Epilog

Lilið – das war der Name einer dunklen Kreatur. War sie schön und intelligent, skorsch und zielstrebig, und voll Liebe? Vielleicht alles nicht. Vielleicht alles davon. Vielleicht war es eine Frage der Perspektive. Und vielleicht sollte die Welt daran arbeiten, diesen Eigenschaften weniger Bedeutung beizumessen. Allen davon. Irgendwann. Wenn wir lernen, dass Menschen für sich wertvoll sind und keinen Ausgleich auf einem anderen Feld brauchen, wenn sie auf dem einen nicht taugen. Nicht zu taugen, ist ein shit Konzept to begin with.

Lilið brachte durch ihre bloße Existenz das Geschlechtsgefüge durcheinander, doch das fühlte sich nicht nach aktiver Handlung an und es war ihr ohnehin nicht genug. Sie hatte in den Abgrund gesehen, der durchs nach unten treten entstanden war, und war ohne Zögern sanft hinabgeglitten. Doch was hatte sie dann getan? War sie ihrem Namen gerecht geworden? War sie jene Kreatur, die so stark war, dass sie sich dem Willen der Bestimmenden entgegenlehnte? Schwang sie nicht bloß schallende Reden, aber fügte sich diesen nicht folgend in ihr Schicksal, weil ihr die Macht fehlte, überließ das Stören anderen? Wandelt Lilith wirklich unbemerkt, in vielen unerwarteten Verkleidungen im irdischen Reich und bringt das Machtgefüge durcheinander? Oder verschwindet sie nicht viel eher in der Versenkung der Unterwelt wie ein Tropfen im Ozean?

Alles davon ist zugleich wahr. Die Unterwelt, unbemerkt, ist längst ein Teil der irdischen Welt. Schon immer. Die Getretenen sind unter uns. Unter, nicht mit uns. Wenn wir hinschauten, könnten wir sie sehen. Viele von uns sind Teil dieser Unterwelt und sehen sie doch nie ganz. Das ist so nicht richtig, aber was ändert sich schon durch halbe Sachen? Wir können nicht ein Problem herauspicken und es zuerst lösen, weil es mit den anderen verwebt ist. Wenn wir die Weben zerschneiden, verletzen wir nicht nur die anderen sondern auch uns. Wir lassen die anderen tiefer in den Staub fallen. Stattdessen müssten wir das Gewebe selbst verstehen. Das Wissen dazu ist alt und einfach, in vielen von uns verborgen. Die helfenden Worte unter einer Staubschicht vergraben.

Lilið fühlt sich nicht, als wäre sie ihrem Namen gerecht geworden. Es ist ein Gefühl des Versagens, des nicht Genugseins. Ein Gefühl, das in der Unterwelt verbreitet ist. Kennt ihr das auch? Dabei hat sie so viel getan: Menschen das Gefühl gegeben, richtig zu sein in ihrer eigenen kleinen Welt. Die Unterwelt ist nun lokal vorübergehend ein wenig gemütlicher. Was machen wir jetzt?