Beim Entwischen erwischen

CN: Luftnot, tiefes Meer, Selbstabscheu, Blut - erwähnt, Nacktheit, Fantasy-Religion - erwähnt, ab hier rückt Religion stärker in den Fokus.

Die Nacht brach herein und fühlte sich dabei viel mehr nach Nacht an als die vorangegangenen Nächte. Vielleicht, weil sie voraussichtlich bei Dunkelheit im Meer schwimmen würden, wenn alles gut ginge. Den Tag über hatte Lilið befürchtet, irgendetwas könnte sich als schwieriger herausstellen als geplant. Zum Beispiel, dass die Wache, die Lajana immer in den Raum ließ, doch nicht Dienst hätte oder weniger dösen könnte. Oder dass Drude aussteigen könnte, weil die Abe nicht wieder auftauchte.

Aber als Lilið gerade eines der Navigationsinstrumente erhob, um die ersten Abendsterne anzupeilen, entdeckte sie Lil am Himmel. Die Instrumente würde Lilið auch vermissen. Aber auf der anderen Seite: Sie war nun Nautika. Mit einem gewissen Umfang an Erfahrung. Sie hätte durchaus eine Chance, sich einen Ruf aufzubauen, und wenn es soweit wäre, würde sie wieder ähnliche Instrumente in die Hand bekommen. Oder auch, wenn sie auf weniger offiziellem Wege irgendwo angeheuert würde als jetzt.

Die Abe jedenfalls legte den letzten Abstand zwischen sich und der Kagutte Abschnitteweise schwebend zurück: Immer wieder flatterte sie ein wenig, bis sie eine gute Stelle gegen den Wind fand, um wieder zu gleiten. Lilið vermutete, dass dey das zur Entspannung tat. Denn hätte die Abe das den ganzen Flug hindurch so gehalten, wäre dey viel zu langsam für die Gesamtstrecke gewesen.

Lilið wandte sich um, um nach Drude Ausschau zu halten und demm im Zweifel zu holen, aber das war nicht notwendig. Drude schritt in jenem dünnen Mantel, in dem Lilið demm zum ersten Mal gesehen hatte, den Niedergang hinauf. Der Wind griff in den Mantel und bauschte ihn. Drudes Schritte waren schwer und mächtig. Dey brauchte den stabilen Stand auch, weil die Abe sich nicht die Mühe gab, abzubremsen, bevor dey gegen Drudes großen Körper prallte. Drude packte der Abe in den Nacken, legte den anderen Arm sanft um demm und verschwand mit dem Drachen irgendwo im Unterdeck. Lilið hatte Drude nicht lächeln sehen. Hätte sie demm nicht schon ein wenig gekannt, hätte sie sich vielleicht Sorgen gemacht. Nun, ein wenig Sorgen machte sie sich doch: Bis zur Schlafenzeit bekam sie beide nicht wieder zu Gesicht.

Lilið hinterließ den Kartenraum, wie sie es zu jedem anderen Tag auch getan hatte. Sie widerstand dem Drang, irgendetwas zu stehlen, und ging einfach zu Bett, wie jeden Abend um diese Zeit. Und als sie sicher war, dass alle anderen im Raum schliefen, oder zumindest eher auf die Idee kommen würden, dass sie sich noch einmal erleichterte, als von längerer Abwesehenheit auszugehen, stand sie wieder auf, stopfte die Decken rasch so, dass sie eine Silhouette von ihr darstellen könnten und schlich sich zu Drudes Unterwassertür, wo sie sich treffen wollten.

Drude lehnte in der Dunkelheit an der Wand, das Gesicht im Schatten und auf der Schulter die Abe. Es war ein unheimliches Bild. Lilið wollte vertrauen, aber irgendwo in ihr fragte sie sich schon, ob sie nicht doch irgendwie einen Plan B hätte finden sollen. Das hatte sie nicht geschafft. Sie lehnte sich Drude gegenüber an die Wand, sodass zwischen ihnen vielleicht noch eine Person Platz gefunden hätte, wenn sie sich gequetscht hätte.

“Fühlst du dich bereit?”, fragte Drude leise.

“Ich habe schon Angst. Wann fühlt man sich denn schon bereit dazu, eine lebensgefährliche Sache durchzuziehen?”, erwiderte Lilið. “Egal. Wie geht es Lil?” Ein Teil von ihr hoffte, dass die Abe irgendeine Nachricht von Heelem zurückgebracht hätte. Aber die Abe war natürlich bei König Sper untersucht worden. Heelem konnte nichts unbemerkt mitgegeben haben.

“Erschöpft.”, antwortete Drude. “Die Zustellungen waren erfolgreich. Soweit ich demm verstanden habe, haben Leute an der ersten Adresse so etwas gesagt, wie, dass Heelem am Abend wiederkäme und sie ihm den Brief dann überreichen würden. Das macht Hoffnungen.”

Lilið nickte. Sie fühlte besagte Hoffnung einen Augenblick wild in sich aufsteigen und ihr die Atemwege blockieren. Es konnte immer noch so viel schief gehen. Aber es klang, als wäre Heelem zumindest nicht in der Weltgeschichte unterwegs und unerreichbar gewesen. “Sehr.”, murmelte sie.

“Lil ist nun wieder gut genährt und hat sich ausgeschlafen. Wir treffen demm auf Lettloge.”, erklärte Drude. “Ich schicke demm los, sobald du sagst, dass wir uns zu Lajana aufmachen.”

“Gibt es irgendeinen Grund, warum wir zögern sollten?”, fragte Lilið.

Drude schüttelte den Kopf.

Lilið blickte demm noch ein paar Momente an. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ein Kommando dafür zu geben, dass es losgehen sollte. Es fühlte sich albern an. Als wären sie nicht schon längst dabei. Auf der anderen Seite realisierte sie dadurch erst so richtig, dass sie den größten Teil der Idee und Organisation des Plans übernommen hatte. Das stimmte sie nicht gerade zuversichtlich. Hatte sie genug Erfahrung für so etwas?

Es spielte keine Rolle. Sie musste es halt so gut machen, wie es ginge. Sie nickte. “Lasst uns aufbrechen.”, flüsterte sie.


Lilið hatte das Gefühl, irgendetwas Wichtiges nicht zu beachten, als sie sich zu Lajana in den sichersten Raum der Kagutte begab. Es war inzwischen Routine für sie, sich zur Ratte gefaltet um die Ecke zu schieben, der dösenden Wache ein wenig beim Atmen zu lauschen und sich dann möglichst rattentypisch zur Tür zu bewegen. Nichts passierte.

Lajana war spürbar nervös. Lilið hatte das Gefühl, dass die Nervosität auffällig für Wachen sein musste, die gründlich waren. “Hast du deinen Ritualen folgen können und nichts darüber hinaus erzählt?”, fragte sie.

Lajana zögerte und nickte dann. “Ich habe mich so wie immer verhalten. Aber ich glaube, Marusch hätte spüren können, dass etwas anders ist. Es tut mir leid.”

Wenn Lilið nicht alles täuschte, hatte Lajana ein schlechtes Gewissen, so zu sein, wie sie war. Und Angst, dass an ihr Pläne scheitern könnten. “Ich frage gerade vor allem, um darein, wie ich mich jetzt verhalte, einzuberechnen, was schief gelaufen sein könnte.” Lilið hoffte, dass sie dadurch wenigstens mögliche Schuldgefühle beruhigen könnte, dass sie nicht wertete. “Du machst Dinge so gut, wie du kannst. Das muss reichen.”

“So etwas sagt Marusch auch immer.”, murmelte Lajana so leise, dass Lilið sie fast nicht verstand. “Ich habe trotzdem Angst, dass alles meinetwegen nicht klappt.”

Ob Drude ihr besser gut zureden könnte? “Ich verstehe die Angst.”, sagte Lilið. “Ich weiß nicht, was ich dir Hilfreiches sagen kann. Außer, dass du nicht schuld bist und wir das beste daraus machen werden, was wir jeweils können. Magst du dich falten lassen?”

“Ich habe noch eine Frage, die ich mich gestern nicht getraut habe.”, sagte Lajana. “Kannst du auch das Igeldings falten?”

Das hätte sie gestern üben müssen, war Liliðs erster Gedanke. “Ich probiere es. Aber wir haben nicht viel Zeit. Ich probiere es einige Male und wenn es nicht klappt, geht es nicht.”

Lilið fühlte sich unhöflich dabei, nicht zu fragen, bevor sie das Igeldings wieder berührte. Sie wunderte, dass es dieses Mal nicht zurückzuckte. Es bitzelte, wie beim ersten Mal. Wieder spürte Lilið anschließend das Pulsieren. Sie fragte sich, ob es besser wäre, es auszublenden, wenn sie in das Igeldings hineinfühlte, um es zu falten, oder nicht, weil es eben zu dem Igeldings gehörte. Außerdem wusste sie, dass sie nicht viel Zeit hatte.

Und dann bohrten da noch diese Fragen: Brauchte das Igeldings vielleicht Luft zum Existieren? Wäre es ungünstig, wenn es mit Wasser in Berührung käme? Oder reagierte es gar jetzt bereits weniger, weil es eigentlich Nahrung bräuchte?

Lilið schloss die Augen und versuchte, sich in die Eingeweide dieses Igeldings hineinzufühlen.

Eine Lunge hatte es nicht. Das Pulsieren hatte etwas mit Energie zu tun, aber basierte nicht auf einem Stoffwechsel, der Lilið vertraut gewesen wäre. Es war nicht aus Material, das sich auch nur entfernt nach Igel angefühlt hätte. Die Stacheln hatten eher etwas von Kompassnadeln. Lilið fühlte, wie auf die Stacheln eine ähnliche Kraft wirkte wie auf Eisennadeln, und auch, dass sich mit dem Pulsieren vielleicht sogar der Einfluss des Magnetfelds darauf änderte.

Lilið hätte sich darin verloren, für Stunden, wenn ihr nicht doch wieder eingefallen wäre, dass sie es eilig hatten. Die Frage war, ob sie dieses Igeldings falten könnte. Eigentlich hätte Lilið damit gerechnet, dass es ihr schwer fallen sollte, weil sie nie einen Kompass gefaltet hatte und das Material nicht so oft in der Natur oder in ihrer Umgebung vorkam. Aber aus Gründen, die sich ihr in diesem Moment nicht erschlossen, fühlte sich das Igeldings vertraut an, als hätte sie sich über Wochen intensiv mit fast nichts anderem auseinandergesetzt.

Sie atmete tief ein und versetzte sich beim Ausatmen in einen Zustand, tiefer Entspannung. Sie versuchte, das Pulsieren des Igeldings nachzuahmen, in der Hoffnung, es zu beruhigen, bevor sie es faltete. Sie fühlte sich innerlich angenehm leergefegt, als sie die viele Stacheln in einer Kreisbewegung zu einer flachen, kleinen Münze zusammenflocht. Es war, zumindest, wenn das Igeldings nicht ungewöhnlich viel zappelte, eine sehr stabile Faltung. Sie würde es als Ratte im Maul einklemmen können, oder konnte es direkt im Körper einfalten. Sie entschied sich für ersteres, damit Drude eine Ahnung bekommen könnte, was los wäre.

“Gehen wir?”, fragte sie Lajana.

Lajana nickte. Ein Lächeln lag in ihrem ansonsten traurigen Gesichtsausdruck. Sie legte sich hin, damit Lilið sich von vorn mit dem Rücken gegen sie lehnen könnte. Das machte eine praktische Faltung möglich, bei der Lilið hinterher Lajanas Gewicht überwiegend auf dem Rücken tragen, aber Teile des Gewichts auch über ihre Gliedmaßen gut in den Boden abgeben konnte.

Die Faltung lief gut, dachte Lilið, als sie Lajanas Gewicht überraschend wenig auf ihrem eigenen Körper lasten spürte. Vielleicht wogen sie zusammen nun nur etwa 100 Kilogramm. Oder noch weniger?

Lilið faltete den Kopf flach, um ihn unter der Tür hindurchzubekommen, und sah nicht mehr genau, was sie tat, als sie das zur Münze geformte Igeldings unter der Tür vor sich herschob. Nachdem sie den Kopf wieder zu einem dreidimensionalen Rattenkopf gefaltet hatte, blickte sie sich sofort nach der Wache um. Diese döste, wie immer. Lilið atmete flach erleichtert ein und aus, fühlte dabei Lajanas gegen ihren gefalteten Körper besonders intensiv. Er war heiß. Das war nicht so gut. Wahrscheinlich hatte Lajana große Angst.

Lilið nahm die Münze zwischen die Kiefer und krabbelte möglichst leise und rattenartig zur Treppe. Zwei Stufen schleppte sie sich hinauf, damit sie dem Blickfeld der Wache entkamen, dann übergab sie an Drude. Drude hatte an die Wand gelehnt gewartet. Die Abe war nicht mehr bei demm. Nun ging dey breitbeinig in die Hocke, um die viel zu schwere Ratte rückenfreundlich zu heben. Drude hatte es gestern mit ihnen geübt. An deren Bewegungen heute konnte Lilið ablesen, dass sie es tatsächlich geschafft hatte, ihre Masse zu reduzieren: Dey hob sie mit mehr Kraft an, als für sie notwendig gewesen wäre. Lilið hatte nach wievor keine Ahnung, wie sie Masse veränderte, und konnte es nicht zuverlässig wieder tun.

Drude trug die Ratte auf dem Arm, wie dey es vielleicht mit der Abe getan hätte, und ging zügigen Schrittes zur Tür, die direkt ins Wasser führte. Dey setzte sie dort ab und zog sich wieder einfach nackt aus. Lilið machte sich Gedanken, ob sich hier vielleicht deshalb fast nie eine andere Person aufhielt als Drude, weil Drude so freizügig mit Nacktheit umging. Auf der anderen Seite war ein Flur mit nichts als einer Tür ins Meer am Ende für die meisten Menschen auch einfach kein so praktischer Aufenthaltsort.

Drude schnallte sich dieses Mal zwei Taschen um. Eine für die Münze und die Ratte und eine für dere Kleidung. Dey verschloss die Tasche mit der Ratte darin, aber Lilið fühlte, wie dey sie weiterhin trug, damit der Stoff durch das Gewicht nicht reißen würde. Und wie Lajanas Körper zu zittern anfing. Lilið hatte alle Mühe damit, die Faltung aufrecht zu erhalten, und bekam erst mit, dass sie draußen waren, als angenehme Kühle ihren Körper umfing.

Sie hatten die Kagutte also erfolgreich zu dritt verlassen. Zu viert, wenn das Igeldings mitgezählt werden konnte. Lilið kam das alles zu einfach vor. Eine Kronprinzessin unter der Nase von Wachen von König Sper wegzustehlen, sollte schwieriger sein, oder nicht? Aber immerhin war eine der Wachen, wenn auch nicht direkt König Sper untergeordnet, mit von der Partie. Drude war an Deck zuständig dafür, Magie zu erfühlen, die nicht im Sinne der Crew angewandt wurde, und hätte sie ihre Arbeit getan, wäre Lilið nie so weit gekommen.

Lajana wurde immer unruhiger. Wahrscheinlich atmete sie nicht richtig. Es kostete Lilið alles an Konzentration, sie gefaltet zu belassen. Sie spürte außer Lajanas um sie gewickelten Körper noch, wie die Wassermassen über die Tasche hinwegströmten, in der sie waren, aber mehr an äußeren Reizen auch nicht.

Lilið fühlte die ganze Zeit eine dumpfe Angst in sich, aber als sie schließlich merkte, dass ihr schwindelig wurde, weil ihr selbst die Luft ausging, schlug sie plötzlich und unvermittelt in Panik um. Im Normalfall hätte sie, um sich zu beruhigen, langsam und bewusst geatmet, aber stattdessen atmete sie schnell und flach die sauerstoffarmen Luftüberreste in der Tasche ein und hatte dabei Angst, sie Lajana wegzuatmen. Sie versuchte mit den Pfoten durch die Tasche gegen Drudes Körper zu drücken, aber war zu orientierungslos, um zu wissen, ob sie wirklich die richtige Richtung erwischte.

Lilið wusste später nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, die Faltung aufrecht zu erhalten, bis Drude die Tasche öffnete. Wasser strömte in die Tasche und Lilið hätte fast damit gerechnet, dieses einatmen zu müssen, aber Drude war schnell genug mit einer Flossenhand darin, sie über Wasser zu heben. Das war eine Leistung: Immerhin waren sie eine ziemlich schwere Ratte mit hoher Dichte, die entsprechend keinen Auftrieb hatte.

Lilið entfaltete Lajana und sich. Das Igeldings verblieb gefaltet in der Tasche, hoffte Lilið. Drude blickte sie abwechselnd an und entschied sich dann, Lajana locker in einem Griff festzuhalten, sodass sie zu Atem kommen und sich nicht selbst ums Schwimmen kümmern musste. Lilið machte rasche Schwimmbewegungen, um sich über Wasser zu halten. Es war eine ungemütlich Nacht. Am Abend war es noch sternenklar aber schon windig gewesen. Nun war der Himmel zugezogen. Es war stockfinster. Nicht einmal der Mond leuchtete hell genug, dass Lilið mehr als Umrisse ausmachen konnte. Die Wellen waren nicht furchtbar hoch, aber garstig. Sie spülten Lilið immer wieder salziges Wasser in den Mund, durch den sie zeitgleich sehr rasch zu atmen versuchte. Es fühlte sich nach sehr viel Zeit an, bis sie allmählich ruhiger wurde, und in all der Zeit hatte sie Angst, von Drude wegzutreiben. Unbegründete Angst, denn Drude blieb ruhig in ihrer Nähe und raunte Lajana beruhigende Dinge zu, die Lilið nicht verstand.

Irgendwo in der Ferne entdeckte Lilið die Nachtlichter der Kagutte. Selbst wenn sie von ihrer Abwesenheit schon mitbekommen haben sollten, würden sie sie hier nicht sehen. Die Distanz wäre zu groß, selbst mit einem guten Fernglas, irgendwo in der Ferne drei unbeleuchtete Köpfe zwischen den Wellen auszumachen. Auf der anderen Seite in ähnlicher Entfernung entdeckte Lilið die gelblich beleuchtete Hafenstadt auf Lettloge. Lilið wusste irgendwo in ihrem Inneren, dass es machbar war, dort zu dritt anzukommen. Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich noch einmal mit Lajana in eine Ratte zu falten, das auch noch beim Schwimmen, und die Distanz in die Tasche gepfercht zu überstehen.

“Du kannst dich in beliebige Dinge falten, oder?”, fragte Drude sie. “Nicht nur in welche, die du schon einmal gesehen hast.”

Lilið fühlte sich nicht in der Lage, aus der Puste, wie sie war, die Frage vollständig oder präzise zu beantworten, aber vielleicht war das auch gar nicht notwendig. Vielleicht reichten Teilantworten. “Hattest du eine bestimmte Vorstellung?”

“Keine allzu konkrete.”, widersprach Drude. “Ich dachte daran, dass du so eine Art Gurt sein könntest, der auf meinem Rücken befestigt ist, in dem Lajana sitzen könnte. Ich glaube, es könnte für sie zu viel sein, wieder in eine Ratte gefaltet zu werden.”

Lajana gab ein zustimmendes, schluchzendes Geräusch von sich. “Ich will keine Last sein.”, flüsterte sie außerdem laut.

“Wenn Drude sagt, dass wir keine Ratte sein müssen, dann müssen wir das nicht.”, sagte Lilið. “Ich bin ehrlich gesagt selbst erleichtert darüber. Wir kriegen das hin.”

Sie gab vor, zuversichtlicher zu sein, als sie war. Auf der anderen Seite hatte sich gerade eine Angst von ihr aufgelöst: Sie vertraute Drude. Dere Möglichkeiten, eine Falle zu stellen, wurden einfach immer weniger und dey benahm sich sehr klar für sie vorteilhaft.

Sie zitterte trotzdem vor Anspannung, als sie sich also nun im Wasser das erste Mal nicht bloß für einen Gefahrenmoment sondern für einen gewissen, längeren Zeitraum in eine Form faltete, die nicht als Tarnung gedacht war. Es klappte auch nur so mäßig gut. Sie mussten die Faltung auf dem Weg zum Land noch zwei Mal erneuern. Trotzdem war es sehr viel besser als zuvor in der Tasche: Drude schwamm zwar den größten Teil der Strecke unterwasser, aber in regelmäßigen, bald vorhersehbaren Abständen, die zum Atmen für Lilið und Lajana ausreichten, schoss sie durch die Wasseroberfläche, und sprang wie ein Delphin über die Wellen. Was für eine enorme Kraft dieser Körper hatte!

Obwohl sie alle sehr aus der Puste waren, als sie an Land ankamen, war der erste Wunsch Lajanas, dass Lilið nach dem Igeldings schauen und es entfalten sollte. Lilið wusste nicht, wie sie sich hätte fühlen sollen, wenn es unterwegs aus der Tasche gefallen wäre, aber das Igeldings hatte einen Stachel entfaltet und sich in der Tasche festgepiekst. Ob das Absicht war, wusste Lilið nicht.

Sie waren also alle unbeschadet, bis auf ein Loch in besagter Tasche, auf Lettloge angekommen.

Lilið sank erschöpft auf den Kiesstrand. Ihr war völlig gleich, dass der nicht gerade viele Kriterien von Gemütlichkeit erfüllte. Die Hafenstadt lag vielleicht eine gute halbe Stunde Fußweg rechts von ihnen.

“Ich weiß nicht, ob der Plan so gut ist, sich nun auszuruhen.”, gab Drude zu bedenken. Entgegen derer Worte saß dey nackt, noch halb in Fischform auf dem Kies und kam selbst erst langsam zu Atem.

“Ich habe den Eindruck, egal was wir tun, kann ich mich schon ausruhen, bis du angezogen bist.”, entgegnete Lilið.

Drude nickte zustimmend und fing auch gleich damit an, sich anzuziehen. “Mir ist zu warm vom Schwimmen mit zu viel Gewicht. Aber es muss wohl sein, wenn wir unter Leute gehen, da hast du wahrscheinlich Recht.”

“Ich habe keinen allzu genauen Plan ab jetzt.”, sagte Lilið. “Ich vermute, dass wir morgen Abend frühestens abgeholt werden. Und bis dahin sollten wir irgendwie untertauchen, dachte ich. Wir sollten uns gut verstecken.”

“Zum Untertauchen brauchen wir ausreichend Lebensmittel.”, ergänzte Drude. “Ich habe so viele Marken eingepackt, wie ich unauffällig mitnehmen konnte. Wir sollten sie nicht in der Hafenstadt, sondern in der landesinneren Stadt eintauschen, weil in der Hafenstadt eher nach uns gesucht wird. Wir sollten die Besorgungen spätestens zum frühen Vormittag erledigt haben, weil wir auch dort nicht lange haben werden, bis dort Ausschau nach Lajana gehalten wird. Sobald auffliegt, dass sie weg ist, wird Lettloge als Fluchtort naheliegen.”

Lilið wurde mit einem Mal wieder sehr heiß, obwohl sie gerade noch gefroren hatte. Drude hatte recht. Sie waren hier nicht sicher. “Wahrscheinlich ist es auch sinnvoll, sich nicht vollkommen darauf zu verlassen, dass wir abgeholt werden, und uns nach einer Möglichkeit umzusehen, ein Schiff zu stehlen.”

Drude blickte sie mit einem so bösen Gesichtsausdruck an, dass Lilið es selbst im Dunkeln nicht anders deuten konnte. “Du hättest Mal ein Sterbenswörtchen darüber verlieren können, dass dein Kontakt eventuell nicht zuverlässig ist.” Auch in derer Stimme schwang leise Wut mit. “Ich stehe hinter dem Plan, aber ich wäre ab nun gern immer in alles eingeweiht. Ist das klar?”

Lilið nickte. Sie schämte sich sofort. Sie merkte, wie sie eine Ausrede suchte, weil sie sich selbst verstand, während sie sich zugleich verabscheute. “Ich habe dir nicht vertraut.”, gab sie schließlich zu. “Es tut mir leid.”

Drude betrachtete sie lange. Lilið wusste nicht, wieviel Drude eigentlich in ihrem Gesicht erkennen konnte. Schließlich senkte dey den Blick. “Es tut mir leid, dass ich sauer war. Dass du mir in anderen Punkten vertraut hast, hat verständlicher Weise nichts mit unserer jetzigen Lage zu tun.”, sagte dey und überraschte Lilið sehr damit. “Wegen des Machtgefälles hattest du gar nicht die Möglichkeit, ein Vertrauen in mich aufzubauen. Das kann ich nicht von dir erwarten. Ich hasse die Auswirkungen, aber ich verstehe deine Entscheidung, mir nichts davon gesagt zu haben, dass wir hier möglicherweise einen Plan B entwickeln müssen. Und ich hasse stehlen.”

“Wie praktisch, dass du zufällig mit einer Diebesperson unterwegs bist.”, murmelte Lilið.

“Äh!”, mischte sich Lajana ins Gespräch ein. “Drude, du hast mich gestohlen. Du warst immer nett zu mir und hast mich dann auch befreit, aber du hast mich gestohlen. Ich finde, du solltest Lilið nicht böse sein, wenn sie auch mal gestohlen hat.”

Drude nickte. “Du hast schon recht.”, murmelte dey. “Aber es geht hier ja nicht darum, was Lilið getan hat, sondern was dey tun wird. Oh Moment. Ist ‘dey’ für dich in Ordnung, Lilið?”

Lilið blickte mit gerunzelter Stirn in Drudes Richtung. Es hatte sich gerade nicht falsch angefühlt. Aber das lag an Drude, glaubte sie. “Von dir schon, denke ich.”, sagte sie. “Weil du es neutral meinst und für dich und Lil auch nimmst. Ich sage Bescheid, wenn ich das nicht mehr mag.”

“Ich kann das nicht mit dem ‘dey’, glaube ich.”, sagte Lajana.

Drude zuckte mit den Schultern. “Dann nimmst du einfach weiter meinen Namen und probierst es erst dann mit dem ‘dey’ aus, wenn du Lust hast und dich mutig fühlst.”

Lajana nickte. “Ich habe das im Gespräch mit dem Igeldings probiert. Ich stolpere immer und fühle mich dann mies. Aber ich übe weiter.”

“Kein Ding.”, meinte Drude. “Jedenfalls geht es gerade um die Frage, ob wir von irgendwem ein Boot stehlen. Ein ganzes Boot. Und wenn es nicht mit einer Meute Wachen gesichert ist, ist es ein Boot von Leuten, die in große Schwierigkeiten kommen, wenn es weg ist, und die nichts Böses getan haben. Das gefällt mir nicht.”

“Das gefällt mir auch nicht.” Lajana wandte ihr Gesicht Lilið zu. “Würdest du so etwas tun?”

Lilið seufzte. “Äußerst ungern. Aber wenn meine Wahl ist, dass zu tun, oder du wirst zurückgestohlen oder Drude oder ich getötet, dann eben eher ein Boot stehlen.”

“Kannst du eigentlich Wasser aus Kleidung irgendwie rausfalten?”, fragte Drude und wechselte auf diese Art das Thema.


Ihre Kleidung war immer noch klamm, als sie sich zu dritt erst durch einen Wald auf einen Wanderweg schlugen und dann dem Weg hinauf auf einen Berg zur kleinen Stadt folgten. Das Igeldings saß auf Lajanas Schulter. Die Abe war noch nicht aufgetaucht. Es war kein kurzer Weg und die Sonne war bereits aufgegangen, als das Sadtmäuerchen in Sicht kam. Es war eher Zierde als Wehr. Die Mauern waren gerade hoch genug, dass Lilid nicht einfach hinübergucken konnte, und begrenzten vermutlich Hinterhöfe und Gärten oder bildeten einen Sichtschutz. Es führten viele Tore hinein. Irgendwo in der Mitte der kleinen Stadt ragten die Mauern einer Sakrale über die anderen Gebäude hinweg. Lilið erinnerte sich daran, dass Religion im Königreich Sper einen zentraleren und sichtbareren Stellenwert hatte als im Königreich Stern, und sie nah an der Grenze waren.

Sie hielten auf einen der Torbögen zu, der auf ihrem Weg lag und nicht wie ein kleiner Nebeneingang wirkte, aber unvermittelt hielt Drude sie auf. Dey blieb einfach stehen und studierte Aushänge mit gerunzelter Stirn, die an der Innenseite des Torbogens aufgehängt waren. Drude musste wirklich gute Augen haben. Lilið erkannte von hier aus nicht viel. Es gab ein Gesuch mit abgebildetem Gesicht und eine Menge Buchstaben, die für sie zu weit weg waren.

“Der Blutige Master M.”, sagte Drude. “Bist du das? Das Gesicht sieht aus wie deines.”

Lilið schluckte. “Ja, irgendwie schon.”, gab sie zu. “Lange Geschichte.” Sie fühlte sich mit einem Mal wie gelähmt. Nun war also doch ein Phantombild von ihr entstanden, und sie wurde bis an den Rand des Königreichs gesucht. Wie war es dazu gekommen?

Drude holte in kleines Fernglas aus derem Mantel und betrachtete das Plakat mit zusammengekniffenen Augen. “Du sollst die Kronprinzessin entführt und im Alleingang eine Kriegskaterane versenkt haben.”, gab Drude wieder, was dey gelesen hatte, und kicherte lautlos. “Ich glaube dir aus guten Gründen, dass du das nicht getan hast. Aber ich schließe, dass es nach unserer Begegnung mit der Kriegskaterane außer dir doch noch andere Überlebende gegeben hat, die von deiner Identität als Blutiger Master M wussten. Klingt das für dich realistisch?”

Lilið nickte. “Ich wurde dort identifiziert. Damals hat noch kein Bild von mir existiert, aber sie konnten es über eine Blutprobe tun.”, erinnerte sie sich. “Das ist der Grund, warum mir nicht geglaubt wurde, als ich sie vor euch gewarnt hatte.”

“Ungünstig.”, meinte Drude und fügte eindringlich hinzu: “Du bist trotzdem nicht schuld.” Dann wirkte sie wieder nachdenklich. “Du sollst außerdem einen Teil des Schatzes der Monarchie gestohlen haben. Insgesamt hast du also einen sehr beachtlichen und ziemlich üblen Ruf.”

“Den Anteil des Schatzes habe ich versucht, zurückzugeben.”, murmelte Lilið. “Ich weiß nicht, ob das geklappt hat. Das war kurz bevor ich zum ersten Mal bei euch an Bord gekommen bin.” Immerhin ergab nun für Lilið Sinn, woher sie ein Phantombild hatten: Je nachdem, wer überlebt hatte, hatten sie etwas frischeres Blut von ihr gehabt, oder sie war einfach gesehen worden. Letzteres konnte für ein Phantombild ausreichen. “Aber warum glauben sie, ich hätte die Katerane versenkt? Ich war dort eingekerkert!”

“Wurdest du von einer Wache bewacht, die nichts vom Geschehen mitbekommen hat”, fragte Drude.

Lilið nickte zögerlich. “Ja, schon. Sie ist zumindest erst spät an Deck gelaufen. Aber die Wache hat mich auch bewacht und weiß, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht an Deck war.”

“Was bei berüchtigten Kriminellen nichts heißt. Gute Überfälle zeichnen sich dadurch aus, dass den Verbrechenden nichts nachgewiesen werden kann.” Drude blickte sich zu ihr um und kicherte noch einmal. “Eigentlich ist das überhaupt nicht lustig für uns.”, sagte dey. “Du solltest dich dringend tarnen. Falten oder so, wenn du kannst. Auch den Mantel des Nautikas. Vielleicht faltest du ihn in etwas, was Lajana tragen kann, damit sie nicht in so einem edlen Kleid gesehen wird. Aber ich finde schon ganz schön absurd, ausversehen mit der meistgesuchten und angeblich gefährlichsten Diebesperson der Monarchie unterwegs zu sein, und hätte auch dafür gern eine Vorwarnung gehabt. Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?”

Dieses Mal klang Drude nicht sauer. Lilið dachte darüber nach, was für Drude noch wichtiges Wissen sein könnte und zog dabei den Mantel aus. Dass ihr Umfeld insgesamt eher kriminell war? Aber an sich wusste Drude das schon. Über das Buch? Aber darüber musste Drude nicht mehr wissen, als dass es ein Teil des Schatzes der Monarchie war. Oder?

Lilið war gerade damit beschäftigt, den Mantel zu falten, als Drude sie am Arm packte. “Entfalte wieder und zieh ihn an.”, sagte dey. Dere Stimme hatte etwas Unnachgiebiges, obwohl dey leise gesprochen hatte. “Wir müssen vom Stadttor weg, sonst stirbst du. Wir gehen in Richtung Hafenstadt.”

“Was?”, fragte Lilið.

“Wir können nicht entkommen.”, raunte Drude, gerade so laut, dass Lajana und sie sie hören konnten. “Uns kommt die Wache Schäler entgegen. Das ist die, die auf der Kriegskaterane für das meiste Blut gesorgt hat und sie schreckt vor nichts zurück. Und leider wird sie begleitet von einer Person, die ich nicht kenne, aber von der ich wahrnehme, dass sie Magie nicht nur spüren, sondern auch auflösen kann. Wenn du jetzt etwas faltest, dann wird das enttarnt werden. Wenn sie nicht bis zur Stadt kommen, gibt es eine gewisse Chance, dass sie noch nicht wissen, dass du der Blutige Master M bist und uns einfach wieder an Bord bringen. Und zum Weglaufen sind wir nicht schnell genug. Wache Schäler ist schnell.”

Lajana fing an zu weinen und Lilið konnte das gut nachfühlen. Sie fühlte sich, als hätten ihre Adern beschlossen, ihr Blut in Lawa umzuwandeln. Es konnte von Drudes Seite keine Falle sein, überlegte sie. Das ergab keinen Sinn. Aber hatten sie wirklich keinen Ausweg?

“Es hat keinen Sinn.”, sagte Drude sachlich, als hätte dey Liliðs Gedanken gelesen. “Ich kenne Wache Schäler, ich habe viel zu viel Zeit mit demm verbraucht. Ich weiß, warum dey ein Antimaga dabei hat und was der Plan ist und wie viel zu dicht wir sind, um zu entkommen.”

“Ich vertraue dir.”, flüsterte Lilið. “Ich will nicht, aber ich tue es.”

“Gut.”, sagte Drude. “Lajana, ich tue so, als hätte ich dich wieder eingefangen. Du darfst weinen und schreien, aber am besten du verweigerst jegliche Antwort auf Fragen.”

Lajana nickte. “Das habe ich ja auch gemacht, als ihr wolltet, dass ich Verträge unterschreibe.”, wimmerte sie.

“Genau! Das hast du damals sehr gut gemacht. Genau so!”, forderte Drude. “Und du, Lilið, dich habe ich mitgenommen, weil du gerade greifbar warst, um mich zur Kagutte zurückzubringen.”

Lilið nickte. “Muss ich irgendetwas behaupten?”

Drude schüttelte den Kopf. “Nur bestätigen, was ich sage. Und nun, weg von der Stadt.”

Drude klemmte unsanft Lajanas Arm ein und zog sie mit sich. Bei genauerem Hinsehen bemerkte Lilið, dass es vielleicht brutaler wirkte, als es war. Oder sie hoffte es einfach. Sie trottete den beiden hinterher. Sie ließen die Stadtmauer hinter sich. Bald verdeckte eine Landschaft aus schwer durchdringlichen Dornbüschen die Sicht darauf. Ja, wenn sie da hindurchgeflohen wären, hätten sie Spuren hinterlassen und wären zudem sehr langsam gewesen. Trotzdem dachte Lilið noch über mögliche Fluchtwege nach, bis der Weg einen Bogen nahm und sie einem Paar aus zwei Menschen gegenüberstanden, beide eigentlich relativ schmal, klein und unscheinbar. Drude machte da eine viel beeindruckendere Figur.

“Wache Schäler!”, rief Drude zum Gruß.

“Wache Drude!”, grüßte eine der Personen zurück. “Kannst du uns erzählen, was los ist?”

Drude nickte einmal. “Nicht genau.”, sagte dey. “Ich bin nachts, nicht lange vor Sonnenaufgang, aufgewacht und habe gemerkt, dass ich die Anwesenheit der Kronprinzessin nicht mehr dort wahrnehme, wo sie hingehört. Ich wollte es dem Kapitän melden, aber auf halbem Weg habe ich sie immer schwächer wahrgenommen und gemerkt, wie sie mir entgleitet. Ich habe mir das Nautika geschnappt, weil er gerade in der Nähe war, und bin dem Gespür hinterher. Wie sie abgehauen ist, weiß ich nicht, aber ich habe sie hier gefunden und wollte mich gerade wieder auf den Weg zurück zur Kagutte machen.”

“Und das Nautika brauchtest du wofür?” Wache Schäler warf einen skeptischen Blick auf Lilið.

Lilið blickte zu Boden und blieb unbewegt stehen.

“Ich habe viel mit ihm zu tun.”, erklärte Drude. “Ich wusste von ihm, wie schnell sich die Kagutte von hier fortbewegen würde und mir war wohler, eine Person dabei zu haben, die mir dann den Weg zurück zeigen kann, weil sie weiß, wo nach Plan die Kagutte zu welchem Zeitpunkt sein wird. Wäre er nicht in der Nähe gewesen, hätte ich es nicht getan, aber so war es sicherer.”

“Schlau!”, kommentierte Wache Schäler.

Lilið konnte nicht gut einschätzen, ob Wache Schäler Drude glauben schenkte oder nicht. Lilið fühlte sich miserabel. Wieso ging ein Plan auf diese Art schief? Es fühlte sich surreal an, absichtlich den ihnen schaden wollenden Personen in die Arme zu laufen. Aber doch traute sie Drude.

Würde es eine weitere Fluchtmöglichkeit geben?

“Es ist gut, dass du ihnen hinterher bist.” Wache Schäler klang freundlich, wie zu einem Pläuschchen aufgelegt. “Der Kapitän hat sich Sorgen gemacht, dass du überlastet wärest und deshalb deinen Aufgaben nicht mehr so gut nachkommst. Da wird er froh sein, dass du das Maleur unterbinden konntest. Fraglich ist natürlich, wer Ursache dafür war. Wir haben eine Wache in Verdacht, die zugegeben hat, die Kronprinzessin aus der Zelle gelassen zu haben, aber sie gibt weiter nichts zu. Ich hätte ja außerdem das Nautika in Verdacht, aber das hast du übergründlich bewacht.” Wache Schäler warf Lilið einen weiteren Blick mit gerunzelter Stirn zu. Dann blickte sie zurück zu Drude und deutete auf die Person neben sich. “Jedenfalls ist gut, dass wir nun ein Antimaga in der Crew haben. Das ist Wache Luanda.”

Wache Luanda lüpfte eine Schirmmütze, wie sie typisch für Matrosen war, außer dass auf diese ein Sakralzeichen gestickt war.