Gehört werden

CN: Ableismus, Religion mit Tradition und Kleiderordnung, vermutlich am ehesten auf katholische Rituale anspielend.

Sie sahen die Hafenstadt Bellim, sobald sie den Wald verlassen hatten, unter dem die Höhle gelegen hatte. Ein Wald aus hohen, harzigen Nadelbäumen, die sich in dem felsigen Boden weitwurzelig festkrallten. Irgendwo unterhalb des Felsgesteins musste Erde sein, in die die Wurzeln durch Felsritzen hinabreichten. Die Bäume hatten hohe Stämme. Die Rinde fühlte sich bröselig an. Die Äste saßen so hoch, dass der Wald leicht zu durchdringen war. Und trotzdem ergab sich das Stadtbild für Lilið erst, als sie nur noch wenige Reihen Stämme vom Waldrand trennten.

Bellim war eine Hafenstadt, wie Lilið noch nie zuvor eine gesehen hatte. Sie war auf einen flachen Hügel erbaut worden und lag insgesamt tiefer als der Wald, sodass sie die weißen und gelben Häuschen von oben sehen konnte. Die flachen Dächer bedeckten eine riesige Fläche bis an den Horizont. Lilið brauchte nicht zu fragen, wo die Zivil-Sakrale und wo die Zentral-Sakrale waren. Erstere war ein großes, weißes Gebäude im Zentrum der Stadt, höher gelegen als die Häuser darum herum, nicht zu übersehen. Es war, wie für Sakralen üblich, ein Karree: ein Gebäude, das einen großen, quadratischen Innenhof einschloss, in dem Blumen, Kräuter, Gewürze und Gemüse angebaut wurde. Es gab Feierlichkeiten, zu denen jeweils geerntet und genossen wurde. Abgesehen von dieser klassischen Grundform unterschied sich diese Sakrale gewaltig von allen, die Lilið kannte. Das Gebäude hier war mindestens vierstöckig. Wieviele Leute mochten hier zu den Sakrals-Dienenden gehören? Die unteren zwei Stockwerke der vier Seiten des Gebäudes waren außerdem jeweils für einen mächtigen Torbogen durchtrennt. Das Dach war begehbar, mit Zinnen versehen, die wiederum mit Fahnen geschmückt waren. Sie flatterten lila und blau gemustert im Wind und gehörten wohl zu irgendeinem Jahrestag, den Lilið nicht kannte.

Die Zentral-Sakrale in der Nähe des Hafens mochte der Stolz des ganzen Königreichs Sper sein: Das Gebäude thronte monströs auf der Grenze zwischen Land und Wasser. Die hellere Farbe erstrahlte gerade besonders gegen den gräulichen Himmel dahinter, während die Sonne von oben schien. Lilið hatte vielleicht mal einen Leuchtturm gesehen, der im Wasser stand – so einen gab es hier auch – aber nie ein so riesiges Gebäude, das zur Hälfte auf mächtige Stützpfeiler und Mauern ins Wasser gebaut worden war. Auch die Zentral-Sakrale hatte den Grundriss eines Quadrats mit einem ausgesparten kleineren Quadrat im Inneren. Eine Ecke des Gebäudequadrates bot einen Landzugang, die diagonal gegenüberliegende mochte einen halben Kilometer weit ins Wasser ragen. Auch im Wasser gab es einen Zugang, glaubte Lilið zu erkennen. Die Ecke des Quadrats war symmetrisch zum Landeingang eingedellt, aber Lilið konnte keine Details ausmachen. Sie entdeckte ein kleines Segelboot, das von besagter entfernten Ecke aus gen Leuchtturm segelte. Irrte sie sich, oder sah sie Wasser aus der Sakrale fließen?

Die Fenster deuteten an, dass die Sakrale auch vier Stockwerke hatte, diese aber um einiges höher waren als die der Zivil-Sakrale. Sie war aus hellem Material gebaut, das in der Sonne schimmerte und Lilið erstaunlich wenig an Stein erinnerte. Rostrotbraune Linien maserten das sonst perlweiße Gemäuer. “Wow.”, entfuhr es Lilið leise. “Und in dem Gebäude wollen wir”, Lilið zögerte und vollendete den Satz grinsend, “ein Ding drehen?”

Drude wiegte den Kopf hin und her. “Sieht so aus.”, sagte dey. “Die zwei Zugänge, die du siehst, sind die einzigen.”

Das bestätigte Liliðs Überlegungen, dass es tatsächlich zwei gab. “Von der Landseite, und von der Seeseite also.”

“Beide Eingänge sind auf ihre Art eine Herausforderung.”, führte Drude fort. “Ich würde die Wahl davon abhängig machen, ob wir herausfinden können, auf welcher Seite der Sakrale Lajana gefangen gehalten wird.”

“Bräuchten wir noch ein Boot, sollten es auf die Seeseite hinauslaufen, über die wir eindringen?”, fragte Lilið.

“Ein bestimmtes.”, bestätigte Drude. “Es muss ein sakraliertes sein.”

“Ein sakraliertes?” Lilið hob skeptisch die Augenbrauen. “Und? Bist du so eines Mal gesegelt? Ist es schwer, daranzukommen?”

“Ich bin nie mit so einem gesegelt, aber ich glaube, die eigentliche Hürde liegt woanders.”, antwortete dey. “Da ist nicht einfach ein Steg hinten am Gebäude. Ich habe es von der Seeseite gesehen. Ich habe keine Ahnung, wie die Boote oder die Menschen aus den Booten die zwei Stockwerke zum Eingang hinaufgelangen. Aber lass uns mal hinne machen und bei der Zivil-Sakrale anheuern. Nicht anheuern, du weißt. Zügig, sonst wird das nix. Gar nix!”

Lilið warf noch einen Blick auf den hinteren Teil des Gebäudes. Sie hätte gern ihr Fernglas hervorgeholt, aber Drude hetzte. Es ergab schon Sinn, was Drude sagte: Das Tor oder was es war, das symmetrisch beide Ecken einschnitt, lag auf Landseite fast ebenerdig, aber auf Seeseite wohl etwa zwei Stockwerke oberhalb des Wasserspiegels. Vor den Türen befand sich jeweils eine Terrasse, äußere Galerie oder ein Laufgang, – Lilið wusste die Bezeichnung für so etwas nicht –, breit, aber nicht das ganze Gebäude umschließend. Der Boden bot eine Möglichkeit, vor dem Gebäude auf Höhe des Eingangs zu stehen oder eingeschränkt zu flanieren. Aber auch dieser Boden lag auf Seeseite weit oberhalb des Wasserspiegels. Lilið konnte gerade so ausmachen, dass die Mauern, die die Terrasse stützten, nicht aus Stufen bestehen konnten, sondern steil ins Wasser hinabreichten.


Kurz bevor sie einen Pfad erreichten, der Richtung Stadt führte, bat Drude sie, sie beide unauffälliger zu falten. Nur, bis sie Sakralutten gestohlen hätten. Lilið tat es und fühlte sich dabei überraschend routiniert.

Es war ein interessantes Gefühl, den ersten Eindruck der Stadt hinter Drude herlaufend zu bekommen. Dey kannte sich aus. Dey wählte einen Zickzackweg durch schmale Gassen zwischen den Häusern die sachte ansteigenden Wege hinauf. Die Luft war warm und trocken und schmeckte nach feinem Sand. Kleine, blassgraue und zartblaue Drachen gurrten von den Dächern oder spazierten über die Gassen, wichen ihnen aber rasch aus. Auf den meisten Straßen war wenig Betrieb, aber zwei Mal kreuzten sie eine Hauptstraße, wo das anders war. In der Mitte jener waren in regelmäßigen Abständen Bäume angepflanzt worden, die inzwischen die Häuser überragten und mit ihren großen, breiten Blättern Schatten boten. Auch von den Bäumen hingen Wimpel in den Farben lila und blau. Lilið wagte nicht zu fragen, was es bedeutete, weil Drude zügig voranschritt und schwieg. Unter den Bäumen spielten Kinder und Jugendliche Ball oder kletterten an Seilen oder schaukelten. An den Straßenrändern saßen Erwachsene mit Getränken und unterhielten sich. Gab es hier so etwas wie eine Mittagsruhe, die gerade war? Oder war es einer der Feiertage, an denen alle frei hatten? In Nederoge gab es zwei solcher Feiertage, aber Lilið hatte gehört, dass es anderswo mehr und andere Feiertage gab.

Sie entschied sich, doch zu fragen, falls sie dadurch mehr Ritualdinge hätte wissen müssen, und schloss zu Drude auf. “Ist heute ein Feiertag?”, flüsterte sie, als sie sich ausreichend weit weg von allen Menschen befanden, dass nicht auffiele, dass sie Baeðisch sprach.

Drude nickte. “Das spielt uns in die Hände. Beeil dich!”

Drude legte noch einen Zahn zu, sodass Lilið aus der Puste war, als sie die Sakrale endlich erreichten. Gerade rechtzeitig für den Gong, der das Ende einer Verkündung einläutete. Drude führte sie durch einen Eingang in einen hohen Flur, der kurz darauf von Menschen geflutet wurde. Sie strömten durch eine Flügeltür aus dem Saal der Verkündung an ihnen vorbei die Vorhalle entlang ins Freie. In dem Gewusel fielen Lilið und Drude kaum auf. Gleichzeitig waren die meisten Sakrals-Dienenden wahrscheinlich noch im Saal beschäftigt oder an den Glocken oder an den Musikinstrumenten, die das Ende der Verkündung begleiteten, sodass ihnen weniger als sonst begegnen würden.

Drude führte Lilið eine Treppe hinab an den Toiletten vorbei in einen Kellerflur. Es war sofort ruhig, kühl und leer. Am Ende des Flurs führte Drude sie ein weiteres Stockwerk tiefer, hielt Lilið aber kurz am Ärmel fest, um eine Gestalt am Fuß der Treppe vorbeigehen zu lassen. Sie wurden nicht bemerkt. Dann blickte Drude im Keller nach links und rechts und führte Lilið einen schmalen, schwach erleuchteten Gang entlang, bis dey vor einer verschlossenen Tür stehen blieb. Dey nickte Lilið zu und deute auf das Schloss.

Der Flur machte auf Lilið den Eindruck, als wäre er vor allem für Dienstpersonal gedacht. Das ergab in einer Sakrale vielleicht weniger Sinn. Hier dienten alle. Lilið wusste, dass es zwar Karrieren mit Aufstiegsmöglichkeiten gab, aber jede Drecksarbeit wurde weiterhin auch jeder Person zugeteilt. Trotzdem. Hier roch es nach Reinigungsmitteln. Der Boden war nicht edel. Die Türen sehr zweckmäßig. Dieser Flur war nicht für Besuchende gedacht, sondern für Leute, die zur Sakrale gehörten.

Lilið haderte nicht lange. Sie ließ sich auf ein Knie nieder und suchte ihr Werkzeug aus der Tasche, den Blick dabei auf das Schloss gerichtet. Es war kein solches Kellerschloss, bei dem ein einfacher Drahtbügel zum Öffnen gereicht hätte, aber sehr komplex war es nicht. Lilið musste drei Stifte setzen und es sprang innerhalb von kaum einer halben Minute auf. Drude nickte anerkennend und betrat mit ihr den Raum.


Die Sakralutte fühlte sich steif an und machte sie unbeweglicher. Lilið konnte verstehen, warum Drude so etwas nicht mochte. Allerdings schränkte es sie nicht in dem ein, was sie vorhatten. In Sakralutten wurde höchstens vorsichtig geeilt. Ein Schreiten mit geradem Rücken und gesenktem Kopf war die übliche Fortbewegungsform. Lilið mochte allerdings an der Kleidung, dass sie sie in eine geradere Haltung zwang oder eine andere zumindest ungemütlicher machte.

Die Kapuze hing weit über Liliðs Stirn hinweg. Sie hätte gern andere Personen in diesen Sakralutten beobachtet, um sie nachzuahmen, aber ihr Sichtfeld war durch die Kapuze beschränkt. Erst, als Drude sich mit ihr neben die Tür des Haupt-Sakraleten stellte, nachdem dey geklopft hatte, ergab sich die Möglichkeit. Meist in Paaren schreiteten verschiedene Sakrals-Dienende den Gang entlang. Die meisten nahmen sie nicht zur Kenntnis, – sie unterhielten sich höchstens leise miteinander –, aber einige wenige floskelten ihnen ein “Beðem Ajad?” zu. Lilið hatte es in der Höhle so unzählige Male beantwortet, kannte den zeitlichen Abstand, sodass sie ohne Zögern mit Drude zugleich mit “Hatinan” antwortete. Trotzdem fühlte sie dabei ihren Adrenalin-Pegel unbehaglich ansteigen. Hoffentlich würde er sie nicht zu frühzeitig erschöpfen.

Die Tür, neben der sie standen, öffnete sich, und ein kleiner Mensch ließ sie ein. Seine Sakralutte hatte im Gegensatz zu ihren blasseren ein strahlendes Rot. Er ließ sie ein und schloss die Tür hinter ihnen. Drude blieb mit Lilið hinter den Stühlen vor einem halbmondförmigen Tisch stehen. Aus einem hohen Fenster viel Sonnenlicht auf die halbe Tischplatte und zeichnete ein abgeschnittenes Rechteck auf den Boden davor. Es wärmte Liliðs einen Fuß, der andere stand im Schatten. Lilið wusste nicht, wie sie sich hier verhalten musste, also ahmte sie einfach Drude nach.

Der Sakralet schritt gemächlich um sie herum und sprach dieselben Worte aus, die Lilið nun schon so oft beantwortet hatte. Sie antwortete wieder mit Drude, erschreckte sich aber fast, weil Drude die Antwort nicht ganz so gleichgültig aussprach wie sonst. Liliðs Eintönigkeit ging hoffentlich in Drudes Antwort unter.

Der Sakarlet schlug seine Kapuze zurück und Lilið hielt sich gerade so davon ab, es ihm nachzutun. Drude verharrte unbewegt. Auf ein einladendes Handzeichen des Sakraleten hin setzten sie sich. Der Sakarlet stellte eine Frage auf Alevisch, die Lilið nicht verstand, worauf Drude zu einer längeren Antwort in der selben Sprache ansetzte. Lilið lauschte auf die Worte und versuchte, irgendetwas zu verstehen. Sie überlegte, dass Drude vielleicht erzählen könnte, dass Lilið die Sprache nicht sprach, und versuchte, Ortsnamen wie Nederoge oder Angelsoge oder ähnliche herauszuhören. Allerdings erinnerte sie sich, dass die Endung -oge, – ein altes Wort für Insel in ihrer Sprache Baeðisch –, im Alevischen nicht dieselbe war, sie also auf so etwas wie Nede- oder Angels- mit einer anderen Endung achten müsste. Wie war die Endung für Inseln noch im Alevischen?

Stattdessen hörte sie plötzlich ein Wort heraus, das dem alevischen Wort für stimmlos ähnlich war, das sie kannte. Ob Drude behauptete, Lilið könne gar nicht sprechen? Aber sie hatte doch schon den Gruß erwidert! Lilið hoffte, dass die kurze Panik, die sie durchströmt hatte, unter der Sakralutte unsichtbar blieb.

Sie hatte sich gerade wieder beruhigt, als Drude dere Hand ausstreckte und sich vom Sakraleten mit den Fingern über das Handgelenk streichen ließ. Ein Identifikationsverfahren? Würden sie Drude nun nicht doch wiederekennen? Und was, wenn sie auch getestet würde?

Der Sakralet sprach nun auch zu Lilið. Drude stuppste sie unter dem Tisch mit dem Fuß an und Lilið streckte unsicher den Arm aus. Die Berührung an ihrem Handgelenk war ruhig und kühl. Sie zitterte nicht. Auch wenn sie fürchtete, dass gleich eine Horde Wachen in den Raum strömen würde. Oder sie später auf welche treffen würden, sobald dem Sakralet klar wurde, dass er es mit Kriminellen zu tun hätte.

Der Sakralet leutete eine Glocke, holte einige Marken aus einer Schublade hervor, eichte sie und reichte sie an Drude und Lilið. Lilið beobachtete, wo Drude sie in der Sakralutte unterbrachte, und ahmte demm wieder nach. Das war alles etwas arg aufregend. Kaum saßen sie wieder still, klopfte es an der Tür. Der Sakralet stand auf, führte sie zur Tür und übergab sie an eine weitere Sakrals-dienende Person in einer schlichteren Sakralutte, – rosa, wie Liliðs und Drudes. Sie wurden vom Sakraleten mit einem komplizierteren Sprechritual verabschiedet, dass Lilið den letzten Nerv kostete, weil die Antwort komplexer auszusprechen war. Aber immerhin tat sie es mit Drude zugleich, sodass ihr Akzent vielleicht nicht so sehr auffiele.

Die Person, die sie abholte, sprach kein Wort mit ihnen. Sie führte sie zwei Stockwerke hinauf durch einen Flur an einer Reihe nummerierter Türen vorbei zu der mit der Nummer 217. Drude drehte sich der Person noch einmal zu, bevor jene wieder ging, und floskelte dieses Mal dererseits ein ‘Beðem Ajad?’. Lilið wusste nicht, ob sie auch antworten sollte, aber da sich Drude an die andere Person richtete, blieb sie still, als diese antwortete. Dann waren sie wieder allein. Drude stieß die Tür auf, ließ Lilið ein, und schlug die Kapuze zurück, als die Tür wieder geschlossen war. “Das war ein guter Anfang, würde ich sagen.”

“Wir wurden berührt!”, kommentierte Lilið. “Ich weiß nicht, ob ich das gut finde.”

“Sakralet Henre hat mich noch nie zuvor gesehen und hat auch nicht Eichungen von Strafregistern auswendig gelernt. Für ihn sind wir neu.”, beruhigte Drude. “Das diente nur dazu, uns mit ein paar Marken auszustatten, damit wir unterwegs an Lebensmittel und Getränke kommen, wenn ich dich herumführe.”

“Hast du behauptet, ich wäre stimmlos?”, fragte Lilið.

Drudes Mimik zuckte. “Fast.”, sagte dey. “Ich habe behauptet, dass du Schwierigkeiten mit dem Sprechen hast, wenn du sehr nervös bist, oder vor Fremden, oder wenn dir alles zu viel ist.”

Lilið brummte als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Also drehte sie wieder ein Ding, in dem einer beteiligten Person eine Behinderung angedichtet wurde. Interessanterweise fühlte es sich nicht so schlimm an wie beim letzten Mal. Vielleicht, weil die Sprache nicht sprechen zu können eigentlich eine noch größere Einschränkung war. Oder eine irgendwie ähnliche zumindest. Und vielleicht, weil es sich für sie vertraut anfühlte, als hätte, was Drude ihr zugeschrieben hatte, irgendwann einmal auf sie zugetroffen. Allerdings erinnerte Lilið sich an kein Erlebnis, bei dem das so gewesen sein sollte.

“Kannst du eigentlich Eichungen prüfen?”, fragte Drude.

Lilið schüttelte den Kopf. “Ich stelle es mir nicht so schwierig vor, aber ich habe es nie gelernt.”

“Hm.”, machte Drude. “Ich hätte damit gerechnet, dass du vielleicht sogar welche erstellen könntest. Du hast unserem Kapitän ein Papier gegeben, dass dich als Nautika Aurin ausgewiesen hat. Gerade, nachdem du noch einmal versichert hast, Lilið von Lord Lurch zu sein, hätte ich damit gerechnet, dass du es dir selbst erstellt hast. Wie hast du ihn dann getäuscht?”

“Das Zertifikat ist meins. Ich habe nur den Namen durch eine, hm, ich sage mal papierinterne Faltung verändert.”, erläuterte Lilið.

“Oh, das ist beeindruckend.” Drude ließ sich auf eins der Betten nieder. Es waren zwei. Lilið nahm das andere. “Ich wusste eigentlich, dass du Lilið von Lord Lurch bist. Eigentlich war ich mir sicher, dass du mich bei unserer ersten Unterredung nicht angelogen hast. Aber als du dann ein Zertifikat mit Namen Aurin hattest, dass dich ausweist, war ich dann doch nicht mehr überzeugt davon. Du bist so voller Geheimnisse und Überraschungen.” Dey machte ein einladendes Zeichen mit der Hand neben sich. “Magst du rüberkommen?”

Lilið runzelte die Stirn, erhob sich aber und setzte sich neben Drude.

Drude holte eine der Marken aus derer Sakralutte und reichte sie Lilið. “Leg einen Finger sehr sachte auf das Papier, sodass du nur die Oberfläche fühlst.”

Lilið tat es. Natürlich fühlte sie nicht nur die Oberfläche, es war Papier, das erfasste sie vollumfänglich, aber es fiel ihr nicht schwer, die Eindrücke in ihrem Kopf zu trennen. Dann würde sie also nun Eichungen erfühlen lernen. Als Drude ihr auch deren Arm reichte und Lilið ihre Finger auf dere Haut legte, stellte sie fest, dass es wirklich nicht schwierig war. Also, es wäre vielleicht schwierig für sie gewesen, bevor sie ein Buch kopiert hatte. Sie fühlte, wie eine bestimmte, einmalige Struktur der oberen Hautschicht in die Härchen des Papiers eingeflochten war. Sie nickte nicht sofort, fühlte es genau nach, ließ sich Zeit.

Sie entnahm ihrer Sakralutte einige der eigenen Marken. “Ich verzichte im Zweifel auf eine Mahlzeit unterwegs und versuche eine auf dich umzueichen, ja?”

Über Drudes Stirn huschte ein Runzeln, aber kurz darauf wirkte dey wieder entspannt. “Ich kann dir keinen Mangel an Überraschungen unterstellen. Dass du es noch nie gemacht und nicht gelernt hast, aber dir direkt zutraust.”

“Das mit den Überraschungen sagtest du eben schon einmal, das war mir gar nicht bewusst.”, hielt Lilið fest. Sie berührte eine der Marken und verlor zunächst kurz an Selbstischerheit. Die Papierhaare dieses Papiers fühlten sich sehr anders an. Aber das war ja auch kein Wunder, es war auf sie geeicht. Sie erfühlte vorsichtshalber ihr eigenes Handgelenk mit den Fingern. Es fühlte sich fremd an, wie, wenn sie sich im Spiegel sah und nicht selbst erkannte. Aber es passte zum Papier.

Abermals griff sie nach Drudes Handgelenk, schloss die Augen und veränderte die Haarstruktur des Papiers entsprechend. Sie reichte Drude die Marke. “Würdest du darauf reinfallen?”

Drude lachte lautlos. “Ich wünschte, ich wüsste nicht, was Sache ist. Darf ich dir noch zwei Marken von mir geben, die du nicht veränderst, und du reichst mir alle drei, wenn ich die Augen schließe, sodass ich nicht weiß, welche welche ist?”

Lilið nahm Drude die Marke wieder ab, zu denen dey zwei weitere aus derer Sakralutte hinzufügte. Während Drude die Augen schloss, überlegte sie, ob sie auch eine der unveränderten eigenen Marken zur Verwirrung reichen sollte. Aber das ergab keinen Sinn. Drude würde im schlimmsten Fall Liliðs Fähigkeiten, zu eichen, völlig unterschätzen und glauben, sie hätte nichts verändert, und im besten Fall die veränderte Marke nur aus zweien herausfinden.

Sie entschied sich anders und reichte Drude drei der Marken. Drude fühlte darüber, tat es ein zweites Mal und fischte dann eine Marke hervor. “Die ist anders.”

“Das ist die, die Original geblieben ist.”, kommentierte Lilið.

“Du hast eben auf die Schnelle noch eine von dir umgeeicht?”, fragte Drude.

“Ich wollte meinen Ruf mit den Überraschungen untermauern.” Lilið grinste.

“Das hast du!” Drude grinste ebenfalls – nur für einen Moment, wie immer. “Ich denke, für die meisten Anwendungszwecke sollte das taugen. Eichungen sind nie genau gleich. Aber es lässt sich vielleicht, sollte irgendwer genaue Nachforschungen anstellen, herausfinden, dass nicht Sakralet Henre sie geeicht hat. Was für ein Naturtalent du bist!”

“Falten.”, korrigierte Lilið. “Ich kann falten. Ich kann so klassische Magie-Dinge nicht so gut. Wie Kessel erhitzen zum Beispiel.”

“Gut zu wissen.” Drude fühlte ein weiteres Mal nachdenklich über die Marken. “Eichen ist jedenfalls eine Fähigkeit, die Personen erst lernen, wenn sie bestimmte Rechtsprüfungen abgelegt haben und vereidigt worden sind. Ich bin daran vorbeigeschrammt und kann es nicht. Mal schauen, ob es nützlich für uns wird, dass du es nun brauchbar kannst.”

“Was ist ab jetzt der Plan?”, fragte Lilið.

“Ich führe dich in der Sakrale herum und zeige dir ortseigene Abläufe. Das mache ich langsam und gründlich. Und eigentlich nur zur Tarnung. Ich werde dabei belauschen.”, legte Drude dar. “Ich hatte deine Anspannung wahrgenommen und dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt für eine Pause. Du fühlst dich nun auch wieder entspannter an. Ich fühle mich sicherer, immer eine Pause einzulegen, wenn bei dir die Panik so sehr ansteigt. Ist das recht?”

Lilið verweilte einige Momente still, den Blick auf Drudes unbewegte Mine geheftet. Dann nickte sie. “Es ist ein bisschen unheimlich, dass du mir Stimmungen so genau anmerken kannst.”

“Du kannst mich falten.”, konterte Drude.

“Stimmt.” Lilið seufzte. “Auf?”


An das alevische Wort für Prinzessin erinnerte Lilið sich. Sie hatten in der Schule ein Märchen auf Alevisch gelesen. Lilið erinnerte sich nicht an Details, aber eine Prinzessin war Hauptperson gewesen.

So sehr Lilið in den Gesprächen, die sie belauschten, überwiegend nichts verstand, bekam sie doch mit, dass mindestens vier der Sakrals-Dienenden, in deren Nähe sie sich oft aufhielten, das alevische Wort für Prinzessin immer wieder benutzten. Oder war es ein Teekesselchen und bedeutete noch etwas anderes? Irgendetwas in einer Sakrale Alltägliches? Immerhin steckte im Baeðischen zum Beispiel das Wort Krone in Kronleuchter, während ein Kronleuchter meistens nichts mit Monarchie zu tun hatte. Aber vielleicht wählte Drude ihre Aufenthaltsorte auch gerade danach aus, dass sie jeweils abwechselnd bei den einen zwei Sakrals-Dienenden und bald bei den anderen zweien waren, bei denen eine Prinzessin immer wieder Thema war. Wenn Lilið doch nur Details verstanden hätte.

Das erste Paar Sakrals-Dienende mit diesem Thema hatten sie im Saal der Verkündung gefunden. Drude erklärte Lilið auf Alevisch (also so, dass sie kaum ein Wort verstand), was sie wo finden würde, über Alter und Geschichte der Sakrale, Besonderheiten dieser Sakrale. Dabei schritten sie durch die Räumlichkeiten und außen herum. Lilið mochte die kühlen Räume und alten, maroden Gerüche darin. Im Saal der Verkündung war, als sie hindurchgeschritten waren, ein Paar Sakrals-Dienende mit Aurfräumarbeiten beschäftigt gewesen, das sich leise unterhalten hatte. Lilið wäre fast zusammengezuckt, als sie bei dem Gespräch das alevische Wort für Prinzessin das erste Mal gehört hatte.

Das andere Paar war mit Gartenarbeit beschäftigt: Fegen, Rasen schneiden, Blumen gießen oder an ihnen herumschnibbeln. Sie hörten immer zu reden auf, wenn Drude mit Lilið an derer Seite an ihnen vorbeischritt, aber Lilið hatte auch bei ihnen das Wort fallen gehört.

Sie war so neugierig, worum es wohl ging, dass sie am liebsten Drude gefragt hätte. Aber das wäre auffällig gewesen. Und Drude leiherte keine weitere Pause an. Vermutlich weil dey zum einen keine Gelegenheit verstreichen lassen wollte, Gespräche zu belauschen, und zum anderen Liliðs Stimmung für stabil genug befand. Beides war richtig. Und doch konnte Lilið die Spannung nur schwer ertragen, nicht zu wissen, was Drude wusste.

Besonders spannend wurde es, als Drude ihr ein in das Gemäuer eingearbeitetes Relief zeigte, es leise (und für Lilið unverständlich) erklärte und sie dann unvermittelt in eine Nische zerrte. Lilið fügte sich und verharrte still und starr. Schritte näherten sich, und wieder hörte sie leises Murmeln. Sie identifizierte die Stimmen als die der beiden Gartenarbeitenden. Sie hatte keine Ahnung, worüber sie sprachen, außer, dass wieder das Wort für Prinzessin fiel, aber die Stimmung konnte sie vielleicht schon deuten: Die Worte waren teils artikuliert gesprochen, die Wortgefechte waren erhitzt aber nicht überhitzt. Wohl wütend, aber vielleicht, als würden sie es mit Humor nehmen oder so.

“Ich weiß es doch auch nicht!”, sagte die eine der Personen. Auf Baeðisch mit einem alevischen Akzent.

Lilið war froh, dass sie versteckt war, weil es sie so überraschte, dann doch plötzlich die eigene Sprache zu hören.

“Hey, nicht Baeðisch sprechen hier!” Die Antwort auch auf baeðisch, ohne jeglichen Akzent, gleichzeitig belustigt und etwas drohend.

“Ich finde ‘Ich weiß es doch auch nicht!’ so schön auf Baeðisch, und dachte, wenn die auf Regeln misten, dürfen wir das auch.” Auch bei der ersten Person klang wieder der verärgerte und gleichzeitig humorvolle Unterton durch.

“Ich glaube, ‘scheißen’ gehört in die Redewendung.”, korrigierte die andere Person und fuhr dann mit langgezogenen Worten fort: “Wenn wir schon zum Spaß Regeln brechen, dann gleich mit dem unflätigen Geflüch.”

Ein Kichern der Person mit Akzent. “Du meinst, den Hammer gleich mit Schrank?”

Lilið musste ein Kichern unterdrücken, weil sie dem Gespräch spätestens jetzt auch nicht mehr folgen konnte, obwohl es auf Baeðisch war.

“Alawin!” Die akzentfreie Person betonte den Namen, als hätte sie ihn empört geschrien, aber hielt dabei die Stimme gesenkt.

Alawin kicherte abermals. “Zum Repertoir der schlimmen Dinge, die wir tun, sollte auch das schlechte Übersetzen von Redewendungen gehören. Nicht?”

Die andere Person seufzte. Die Antwort war wieder auf Alevisch, aber Lilið verstand sie trotzdem ungefähr: “Ich hole neues Wasser.”

Lilið roch die kühler werdende Luft des Abends, die Blütenschwere darin. Wieder verstand sie Drude. Sie hätte die Luft gern direkt auf der Haut gespürt. Eine Weile sprach niemand ein Wort, aber Drude verharrte mit ihr in der Nische. Vielleicht konnten sie hier ohnehin nicht unauffällig weg, bis die beiden anderen mit gießen und schnibbeln fertig wären. Es sei denn, Lilið faltete sie. Aber Drude hatte gewarnt, dass es nicht immer eine gute Idee war, in einer Sakrale Magie auszuführen. Heute, hatte dey gemeint, könnten sie auch Glück haben, dass es nicht auffiele, weil allerlei Besuchende da waren, aber wenn sie hier mit Sakrals-Dienenden unter sich waren, dann unterstand Magie gewissen Gesetzgebungen, die Drude für nicht einfach genug eingeschätzt hatte, um Lilið damit im Vorfeld vertraut zu machen. Leider konnte Lilið auch nicht fragen.

“Ich wollte schon länger mal Baeðisch mit dir sprechen.”, durchbrach die akzentfreie Stimme schließlich die Stille.

“Wieso das?”, fragte die mit Akzent. “Damit ich mich mal, wie heißt das, blammere?”

“Blamiere, wäre richtig. Nein, sicher nicht deshalb.” Die akzentfreie Stimme hatte einen melancholischen Beiklang bekommen. Kein Humor schien mehr darin versteckt.

Alawin ließ sich Zeit mit der Reaktion. Ein paar Schnippschnappgeräusche drangen an Liliðs Ohren. Schließlich fragte Alawin: “Worüber?”

Das Wasser aus den Gießkannen plätscherte auf die Pflanzen und tropfte auch dort, wo sie schon gewesen waren, noch von den Blättern.

“Ich liebe dich asexuell.” Die Stimme der akzentfreien Person wenig mehr als ein Flüstern, das Lilið nur hörte, weil sie ihnen recht nah waren.

Das war kein Gespräch, das sie belauschen wollte. Aber es gab auch keine Möglichkeit zu verschwinden oder wegzuhören.

“Was?” Alawin antwortete auf Alevisch, aber die Vokabel kannte Lilið gut. Halb nuschelnd fügte Alawin auf Baeðisch hinzu: “Was heißt asexuell?”

Die akzentfreie Stimme nannte ein Wort auf alevisch, das Lilið vielleicht von der ihr bekannten Vokabel für Liebe als unbeliebt oder ungeliebt abgeleitet hätte. “Wörtlich übersetzt ins Baeðische hieße es ‘lieblos’ oder ‘ohne Liebe’. Ich fand den Klang von ‘Ich liebe dich lieblos’ immer so furchtbar und albern, dass ich es bisher nie gewagt habe, es dir zu sagen.”

“Ach, Lenja.” Alawins Worte fühlten sich für Lilið wie ein Streicheln an. “Heißt das, du liebst mich sehr, auf eine Art, die für dich mehr als Freundschaft ist, aber du willst keinen Sex mit mir?”

Lenja schnaubte. “Und jetzt reden wir also auf einer Sprache, die wir nicht sprechen sollen, über Sex. Wir nageln in der Tat den Hammer gleich mit an die Wand.”

Ein Rascheln über den Boden, eine Veränderung des Klangs des Wassers, der aus der Gießkanne schwappte und ein verspieltes Kreischen beider Beteiligten. Lilið interpretierte, dass sie sich gekabbelt und nassgespritzt hatten. Dann Alawins Stimme: “Und? Heißt es das?”

“Ja.” Lenja klang kleinlaut. “Wie fühlt es sich für dich an.”

“Schön!” Lilið interpretierte Alawins Stimme als aufrichtig und ehrlich. “Wirklich schön.” Alawin wiederholte die Worte auch auf Alevisch.

“Das beruhigt mich.” Ein Lächeln klang aus Lenjas Stimme.

“Überhaupt nicht.”, widersprach Alawin neckisch. “Aber ich, wie sagt man das, ich will dir nichts Böses? Ich möchte dir nicht weh tun? Etwas Weicheres.”

“Ich will mal nicht so sein?”, schlug Alawin vor. “Ich weiß noch nicht, wodrauf du hinaus willst.”

“Dass du von mir wissen willst, ob ich dich auch liebe.”, erwiderte Lenja. “Ich kenne dich doch, ich weiß, was für Romanzen du liest.”

Einen Moment blieb es ruhig. Daraus, dass Alawin wieder sprach, schloss Lilið, dass Lenja wohl genickt hatte. “Ich liebe dich auch.” Die Stimme war so weich, dass es Lilið den Rücken runterrann. Sie fühlte sich wirklich falsch, ein solches Gespräch zu belauschen, und doch genoss sie es. “Asexuell. Oder, ich weiß nicht. Vielleicht bin ich nicht asexuell, aber ich bin im Moment glücklich, wie es ist.”

“Schön.” Lenja klang geradezu verträumt.

Einen Moment hörten sie wieder nur das Plätschern. Und schließlich, dass dieses Mal Alawin neues Wasser holte. Als sie wieder nebeneinander standen und gossen, fragte Alawin: “Noch etwas auf Baeðisch? Es strengt etwas an, aber üben ist auch gut. Also sag gern, was dir lieber ist.”

“Magst du mir das mit den Schleusen noch einmal auf Baeðisch erklären?”, bat Lenja.

“Du willst doch, dass ich mich”, ein kurzes Zögern, “blamiere. Blamiere?”

“Blamieren ist richtig.”, bestätigte Lenja. “Nein. Mein Alevisch ist nicht gut genug gewesen, alles zu verstehen. Du weißt, Fachwörter sind manchmal ein Problem.”

“Ja, das Problem habe ich umgekehrt!”, mokierte sich Alawin.

“Ich verstehe.” Die Enttäuschung in Lenjas Stimme blieb Lilið nicht verborgen.

“Ich versuche es ja.”, versprach Alawin. “Was willst du wissen? Was hast du verstanden?”

“Wir bekommen im Sakrals-Bootshaus ein Boot und fahren damit zur Schleuse. Dort gibt es ein Pumpsystem, das uns hochfährt.”, erklärte Lenja. “Aber das funktioniert nur, wenn, ja, das habe ich nicht verstanden.”

Alawin seufzte. “Vorweg, wir machen das nicht, oder? So sehr willst du den Hammer nicht gleich beschränken, oder?”

Lenja schnaubte. “Wenn du die Übersetzung der Redewendung, die ohnehin nicht funktioniert, weil es sie im Baeðischen nicht gibt, weiter so übertrieben vermurxt, hänge ich dir den Hammer gleich sonst wo hin!”

“Ich dachte, du willst keinen Sex!”, kam es prompt von Alawin.

“Du bist unmöglich!”, schimpfte Lenja, spielerisch. “Aber du hast schon recht, dass die Redewendung exzellent passt. Den Hammer gleich mit an die Wand nageln. Sowohl zu uns, wenn wir das Ritual doch durchführen würden, obwohl sie uns gesagt haben, dass wir das lassen sollen, als auch zu diesem Monarchie-Pack, dass wir das lassen sollen. Als ob zwei Sakrals-Dienende, die über ein Boot in eine Magie abschirmende Hochsicherheits-Sakrale geschleust werden, um das Reinheits-Ritual auszuführen, viel ausrichten könnten. Dass das die Ruhe der Kronprinzessin stören würde, kann ich mir auch echt nicht vorstellen. Alles übertrieben.”

“Das hatten wir alles schon.” Alawin wirkte nicht ungeduldig.

“Ich glaube, ich würde es nicht drauf anlegen.”, sagte Lenja. “Du hast schon recht, so sehr sollten wir nicht den Hammer, du weißt schon. Wir sollten nicht übertreiben. Ich fand die Idee witzig, das abgesagte Ritual doch auszuführen, weil es hier so viel Durcheinander gab und ich immer ganz gern fassungslose Gesichter der Sakrallosen sehe, vor allem, wenn sie zum Adel oder zur Monarchie gehören und realisieren müssen, dass ihnen doch nicht die Welt gehört. Aber das Risiko für allerlei Strafarbeiten ist ein bisschen arg hoch.”

“Ja, das sehe ich genau so. Das waren erheiternde Gedanken, aber wir sollten das nicht riskieren. Sakralet Henre ist noch neu. Die Neuen neigen oft dazu, strenger zu sein.”, pflichtete Alawin bei. “Sollen wir trotzdem über Schleusen reden?”