespräch ist wichtig, aber ich kann nicht klar denken, weil ich dich küssen will. Gern auch blutig.”

Luna gluckst. “Meinst du, du kannst besser mit mir reden, wenn ich dich frisch geküsst habe? Oder macht es das schlimmer?”

“Ich weiß es nicht. Probier es aus, wenn du magst”, schlägt Sonja vor.

Luna fädelt die Finger von unten in Sonjas Nackenhaar. “Ich beiße dieses Mal. Ja?”

Sonja nickt. Sie ist schon kaum mehr in dieser Welt, weil allein die Vorstellung sie zerlegt. Auf so wunderschöne Weise.

Luna nimmt ihre Oberlippe in den Mund und schiebt ihre Zähne von innen durch die Lippenhaut im Mund. Sonja zittert, fiepst und gibt sich einfach dem Gefühl hin, der Zunge unter ihrer Lippe in ihrem Mund, die das Blut daraus leckt. Sie küsst zurück. Es ist ein so schöner Kuss! Was soll das nur werden mit ihnen.

Luna löst sich wieder. “Und? Besser?”, fragt sie.

Sonja versucht, sich zu sammeln. Sie blinzelt einige Male. “Die Frage ist fies”, sagt sie. “Du musst mich küssen und dann einfach mit reden anfangen. Wenn ich drüber nachdenken soll, ob ich küssen möchte, dann will ich es auch. Dann ist der Drang wieder da.”

Luna zieht sie fest in eine Umarmung, umklammert sie eng und küsst sie ein weiteres mal. Dieses Mal ratscht sie mit ihren Zähnen zuvor über Sonjas Lippenhaut. Es kommt viel Blut heraus. Sonja fragt sich einen Moment, ob ihr wegen des erneuten Blutverlusts schwindelig wird, aber das ist Unsinn. Es ist, weil sie fast hyperventilierend in den Armen eines Ungeheuers liegt, das sie verzehrt.

Luna lässt ihr etwas Raum zum Atmen. Aber dann tut sie, worum Sonja sie gebeten hat. Sie redet über Machtgefälle. “Es geht nicht direkt darum, dass du unbeliebter bist als ich. Sondern dass deine Taten schlechter bewertet werden als meine. Meine wirken durch die Regeln, die ich vor Jahrzehnten schon etabliert habe, irgendwie nicht so falsch wie deine. Deine sind unkoordinierter. Aber eigentlich nicht schlimmer oder?”

“Ich weiß es nicht”, sagt Sonja. “Ich denke immer, du machst schon alles richtiger.”

“Und das, denke ich, ist das Machtgefälle, das dich dazu bringt, gegen mich spielen zu wollen”, mutmaßt Luna. “Irgendwie kommen Leute auf den Gedanken, dass du Schuld daran wärest, dass ich Paolo etwas angetan habe, weil ja klar war, dass ich es tun würde.”

“Hm”, macht Sonja. “Ja. Ich bin da schon eher Schuld dran als du.”

“Nein!”, widerspricht Luna. “Bist du nicht! Du hast mir in diesem Spiel gezeigt, dass ich es mir zu einfach mache.”

“Das wollte ich”, sagt Sonja. “Aber wie ich es gemacht habe, war schlecht und du hast gewonnen.”

“Du hast es gemacht, wie du es konntest”, vermutet Luna.

“Es war kein Plan”, erklärt Sonja. “Ich spaziere manchmal als Schneefuchs durchs Dorf, um Essen zu stibitzen, und dann beobachte ich diese Menschen. Und dann war da diese Sache zwischen Paolo und, wie heißt der Mensch mit den langen Haaren und den schwarzen Ungeheuern?”

“Marcin”, antwortet Luna.

“Genau. Marcin”, wiederholt Sonja. “Du magst Marcin, oder?”

Luna nickt einfach. Sie fragt sich, ob sie Sonja zurück zu ihrem Faden schieben sollte, oder ob sie es selber schafft.

“Das kann ich verstehen”, räumt Sonja ein. “Durch die Finsternis, die Marcin in diese Welt wabern lässt, die voller Universum ist, weißt du? Menschen schränken sich immer so ein mit ihrem, das ist gut, das ist schlecht. Und so und genau so und nicht anders machen wir Trauer.”

“Du sprichst nicht mehr in funktionierenden Sätzen”, informiert Luna. Sie versucht, geduldig zu klingen.

“Entschuldigung”, sagt Sonja. Sie schließt einen Moment die Augen, um sich zu sammeln. “Marcin fühlt und dann passieren die Ungeheuer und die sind schön.” Sie holt noch einmal Luft. “Sind sie!”

“Ja, sie sind wunderschön”, sagt Luna.

“Ich mag nicht, wie Menschen das einschränken wollen”, fährt Sonja fort. “Und Paolo hat das ganz doll gemacht. Und ich war einfach so bedient von seinem heldentümlichen Drang, das Richtige zu tun, indem er die Gefühle abschneidet. Und dann habe ich das Falsche mit ihm gemacht.”

“Du hast, wenn ich das richtig verstehe, ihm zugehört und sein Geschwurbel bestätigt”, fasst Luna zusammen.

“Und wenn seines nicht gereicht hat, habe ich auch so Sachen reingestreut, wie, dass die Mondklinge dich töten könnte”, gibt Sonja zu.

Luna kichert. “Einfallsreich.”

“Aber du bist mir doch böse deswegen, oder?”, fragt Sonja.

Luna schüttelt den Kopf. “Ich war es”, gibt sie zu. “Aber ich bin es nicht mehr.” Sie seufzt. “Ich hätte das Machtgefälle zwischen uns schon länger mal reflektieren sollen. Ich verstehe, dass ich durch meine Art dich in die Enge getrieben habe, irgendwie zu reagieren. Du denkst weniger strukturiert als ich über das nach, was du tust, aber du machst nichts gedankenlos. Es hat einen Sinn. Sich gegen Machtgefälle zu wehren, sieht oft nicht so galant aus, wie die Gewalt, die Personen ausüben, die Macht haben.”

Sonja kichert. “Nun faselst du.”

“Stimmt vielleicht”, gibt Luna zu.

“Aber es ist hilfreich”, sagt Sonja.

“Wirklich?”, fragt Luna. “Ich habe das Gefühl, überhaupt nicht hilfreich zu sein. Ich habe das Gefühl, ich kann Dinge überhaupt nicht so darlegen, wie du sie brauchst.”

“Du liegst so da, wie ich dich brauche”, sagt Sonja. Dann atmet sie erschreckt und kichernd ein. “Brauchen ist übertrieben. Aber ich liege hier so gern mit dir.”

Luna streichelt ihr über das Haar. Wie so oft. “Ich liege hier auch sehr gern mit dir”, murmelt sie.

Sonja nähert sich ihrem Gesicht, um sie noch einmal zu küssen, aber weicht dann doch wieder zurück. Sie schauen sich in die Augen.

“Wenn du möchtest, beute ich dich jetzt aus”, schlägt Luna vor. Sie lächelt ob des unvermittelten Einatmens. “Zärtlich”, fügt sie hinzu. “Langsamer als sonst und vielleicht dieses Mal ohne Aussaugen. Es sei denn, du willst ausdrücklich nochmal.”

“Ohne Aussaugen?”, fragt Sonja. “Was bleibt dann für dich?”

“Dein Atem. Dein Fiepsen. Deine Verzweiflung, weil ich dich hinhalte”, schlägt Luna vor.

“Aber was hast du überhaupt vor, wenn es nicht blutet?”, bohrt Sonja nach. Sie ist hibbelig. Voll Vorfreude. Aber sie möchte auch nicht, dass Luna etwas tut, was sie eigentlich nicht will und nur tut, um Sonja zu verwöhnen.

“Ich weiß es noch nicht genau”, sagt Luna. “Ich dachte, ich beiße dich ein bisschen. An verschiedenen Stellen.” Sie lässt eine Hand durch das Fellkleid auf Lunas Vorderseite wandern. “Hier zum Beispiel.” Und bekommt als Antwort das Beben des Brustkorbs in den Fingern mit.

“Ja”, haucht Sonja, ehe sie sich besinnen kann, die Sache mit dem Verwöhnen anzusprechen. Sie kann es auch kurz darauf nicht, weil Luna sie zärtlich und genussvoll in die Schulter beißt.

Als Luna sich ihren Weg ihren Oberkörper hinunterbahnt, ist Sonjas Körper warm genug, dass sie es schafft, das Fellkleid einzuziehen, sodass nur eine dünne, zarte Fellschicht ihren Körper kleidet.

“Sechs Brüste”, sagt Luna zwischen zwei zarten Bissen. “Das gibt mir einiges zu tun und auszukosten.”

Es sind sechs flache Brüste, die unter dem Fellkleid nicht zu sehen sind, wenn es lang ist. Luna streicht über ihre Ränder und sachte über die Brustwarzen, nur sehr zart. Sonja entfleucht fast jedes Mal ein Seufzen, und dann ein Wimmern, wenn Luna hineinbeißt. Nicht mittig, eher an den Seiten entlang. Den Bauch hinab. Sie beißt in Sonjas Oberschenkelinnenseiten. So dicht an ihrer Vulvina, denkt Sonja. Sie atmet schneller, wünscht es sich und wünscht es sich doch nicht, weil es nicht Lunas Ding ist. Oder doch? Sonja öffnet natürlich unwillkürlich die Beine.

“Can I eat you out?”, fragt Luna.

“Fragst du das auf Englisch, weil du mich da tatsächlich beißen willst?”, fragt Sonja bebend.

“Ich”, Luna zögert, “ich wollte gern, dass es sprachlich beides abdeckt und dass du im Zweifel zu beidem konsentest. Aber eigentlich dachte ich schon eher an lecken.”

Sonja lässt sich gehen. “Ich würde sehr gern. Und ich mag die Angst, dass du es vielleicht doch tust.”

Luna schiebt ihren Kopf zwischen Sonjas Beine und leckt zwischen den Vulvalippen hindurch. Sie tut es ein zweites Mal. Aber dann verharrt sie.

Sonja ist von dieser Berührung so fassungslos, dass sie, als nichts weiter passiert, ihre eigenen überraschend freien Hände in Lunas Haar gräbt und den Kopf gegen ihre Vulvina zieht. Es passiert nichts. Luna öffnet nicht einmal den Mund. Es ist seltsam. Sonja lässt los. “Es tut mir leid”, sagt sie.

Luna legt sich wieder neben sie. Ihr Gesichtsausdruck ist seltsam nachdenklich. Sie wirkt nicht so entspannt wie vorhin. Ob sie es wirklich nur tut, weil sie Sonja einen Gefallen tun will?

“Ich habe dich bedrängt und eine Grenze überschritten. Es tut mir leid!”, wiederholt Sonja.

“Ich hätte mich schon losmachen können, wenn ich gewollt hätte”, erwidert Luna. “Ich fand das Gefühl auch ganz interessant, dass du mal mich festhältst.”

“Aber du wolltest nicht”, murmelt Sonja. “Wie fühlst du dich jetzt? Was magst du eigentlich? Magst du Sex überhaupt?”

Luna wendet sich Sonja wieder zu und streichelt ihr das Haar. “Manchmal schon”, sagt Luna.

Sie wirkt so verunsichert auf Sonja. “Darf ich dich vorsichtig anfassen?”

Luna nickt.

Sonja streckt eine Hand aus und streichelt ihr über die Wange. Eine Weile. Luna schließt wieder die Augen. Dass sie das mag, weiß Sonja schon. Dann streichelt sie Lunas Hals hinab, über ihre Schulter. Auf ihre Vorderseite und an den Seiten ihrer Brust entlang. Eine relativ große Brust. “Magst du das?”

Luna nickt wieder. “Das ist ganz nett”, sagt sie.

Sonja streichelt in der Gegend der Brustwarze über die dort dunklere Haut. Berührt die Brustwarze selbst zart. Sie wird fester. “Und das?”

Luna antwortet nicht. Hält die Augen weiter geschlossen.

Sonja hört verunsichert auf, die Hand zu bewegen.

“Mach ruhig noch ein bisschen weiter”, bittet Luna. “Ich kann mir ja nur ein Urteil bilden, wenn ich es fühle, oder?”

Sonja grinst und atmet dabei, sodass Luna hören kann, dass ein leichtes Kichern darin steckt. Sie macht weiter. Sie merkt, wie Lunas Atem etwas schneller geht. Sie fühlt sich nun weniger unsicher. Ob es Lunas erste Erfahrung dieser Art ist? “Hat noch nie jemand deine Brüste gestreichelt?”

“Doch schon”, widerspricht sie. “Aber da ging es nicht um mich.”

Die Worte rühren in Sonja fast etwas zu Tränen. “Ich möchte gern heute alles, was ich tue, für dich tun.”

“Danke”, sagt Luna. Sie seufzt und fügt hinzu: “Aber diese Sache mit dem Streicheln dort ist nicht so gut. Es überreizt mich gerade.”

Sonja zieht ratlos die Hand weg. “Soll ich etwas anderes probieren?”

“Kannst du mich doll in den Nippel kneifen?”, schlägt Luna vor. “Ich will wissen, wie das ist.”

Sonja sieht Luna einen Moment entgeistert an und ist ganz froh, dass Luna es nicht sieht, weil sie die Augen geschlossen hat. “In Ordnung.” Sie fühlt sich nicht unbedingt sehr behaglich dabei, als sie die Finger um Lunas eine Brustwarze legt und dann plötzlich sehr feste zudrückt. Ob Luna sich sonst so beim Sex fühlt? Dinge tun, die andere wollen, die sie nicht so richtig überzeugen, aber trotzdem voll Zuneigung und Willen?

Luna zieht zischend die Luft ein. Ihr ganzer Körper zuckt.

“Ist es gut?”, fragt Sonja.

Luna schüttelt den Kopf und öffnet die Augen. “Aber es macht, dass ich mich auf dich stürzen und dich beißen will.”

“Dann tu es.” Sonja nimmt die Hände wieder weg.

Luna schüttelt den Kopf. Und doch fädelt sie ihre obere Hand wieder in Sonjas Nackenhaar und zieht ihn näher zu sich.

Sonja atmet sofort erregt ein. “Wir können auch sowas die ganze Nacht machen, wenn du es magst.”

“Möchtest du mich zwischen den Beinen anfassen?”, fragt Luna.

Sonja hätte genickt, weil sie vor Aufregung kaum sprechen kann, aber Luna fixiert ihren Kopf. “Gern. Wenn du willst!”

Luna schiebt Sonjas Hand zwischen ihre Beine, aber lässt Sonjas Finger selbst ihren Weg an ihr Genital finden. Sie ist feucht. Sonja fragt sich, ob sie nicht eigentlich eher mit etwas anderem gerechnet hätte. Sie fährt mit ihren Fingern zwischen die Vulvalippen und beobachtet dabei Lunas Gesicht. Sie versucht, irgendwie abzulesen, ob es ihr gefällt. Was ihr genau gefällt. Luna schließt wieder die Augen. Sie sieht entspannt aus und atmet sehr ruhig. Es ist anders als bei dem Experiment mit der Brust.

“Magst du es?”, fragt Sonja.

“Es ist schon ganz schön”, antwortet Luna leise.

Sonja findet heraus, dass Luna zumindest mehr Anzeichen von Entspannung zeigt, wenn sie es besonders sanft tut. Aber als sie schneller wird, zieht Luna ihre Finger wieder zwischen den Beinen weg. Sie streichelt Sonja über den Rücken, während die andere Hand Sonja weiterhin im Nackenhaar gepackt hält. “Darf ich dich noch einmal blutig küssen?”

Sonja nickt. “Immer”, haucht sie. “Also, fast immer zumindest.”

Luna zieht Sonja fest an sich, umklammert sie und beißt Sonja in die Lippe. Sie tut es nicht nur einmal, dieses Mal, sondern widerholt alle Varianten von vorhin. Sie küsst Sonja so lange, bis Sonja nicht mehr denken kann und sich einfach hingibt, vergisst, dass sie eigentlich mehr auf Luna dabei achten möchte. Aber als Luna aufhört, lächelt diese Vampirkreatur.

“Ich glaube, für mich funktioniert es nicht, wenn du nicht unverschämt genießt”, sagt sie. “Und es ist schwer für mich, wenn ich dabei etwas mache, was ich selbst nicht kenne. Dich lecken zum Beispiel. Ich weiß einfach nicht, was ich tun müsste, damit es gefällt. Und selbst wenn ich wüsste, dass es dir gefällt, ist es nichts, was ich kontrollieren könnte. Ich fühle mich dabei hilflos.”

Sonja kommt allmählich wieder zu Atem und streichelt Luna wieder über die Wange. “Ich habe es gern, wenn du Kontrolle über mich hast.” Sonjas Stimme bebt immer noch ein wenig.

Luna kratzt ihr zärtlich über den Rücken. “Magst du mit mir Sex mit Strap-On versuchen?”

Sonjas Atem stolpert. “Ich, ja, also, wenn du willst, schon”, sagt sie. “Also, sehr gern. Für mich ist die Vorstellung schön! Aber möchtest du wirklich?”

“Ich würde es sehr gern probieren.” Luna klingt dieses Mal ziemlich überzeugt.

Sonja nickt. “Hast du denn einen?”

Luna grinst und lässt Sonja für einen Augenblick los. Sie legt sich nackt halb übers Bett und sucht auf der anderen Seite darunter in einer Kiste. Sie braucht nicht lange, bis sie ihn hervorholt. “Hebst du die Beine an?”

Sonja schlägt stirnrunzelnd die Decke weg und streckt die Beine in die Höhe. “Willst du ihn dir nicht erst anziehen?”

“Ich wollte ihn dir anziehen”, korrigiert Luna. Sie ist doch wieder verunsichert. “Möchtest du unter den Umständen doch nicht?”

Sonja antwortet nicht sofort. Sie ist überrascht. “Aber du willst mich dominieren und nicht irgendwie tauschen?”

Luna grinst. “Ich möchte dich ausbeuten”, raunt sie. “Ich möchte etwas in mir drin fühlen. Ich dachte, da bietet es sich an, dir einen Strap-On anzuziehen.”

Sonja schnappatmet und stimmt zu.

Und Luna eröffnet das Spiel gefühlt jetzt erst so richtig. Sie zieht ihn Sonja mit geübt wirkenden Griffen an, zurrt ihn zweckmäßig fest und schiebt ihren Körper langsam auf Sonjas.

Es ist schön, so schön, ihr so zu gehören. Von ihr ausgenutzt zu werden. Dabei erregt zu sein, aber in diesem Punkte ignoriert zu werden. (Nur in diesem.)

Irgendwann später liegen sie sich außer Atem in den Armen. Luna küsst zärtlich Sonjas Gesicht. “Danke”, flüstert sie. “Wie war es für dich?”

“Gut, das weißt du doch”, sagt Sonja. Luna hat so sehr auf sie dabei geachtet, jedes Seufzen in sich eingesaugt und darauf reagiert. “Wie war es für dich?”, fragt sie ängstlich. “Ich hatte nicht den Eindruck, dass du einen Orgasmus hattest.”

“Hatte ich nicht”, bestätigt Luna. “Brauche ich auch nicht. Ich genieße anderes an Sex als Orgasmen. Irgendwann bin ich einfach irgendwie gesättigt.”

“Soll ich gehen?”, fragt Sonja.

Luna schüttelt den Kopf. “Ich habe das Gefühl, ich könnte dich ein Jahrzehnt in den Armen halten und es würde mir nicht zu viel werden. Stimmt bestimmt nicht. Aber im Moment genieße ich dich sehr. Willst du denn gehen?”

Sonja schmiegt sich mehr in Lunas Umarmung. “Ich möchte im Moment nicht einmal übers Gehen nachdenken. Ich glaube, ich war noch nie so glücklich!”

Irgendeine Erinnerung in Luna wird wach, die eigentlich schon längst durch die Porösität ihres Gedächtnisses entfleucht ist. Hat Sonja ihr das vielleicht schon einmal gesagt? Vor ein paar Jahrhunderten? Ist es doch nicht das erste Mal mit ihnen, dass sie etwas so klar mögend miteinander tun? Sie weiß es nicht. Es ist auch nicht wichtig. Der Augenblick gerade ist gut. Sehr gut.

Sie hören, wie leichter Regen auf das Holzdach tröpfelt. Endlich, endlich kann der Wald wieder Wasser aufnehmen. Das Holzhaus im Geisterwald hüllt sie zusammen mit dem Regen in eine urgemütliche Kulisse aus Klang und Geruch. Vielleicht braucht Luna für Sonja doch irgendwann noch einen Ofen. Oder wenigstens eine Wärmflasche.

Morgen früh wird Nebel sie wieder einhüllen und durch den Geisterwald wandern. Die grünen Sprossen werden sprießen und der Wald wird seine Geschichten über Tod und Leben vor sich hinflüstern.