Besprechen

Mirash war lange nicht mehr in einer Virtualität eingeschlafen, die nicht speziell dafür gedacht war. Nach gut einer Woche intensiven Spielens und der ganzen Aufregung war das wohl nur natürlich, dass es passierte, wenn etwas unvermittelt zu Entspannung führte und Raum dafür da war. Vielleicht hätte Mirash ein ungutes Gewissen gehabt, einfach nach so etwas einzuschlafen, aber Flederschatten schlief ruhig und entspannt fienerseits. Die Pronomen hatten sich in der Nacht geändert und waren nun fer, fien(e), fiem, fien. Sie hatten noch kurz darüber gealbert, was sie alles vorher besprochen hatten und nicht getan hatten – beißen zum Beispiel, oder ausführlicheres Sadistischsein. Sie hatten dabei vorübergehend aus Spaß in dritter Person von einander geredet und dabei hatte Flederschatten festgestellt, dass nun andere Pronomen dran wären. Auch schöne Pronomen, fand Mirash.

As blickte sich im Raum um. Die Kerzen waren fast heruntergebrannt, aber zwielichtiges Morgenlicht fiel durch die dünnen, von Motten angenagten Vorhänge. Die Kröte schlief auf dem Tisch. Sie hatte die ganze bisherige Zeit unter dem Bett verweilt.

Der Raum sah abgesehen von der Kröte so unspektakulär aus – also, was eventuelle Magie, Rüstungen, Waffen oder sonst etwas in der Richtung betraf. Es war ja an sich Mirashs Aufgabe, für die Zeit-Fraktion bei Flederschatten zu spionieren. Der Schrank war geschlossen, dort könnte Mirash vielleicht nun hineinschauen, heimlich. Aber as legte sich stattdessen wieder hin. Das war nicht richtig. Der Schlaf war noch Resultat vom romantisch-sexuellen Miteinander. Dann hätte die Sache eine Auswirkung ins Spiel hinein, das fand Mirash nicht in Ordnung. Also legte as sich wieder hin und blickte in Flederschattens Gesicht. Ein Schmunzeln hatte sich dort hineingestohlen. Flederschatten schlief nicht mehr. Wie lange war das schon der Fall?

“Ich habe Fragen.”, teilte fer mit.

Mirash hatte noch nicht wieder herausgefunden, wie Worte funktionierten, also nickte as einfach.

“Ist für dich Anfassen, Kuscheln und sowas wie Wangen oder Hände küssen immer sexuell oder romantisch?”, fragte Flederschatten.

Mirash dachte eine Weile nach und schüttelte schließlich den Kopf. “Ich hatte ja erzählt, dass ich vor allem sexuelles, aber auch romantisches Interesse nur an fremden Personen habe. Sobald ich sie kennen lerne, verblasst das zügig. Aber ich mag dann trotzdem noch kuscheln und ein wenig zärtlich sein, wenn die andere Seite das auch möchte.”

Flederschatten lächelte. “Darauf zielte die Frage ab. Ich hätte Lust, dich noch ein wenig zärtlich anzufassen. Ich habe bestimmte Vorstellungen.”, sagte fer. “Aber noch kennen wir uns nicht gut. Wäre das etwas, was bei dir im Moment automatisch wieder sexuelle oder romantische Gefühle hervorruft?”

Mirash seufzte vorsichtig. “Zu spät.”, sagte as resigniert.

“Es ist nicht so schlimm.”, sagte Flederschatten. “Solange du damit zurechtkommst, dass ich gerade keine leidenschaftliche Sache anfangen möchte.”

“Komme ich.”, sagte Mirash. Und fragte sich direkt im Anschluss, wie sehr das der Wahrheit entsprach. “Es würde helfen, wenn wir das Thema wechseln, oder zumindest zeitgleich ein weiteres hätten. Es sei denn, das passt für dich nicht. Dann muss ich mich einfach irgendwie beherrschen.”

“Ich kenne dich überhaupt nicht.”, sagte Flederschatten. “Ich wüsste bisher drei Themen, über die ich mit dir reden könnte: Sex und Romantik, was aber gerade ausgeschlossen ist, es sei denn vielleicht. Es wäre albern oder sachlich kommuniziert? Politik und Mechanik in diesem Spiel, worüber ich sehr dringend mit dir reden möchte, aber wir wollten das eigentlich nicht in romantisch aufgeladene Situationen hineinmischen. Sollten wir die Regel vielleicht aufweichen? Und Thermodynamik, aber ich habe den Eindruck, das war ein Beispielthema, das du nicht deshalb genannt hast, weil du, wären wir nicht gerade bei Sex gewesen, auf einen Info-Dump gebrannt hättest.”

“Was für Vorstellungen hast du überhaupt?”, fragte Mirash.

Flederschatten hob die Brauen. “Ich hätte jetzt damit gerechnet, dass erzählen kontraproduktiv ist, aber wenn du willst?” Fer wartete Mirashs Nicken ab, bevor fer auflistete. “Wenn du im Gegensatz zu mir Berührung an den Brüsten magst, würde ich sie gern ein bisschen streicheln, vielleicht vorsichtig drücken, ihre Konsistenz erfühlen. Klingt das ausreichend unerotisch?”

Mirash kicherte und schüttelte den Kopf. “Das darfst du machen. Aber erotisch ist es trotzdem.”

“Anschließend würde ich dich gern, angezogen oder nicht, einfach ein bisschen im Arm haben, dir vielleicht gelegentlich ein Küsschen auf deine Schläfe oder deine Wange oder deine Nasenspitze geben, während ich mit dir rede.”, schloss Flederschatten.

“Wenn ich bei ersterem rascher atmen und bei letzterem über irgendetwas albern oder reden darf, klingt das sehr gut.”, sagte Mirash.

“Ich bin gespannt, worüber du alberst.” Fer wartete allerdings keine Antwort ab, bevor fer sich wieder näher an Mirash heranrückte und mit den Händen saine Brüste untersuchte.

Mirash atmete gar nicht so viel schneller. Irgendwie tat Flederschatten es sachlich, oder zumindest nicht sexualisiert. Durchaus zärtlich, aber eher das Gewebe genießend und erforschend, als irgendwomit aufgeladen. Trotzdem war es, wie sonst auch, ein Gefühl von Zartheit, von Verletzlichkeit, das von den Berührungen ausgelöst wurde. Ein intensives Gefühl, dass as gern hatte.

Flederschattens Finger beschäftigten sich vor allem mit dem weichen Gewebe an den Außenseiten, fuhren nur einmal zart um die dunkler gefärbte Haut in der Mitte. Als Flederschatten genug hatte, fuhr fiene eine Hand über Mirashs Schulterpartie und fiene Arme zogen as sanft in eine Umarmung, in der Mirash mit dem Rücken an fien gelehnt endete. Flederschatten küsste zärtlich Mirashs Schläfe. “So.”, sagte fer. “Worüber möchtest du albern.”

Es fiel Mirash schwer, sehr schwer, die Gedanken zu sortieren. Flederschatten hatte recht gehabt. Mirash war gerade nur voll von diesem Spiel und seiner Politik, vielleicht noch von ihrer romantisch-sexuelle Interaktion. Alles andere hatte gerade keinen Fokus, schien eine Ewigkeit her zu sein. “Ich finde den Spagat in meinem Kopf gerade recht albern”, leitete Mirash vorsichtig aber mutig ein, “dass ich mich in deinen Armen wohl fühle, während du gleichzeitig eine Person bist, die ich hochgradig unsympathisch finden könnte oder sollte.”

“Das ist Reden über das Spiel.”, stellte Flederschatten vollkommen korrekt fest. Aber fer klang nicht, als würde es fiem stören. Vielleicht klang fer leicht amüsiert, aber auch gleichzeitig interessant ernst.

“Stimmt.” Mirash holte tief Luft und versuchte, nach etwas zu suchen, worüber as zuletzt viel nachgedacht hatte, vor Lunascerade, aber als die Lungenflügel gerade gefüllt waren, legte Flederschatten ein weiteres zartes Küsschen auf Mirashs Schläfe ab. Mirash versuchte reflexartig mehr einzuatmen, was kaum befriedigte, weil zuerst ausatmen dran war. “Shit, ey.”, murmelte as. “Sadistisches Wesen, du.”

Flederschatten streichelte as vorsichtig, wo fiene Hand eben gerade lag, selbige nicht viel bewegend. “Schlimm?”

Mirash schüttelte den Kopf, der sich dabei unter Flederschattens Kinn entlang bewegte. “Ich mag es. Es flasht mich nur sehr.”

“Ich wäre eigentlich übrigens dafür, dass wir das Thema mit dem Spagat besprechen, wenn das für dich okay ist.”, teilte Flederschatten mit. “Ich empfinde das nämlich genau so. Also, mit vertauschten Rollen.”

“Ich könnte eine Person sein, die du hochgradig unsympathisch finden könntest oder solltest?”, fragte Mirash. As konnte Belustigung nicht verbergen. Es war eine so absurde Situation.

“Ja.”, sagte Flederschatten schlicht.

Das Amusement ließ sich Zeit, um sich verdrängen zu lassen, aber machte dann einem sehr heißen, unangenehmen Gefühl Platz. Mirash schluckte.

“Ich meine, du hast eine Situation kreiert, aus der ich nicht ohne heftigen Schaden rauskonnte.”, hielt Flederschatten fest. “Ich bin nicht sicher, wie bewusst du dir darüber bist, was für eine Zwickmühle das war.”

“Einigermaßen.”, murmelte Mirash. Vorm Ausführen hatte sich das noch besser angefühlt. As fühlte sich brauchbar in der Lage, sich zu verteidigen, hatte aber nicht vor, dies ohne Aufforderung zu tun.

“Ich meine, hätte ich nicht eingegriffen, dann hätte nicht nur ein Teil der Spielenden geglaubt, dass ich hinter der Explosion gesteckt hätte, sondern hätten definitiv Recht damit, dass ich eine Mitschuld getragen hätte, weil ich die Macht hatte, die Dramaturge zu retten.”, leitete Flederschatten die Analyse ein. “Ich musste mich also einmischen. Ich war im Zugzwang.”

“Ich finde es schwierig, von müssen zu reden.”, widersprach Mirash. “Andernfalls wäre ein Teil der Dramaturge explodiert und du wärest teilbelastet gewesen. Inwiefern war dir das verboten.”

Flederschatten lachte leise, aber mit wenig Freude darin. “Stimmt. Es gibt kein Gesetz in diesem Spiel, dass mir verbietet, mich entsetzlich zu verhalten.” Völlig im Gegensatz zu dem Gesagten, strich fer noch einmal sachte über Mirashs Arm.

“Warum hast du dich auf so eine Sache mit mir eingelassen und bist zärtlich zu mir, wenn du meine Aktion so wenig vertretbar findest?”, fragte Mirash.

Flederschatten zog Mirash als Reaktion fester in die Umarmung, küsste sehr sachte auf saine Schläfe, dann auf die Partie direkt vor Mirashs Ohr und flüsterte anschließend hinein: “Chaos!”

Mirashs Körper bebte und atmete und es brauchte ein paar Momente, bis as wieder halbwegs geradeaus denken konnte. “Das war auch Absicht, oder?”

“Du bist schön, Mirash.”, erklärte Flederschatten, nun wieder recht sachlich. Fer ließ auch die Umarmung wieder lockerer. “In Rosa wie in Schwarz, aber vor allem in deinem ganzen Dasein, das ich bis jetzt von dir kennenlernen durfte. Dunkelschön, würde ich sagen. Du magst halt auch Chaos, oder nicht?” Und dann fügte fer mit einräumendem Tonfall hinzu: “Und ja, es war Absicht. Sag bitte jederzeit, wenn das zu viel wird.”

Mirash nickte und bestätigte auch die vorherige Frage: “Ich mag Chaos sehr.”

“Du hattest sicher interessante Motive dafür, mir zu versuchen, den Boden unter den Füßen wegzureißen.”, fuhr Flederschatten fort. “Die wüsste ich gern.” Fer strich abermals mit der Hand über Mirashs Arm.

“Ich finde, ein einzelner Charakter sollte nicht so eine Macht haben, wie du sie hast.”, antwortete Mirash. Dann fiel as erst ein, dass as hier nicht mit der Wahrheit hatte rausrücken wollen. Mist. As fiel so schnell kein Argument ein, dass dieses nun ausgesprochene halbwegs umdrehen oder entkräften würde. Wie das nun wohl mit den Chancen aussah, Flederschattens Vertrauen zu gewinnen, um Gelegenheit zu bekommen, fiene Basis auszuspionieren? Aber vielleicht war Ehrlichkeit, und anschließend sich von Flederschatten selbst von etwas anderem scheinbar überzeugen zu lassen, gar kein so schlechter Weg.

“Valid.”, sagte Flederschatten.

“Valid?”, fragte Mirash irritiert. Das war etwa das Gegenteil von hilfreich beim Versuch, sich von Flederschatten scheinbar überzeugen zu lassen.

“Ja, finde ich.”, sagte fer. “Du hast da eben Recht. Egal, wie herum wir das betrachten: Entweder, ich existiere hier einfach neutral und unbeteiligt herum. Warum bräuchte ich dann diese Macht? Oder ich bin Villain, warum ich dann entmachtet werden sollte, ist wahrscheinlich offensichtlich. Oder ich bin in Wirklichkeit ein gut gesinnter Charakter. Wenn ich aber dann meine Macht benutze und nicht abgebe, um Leute zu retten oder ihnen zu helfen, betreibe ich Saviorism. Und dann gibt es sicher noch viele Wege irgendwo dazwischen. Aber du hast halt schon recht. Es gibt wohl eher kein Szenario, in dem ich Einwände dagegen haben sollte, wenigstens etwas entmachtet zu werden.”

“Gibst du mir gegenüber gerade sozusagen zu, dass du evil bist?”, fragte Mirash belustigt.

“Schon.”, sagte Flederschatten. “So ungefähr.”

“Und davor hast du argumentiert, dass du mich unsympathisch finden müsstest. Weil ich dich in eine Zwickmühlensituation mit Zugzwang gebracht habe.”, fasste Mirash zusammen. “Ist das dann die Argumentation, dass du mit deiner evil Gesinnung eben die Guten, aka mich, als feindlich ansehen müsstest?”

Flederschatten gluckste leise und gab Mirash noch ein Küsschen auf die Schläfe. “Ich liebe deine logische Argumentation, aber nein.”, sagte fer. Und seufzte tief. “Und nun wird es komplizierter zu erklären.”

Mirash gab Flederschatten ein paar Augenblicke Zeit, noch etwas hinzuzufügen, aber als fer das nicht tat, sagte Mirash: “Und nun kommt der Part, in dem ich dir einfach vertrauen soll, dass deine Pläne doch irgendwie einen Sinn haben?”

“Niemals.”, widersprach Flederschatten. “Wenn du die Geduld und Zeit mitbringst, würde ich dich gern aufklären, vollständig und transparent, mit Material zum Nachlesen. Ich würde dir Anlaufstellen nennen, die mir gegenüber ambivalent bis feindlich gesinnt sind, mit denen du über mich reden kannst, um mich aus verschiedenen Blickwinkeln sehen zu können. Ich würde dich motivieren, dir auch deine eigenen Informationsquellen zu suchen, sodass du dir eine eigene Meinung bilden und deine eigene Position finden kannst.”

Dieses Mal drückte sich Mirash mehr in die Umarmung und legte die eigene Hand auf die Flederschattens. Fiene Fingerspitzen waren wieder kalt, also wärmte Mirash sie. “Das Angebot würde ich gerne annehmen.”, sagte as, und fügte dann nachdenklich hinzu: “Ich erkenne RedFlags schlecht, ich gehe leicht ausversehen Beziehungen ein, die toxisch sind, ich habe gerade Angst, dass mir das passiert.”

“Ich habe mir das fast gedacht. Alles davon.”, murmelte Flederschatten. “Ich verstehe zum Beispiel jetzt, dass du definitiv eigene Motive hattest, mich anzugreifen. Aber ich frage mich trotzdem, wie sehr du auch dadurch beeinflusst worden sein könntest, dass du dich über die Lehre der Zeit-Fraktion beschwert hast, und dir nun ein Angebot gemacht worden ist, eine Rolle zu spielen, bei der dir scheinbar bei jedem Punkt zugehört wurde, sodass es sich für dich angefühlt hat, als dürftest du dabei nun nicht wirklich ablehnen.”

Mirash fühlte ein Gefühl von Unbehagen wachsen, dass seit Tagen vorsichtig irgendwo in ihm herumkeimte, aber keinen Raum zum Wachsen bekommen hatte. As wusste nicht sofort, ob es dort jetzt nur deshalb wuchs, weil Mirash Erfahrungen mit toxischen Beziehungen gemacht hatte, und dieses scheinbar etwas tun müssen, weil ihm eingeredet wurde, dass as es wäre, das jenes gewollt hätte, ihm so sehr bekannt war, oder ob es hier wirklich auch der Fall war.

“Ich kann völlig falsch liegen.”, beschwichtigte Flederschatten. “Ich kenne die Zeit-Fraktion. Schon lange. Ich habe eine miese Meinung über diesen Haufen. Ich weiß aber nicht, ob sie mies zu dir waren.”

“Ich muss vielleicht gleich eine Spielpause machen.”, murmelte Mirash.

“Jederzeit.”, sagte Flederschatten. “Puh, das wird kompliziert, wenn du dann wieder online kommst. Ich würde nicht auf gut Glück hier beliebig lange warten. Derzeit würdest du wahrscheinlich ungefähr nirgends sicher sein. Vielleicht sollte ich dich doch in meine Basis bringen, wenn du möchtest.” Fer überlegte und machte ein summendes Geräusch dabei.

“Dies ist nicht deine Basis?”, fragte Mirash.

“Ist es nicht.”, bestätigte Flederschatten und weihte Mirash in fiene weiteren Überlegungen ein: “Vertrackte Situation. Alternativ bin ich zu jeder vollen Stunde hier, und wenn dir das nicht zu viel Eingriff in Inspiel-Dynamik ist und du gern mit mir anknüpfen möchtest, meinen Schutz haben möchtest, wenn du wieder online kommst, dann machst du es zu einer vollen Stunde. Andernfalls kannst du natürlich auch ohne Schutz herumlaufen. Mehr als mehrfach umgebracht werden, bis du wieder am Anfang bist, passiert dir auch nicht. Klingt das manipulativ für dich?”

“Ich weiß es nicht.”, sagte Mirash ehrlich. “Wäre ich nicht in der Dramaturge sicher?”

“Flammenfinger würde dich sicher einlassen, wenn nichts los ist, und dich verstecken, aber sey kann derzeit nicht vertreten, einer Person Zugang zum Raum zu geben, während viel los ist, die sich zuletzt hauptverantwortlich für eine geplante und nicht einmal gefakete Sprengung bekannt hat.”, erklärte Flederschatten. “Außerdem ist dir wahrscheinlich nicht entgangen, dass Flammenfinger und ich, nun, vielleicht nicht auf der ganzen Ebene zusammenarbeiten, aber in manchen Punkten schon.”

“Weshalb du mir erzählen möchtest, wenn ich nicht zu dir wollte, wenn ich wieder jointe, weil ich dir nicht vertraute, dann wäre Flammenfinger keine bessere Adresse?”, fragte Mirash.

“Den Schluss möchte ich nicht für dich ziehen, und ich will dich auch nicht dazu drängen, ihn selbst zu ziehen. Uffz.”, machte Flederschatten. “Mirash, ich bin voreingenommen, vor allem gegenüber der Zeit-Fraktion. Ich habe auch sonst keine neutrale Sichtweise im Spiel, auch wenn ich versuchen kann, meine Voreingenommenheit herauszufiltern. Ich gebe dir gerade Bruchstückhaft, weil ich unkoordiniert bin, die Information, die mir gerade wichtig erscheinen für dich, damit du möglichst schnell das Spiel verlassen kannst, und eine informierte Entscheidung fällen kannst, wie du dich verhalten möchtest, wenn du wieder joinst. Ich habe gerade sehr viel Angst, das nicht gut hinzubekommen.”

Mirash nickte und verschränkte die eigenen Finger mit denen Flederschattens. “Wenn du mich in deine Basis mitnehmen würdest, käme ich da gerne mit hin.”, sagte as schließlich. “Wie ist das? Bist du dort im Prinzip die ganze Zeit? Oder hast du einen Mechanismus, der dir sagt, dass ich wieder joine, sobald ich es tue?”

“Ich bin dort nicht die ganze Zeit, aber ich hätte keine Probleme damit, dort in den nächsten Tagen überwiegend zu sein.”, antwortete Flederschatten. “Ich schlafe normalerweise nicht in Lunascerade, aber da ich meine Basis nicht gern unbewacht lasse, würde ich dann eine Weile dort auch In-Game schlafen. Du darfst mich dann gern wecken, wenn du joinst. Oder dich zu mir kuscheln, wenn dir das lieber ist.” In fienen letzten Worten lag ein Schmunzeln und Mirash hätte mit einem weiteren Küsschen gerechnet, aber jenes blieb aus. “Wenn in der Dramaturge Hochbetrieb ist, bin ich dort und passe auf. Hm.”

Mirash grinste vorsichtig, wartete ein weiteres Summen Flederschattens ab, bevor as die unausgesprochene Schlussfolgerung selber zog: “Wenn ich dann jointe, hast du keine so guten Möglichkeiten, deine Basis vor mir zu schützen. Ich könnte sie mehr oder weniger ausversehen in die Luft jagen. Ist es das, worüber du nachdenkst?”

“Ja, so ungefähr.”, sagte Flederschatten. “Wobei es vielleicht wahrscheinlicher wäre, dass du dich selber in die Luft jagst. Ich kann nicht alleine eine Basis 24/7 durch meine Anwesenheit schützen. Natürlich habe ich einige interessante Fallen. Am besten zeige ich dir, wie du heile rauskommst, und du entscheidest dich eben, wenn du wieder joinst, ob du auf mich wartest, rausgehst – und dann nicht mehr so einfach wieder reinkommst –, oder irgendwelche gewagten Risiken eingehst. Klingt das fair?”

Mirash nickte. “Das klingt okay, denke ich.”

“Wollen wir dann direkt umziehen, damit du das Spiel verlassen kannst? Willst du noch irgendwas tun oder fragen vorher?”, fragte Flederschatten.

“Ich würde gern betonen, dass ich gesagt habe, dass ich vielleicht eine Spielpause machen muss. Ich glaube, das ‘vielleicht’ ist bei dir nicht angekommen.”, erinnerte Mirash.

Flederschatten nickte, was Mirash im Nacken spürte. “Stimmt, das habe ich zwar wahrgenommen, aber dann irgendwo auf dem Weg vergessen. Es tut mir leid.”

Mirash zog die Hand, in die saine Finger verschränkt waren, sachte zu sainem Mund und küsste den Handrücken. Bei der Gelegenheit stellte as fest, dass as die Hände noch nicht ausführlich geküsst hatte und Lust dazu hatte. Aber nicht jetzt, jetzt war anderes dran. “Ich würde am liebsten jetzt, wenn das mit deinen Plänen vereinbar ist, in deine Basis umziehen, mich duschen, meinen EM-Anzug waschen, etwas essen, einen Spaziergang machen und dann wiederkommen.”, sagte as. “Ich würde mir einen Tee machen und den trinken wollen. Ich weiß, dass diese Virtualität keine Getränke und so vorsieht. Ich vermute, um keine Leute auszuschließen, für die Nahrungsaufnahme ein anstrengendes Thema ist?”

Flederschatten nickte abermals. “Genau. Und aus kulturellen Gründen. Dass zu sozialen Treffs oder ähnlichem immer Essen oder Trinken gehörte, ist ja nicht überall so, und dieses Spiel hat sich für eine Sitte entschieden, bei der das nicht dazu gehört.”, bestätigte und ergänzte fer. “Wenn deine Frage ist, ob wir in meiner Basis zusammensitzen und unsichtbaren Tee aus unsichtbaren Tassen trinken können, der eigentlich nur im Outernet existiert, sodass das vielleicht etwas seltsam aussieht, als würden wir imaginären Tee trinken: Sehr gern. Sowas habe ich schon oft gemacht.”

“Ja, so hatte ich mir das vorgestellt.” Mirash küsste doch die Hand ein weiteres Mal. Ein warmer Schauder durchlief seinen Körper. “Wenn du gern ein Second Night Stand haben möchtest, sag an.”

“Gern, wirklich gern, aber ich möchte das lieber erst, nachdem wir unseren Spagat ausführlich abgeklärt haben.”, sagte Flederschatten. “Wenn wir uns danach zu gut kennen und du nicht mehr magst, dann ist das eben so. Damit kann ich dann gut umgehen, aber ohne das vorherige Abklären möchte ich nicht.”

“Valid.”, sagte Mirash. “Das klingt auch gesünder irgendwie.”

Dieses Mal gab Flederschatten Mirash doch ein weiteres, klitzekleines Küsschen auf die Schläfe. “Du schönes Wesen.”, sagte fer leise. “In deinem Plan war von schlafen keine Rede. Hast du genug geschlafen? Wahrscheinlich sollte ich mich überhaupt nicht einmischen. Lunascerade ist nur so ein Spiel, bei dem Leute oft vergessen, dass sie müssen, weil es nie Tag war und wegen der Spannung und allem.”

Mirash seufzte. “Ich werde nicht schlafen können.”, sagte as. “Und ja, auch weil ich geschlafen habe. Sonst wäre ich vielleicht müde genug.”

“Ich würde mich auch waschen und etwas essen, und mich dann in der Basis hinlegen, bis du mich weckst. Ist das in Ordnung?”, fragte Flederschatten.

“Oder ich kuschele mich dann zu dir.”, wiederholte Mirash Flederschattens Worte von vorhin.

“Oder das.”, sagte Flederschatten sehr leise und sanft. “Aber wahrscheinlich wache ich davon auf und kuschele zurück.”