Amira ist erst kürzlich an Bord und hatte mit Rash ein wenig BDSM ausprobiert.

Content Notes:

BDSM, aber vielleicht auch nicht?, Bisschen D/s-Spiel, Psychisches Hingeben, Sex am Rande erwähnt, Küssen, erwähnt: Messer, Bedrohung.


Berühren

Amira

In Amira tobte noch immer eine innere Auseinandersetzung, die sie selbst kaum steuern konnte. Es waren hier Personen lieb zu ihr, die überhaupt nicht von ihr profitiert hatten. Sie hatte auch das Problem kurz bei Kamira angesprochen. Es war witzig, wie nah ihre Namen beieinander lagen. Aber sie wurden anders betont: Ihrer wurde auf der zweiten Silbe, während ‘Kamira’ eher auf allen betont wurde und das r etwas anders war. Jedenfalls hatte Kamira ihr erklärt, dass es nicht immer ein Geben und Nehmen sein musste. Das war ein neues Konzept, eines von vielen, das in ihr arbeitete.

Sie schob es zur Seite. Sie fühlte sich zu Rash hingezogen, wollte wieder Rashs körperliche Zuneigung erfahren. Es war nicht einfach, sich das einzugestehen, aber es war ein starkes Gefühl, das schließlich an die Oberfläche brach, als Amira realisierte, dass Rash das gern tat und eben doch auch selbst davon profitierte. Sie dachte an Rashs körperliche Reaktion, als sie Rash das Messer an den Hals gelegt hatte. Sie dachte an Rashs Hals, an Rashs Atem. Und sie dachte an Rashs Kontrolle, die sie immer noch störte. Allein, dass Rash nun ihre Gefühle schon wieder dominierte.

Ohne allzu sehr zu beobachten, legte sie es doch darauf an, Rash am Abend allein anzutreffen. Rash schrieb wieder Buchstaben, als sie sich entschied, die Interaktion wieder aufzunehmen. “Ich möchte gern ein Spiel mit dir spielen.”, teilte Amira Rash mit, als sie sicher war, dass sie wieder allein waren.

“Mit Messern und Kuscheln? So eines?”, fragte Rash. Das Lächeln, das in Rashs Gesicht trat, war vielleicht amüsiert. Und selbstsicher. Wie immer. Viel zu selbstsicher. “Oder eines mit Karten oder so?”

“Mehr in die erste Richtung. Ich möchte mehr kuscheln, aber mit so etwas, was du damals Spiel genannt hast.”, antwortete Amira.

War das nun ein vorfreudiges Lächeln in Rashs Gesicht? Rash verstaute jedenfalls, was es zu verstauen gab und stellte sich ihr gegenüber hin. “Was für eines?”

“Ich habe mir Gedanken gemacht.”, leitete Amira ein, aber das Grinsen, das sich nun über Rashs Gesicht ausbreitete, ließ sie unsicher innehalten.

Vielleicht, weil Rash die Unsicherheit bemerkte, entspannte das Gesicht wieder ein wenig. Und Amiras Herz schlug eine Spur schneller. Sie war sich nicht sicher, ob sie das mochte. Rash las und beeinflusste ihre Emotionen in einer für sie eben unkontrollierbaren Weise. “Du bist mir in Alltagssituationen zu dominant. Du hast mich sozusagen zu viel im Griff.”, sagte sie. Wie passend, dass das gerade passierte. “Das haben wir mit dem Messerspiel versucht auszugleichen. Aber das war eigentlich auch was, was du wolltest.”

“Ich verstehe.”, sagte Rash nachdenklich.

“Spielst du auch dominante Rollen in solchen Spielen?” Das war Amiras entscheidende Frage.

Rash schüttelte den Kopf. Amira mochte, wie Rashs Gesichtsausdruck so wirkte, als hätte Rash Fragen, als wäre Rash zur Abwechslung etwas unklar.

“Ich habe die Hypothese, dass, wenn du mich in einem Spiel versuchst zu dominieren, es dir Sicherheit nehmen könnte.”, sagte Amira. Sie fühlte einen gewissen Triumph, als Rashs Körperhaltung darauffolgend weicher zu werden schien und Rashs Lächeln ganz verschwand.

Einen Moment sagte niemand von ihnen etwas. Rash wandte den Blick nicht von ihr ab, wirkte vielleicht etwas verloren.

“Du findest, es ergibt Sinn, dass ich weniger dominant werden könnte, wenn ich dir gegenüber versuche, dominant zu sein?”, fragte Rash. Vielleicht hätte es eine veralbernde Scherzfrage sein können, aber das war sie nicht. Rashs lockere Art war verloren gegangen.

Amira nickte lächelnd, – und atmete dann hastig ein, als Rash nichts weiter tat, als einen Schritt auf sie zuzugehen, sodass zwischen ihnen eine gute Handbreit Platz blieb. Rash konnte also dominant sein, auch in so einem Spiel. Das war überraschend. Aber ihr Körper reagierte nicht mit Angst oder Abwehr, sondern mit einer elektrisierten Anspannung, einem Verlangen, wieder gestreichelt zu werden von Rashs einfühlsamen, wertschätzenden Händen.

Rash fuhr mit einem Finger zart an ihrem Hals entlang, platzierte ihn unter ihrem Kinn. Rash musste es nicht bewegen, damit ihr Blick genau auf Rashs Augenpartie ruhte. Das war bereits der Fall. Sie spürte den Atem in ihrem Gesicht, den Geruch, den sie zuvor schon gerochen hatte, und den sie mit der Nacht in der Kapitänskajüte verknüpfte. Mit einem Vertrauen, dass Rash sie nicht ausnutzte. Und nun hatte sie beinahe genau danach gefragt. Sie stellte fest, dass sie sich den Atem noch näher am Gesicht wünschte, dass Rash sie vielleicht küssen würde.

“Ich bin eigentlich wirklich nicht dominant.”, sagte Rash leise.

Diese weiche Stimme strich direkt unter ihrer Haut entlang und über ihre wundgescheuerten Gefühle. “Ich finde, eigentlich schon.”, sagte sie ebenso leise. Immerhin klang ihre Stimme dabei nicht allzu verunsichert.

“Ich bin dir näher gekommen, habe dich an die Wand gedrängt. Aber was jetzt?”, fragte Rash. “Was mache ich in einer dominanten Rolle? Was magst du? Und wenn du mir genau erklären würdest, was du magst, wäre ich dann nicht wieder submissiv?”

Berechtigte Fragen. “Gibt es nichts, was du wollen würdest? Angenommen, ich würde dir sagen, du dürftest alles haben, was ich bin?”

Einen kurzen Moment schloss Rash die Augen, der Atem fühlte sich wärmer an, und als hätte Rash ihn halb versucht zurückzuhalten. Ein Ausdruck von Gier flackerte vielleicht kurz darin, wenn Amira richtig las, dann war es vorbei.

Aber Amira lächelte. “Du möchtest etwas.”

Rash strich mit dem Finger von ihrer Kinnkante aus über ihre Wange, so zartfühlend, dass die Linie hinterher unter der Haut vibrierte. “Es ist kompliziert.”, sagte Rash. “Ich bin submissiv. Ich mag den Moment, in dem es andere schaffen, mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Mich klein zu kriegen, wie ich es zuvor genannt habe. Ich fühle mich nicht wohl dabei, es bei anderen zu tun.” Rash bewegte die Finger auf Amiras Wange, bis Rashs ganze Hand dort lag. Amira atmete schneller, schon allein, weil sie so dicht bei einander standen und eine gewisse Erotik zwischen ihnen lag, ob Rash nun dominant war oder nicht. “Aber ich mag dich gern fühlen sehen. Ich mag, wenn dein Atem stockt, oder du schneller atmest, wenn dein Blick weggetreten wirkt.”

Wahrscheinlich sah ihr Blick genau jetzt weggetreten aus. Rash verringerte die ohnehin schon kleine Distanz noch eine Nuance mehr. Amira versuchte zu atmen, versuchte es wirklich, aber ihr Zwerchfell zitterte unkontrolliert. Was war das für eine Person? Wie schaffte Rash das mit nur so wenigen Bewegungen und bestimmt auch mit diesen Worten, diese Gefühle und Sehnsüchte auszulösen?

“Wenn du dich mir wirklich hingeben möchtest,”, Rash pausierte für ein ungewöhnlich unsicheres Lächeln, als Amira bei dem Wort ‘hingeben’ kurz sichtbar zitterte. “dann möchte ich deinen Körper berühren, mit Fingern, mit Händen, deine Haut streicheln, dich zärtlich küssen, bis du zarte Geräusche von dir gibst, weil du sie nicht mehr zurückhalten kannst. Leises Stöhnen vielleicht, oder sehnsuchtsvolles Wimmern. Ich möchte dich vorsichtig etwas entkleiden und dich behutsam anfassen, bis du die Vorsicht nicht mehr ertragen kannst und nicht mehr anders kannst, als einzufordern, was du dann jeweils brauchst.”

Amira atmete zitternd ein und aus. Kontrolle hatte sie längst nicht mehr. Oder doch? Vielleicht hätte sie ohne jegliche Kontrolle Rash einfach geküsst. Auf die Wangen, mit weichen, trockenen Lippen. Die Haut gespürt. Aber sie hielt sich doch zurück. So viel war noch da.

“Magst du, was ich sage? Fühlst du dich wohl?”, fragte Rash.

Amira hätte am liebsten genickt, aber dann hätten sich ihre Gesichter berührt. “Ja.” Die Stimme kaum mehr als ein Fiepen.

“Möchtest du, dass ich weitermache?”, fragte Rash.

“Ja.”, wiederholte sie. Und fügte flüsternd hinzu: “Du bist sehr dominant.”

Rash hob die bis jetzt noch inaktive Hand, um auch über ihre andere Wange zu streicheln. “Meinst du?”

Amira antwortete nicht direkt. Sie brauchte eine Weile, um die Berechtigung hinter der Frage zu erkennen. Rash war vielleicht dominant, aber durchaus sehr unsicher. Es ging um sie. Rashs Wunsch war es, dass sie genoss, vielleicht Lust empfand. “Sind Körper für dich uninteressant, wenn sie nicht genießen?”, fragte Amira schließlich.

“Sehr.”, antwortete Rash. “Es ist vielleicht auch schwierig zu beantworten. Körper gehören dazu. Ich mag auch die physischen Gefühle, wenn ich gestreichelt werde, schon. Aber wenn nicht wirklich starke psychische Genussgefühle im Spiel sind, interessieren mich Körper selber nicht.”

“Du möchtest meine Psyche bespielen?”, folgerte Amira.

Rash hielt ihr Gesicht nun mit beiden Händen fest und näherte sich so nah, dass sie sich gerade so nicht berührten. “Wenn ich darf?”, fragte Rash, auf unheimliche, aber wunderschöne Art weich.

Amira spürte den Impuls einfach sofort ‘ja’ zu sagen. Sich hinzugeben. Rash zu vertrauen. Es gab das Aus-Wort. Es gab keinen Grund, Rash in diesem Punkte nicht zu vertrauen.

Es wäre ein Spiel, in dem Rash herausfinden würde, was ihr gefiel, wonach sich ihr Körper und ihre Psyche verzehrte. Es hatte schon angefangen. Rash würde ihre Reaktionen lesen und darauf antworten. Es wäre ein anderes Ausziehen, als ein Ausziehen von Kleidung. So nackt war Amira noch nie gewesen. “Ja.”, flüsterte sie.

“Ich bin sehr verliebt in dich.”, antwortete Rash.

Amira bezweifelte nicht, dass es der Wahrheit entsprach, auch außerhalb des Spiels, aber dass Rash sich bewusst diesen Zeitpunkt ausgesucht hatte, es ihr zu sagen. Blut rauschte durch ihren Körper und ihr wurde etwas schwummrig, nicht so sehr, dass sie hätte gestützt werden müssen.

Als sie sich fragte, ob sie ebenso empfand, zögerte sie nur einen Moment. “Gegenseitig.”, flüsterte sie gegen Rashs Wange.

Dieses Mal war Rash die Person, die hastig einatmete. “Damit habe ich nicht gerechnet.”, gab Rash zu.

Rashs Finger lösten sich von ihren Wangen und rannen über ihren Hals, über ihre Schlüsselbeine und Brüste in ihre Taille. Amira fühlte die Berührungen nur gedämpft durch die Kleidung. Ihr Körper verlangte nach mehr. Nicht unbedingt Sex, wie Rash das beim letzten Mal schon vermutet hatte, aber vielleicht mehr als bloß kuscheln. Verliebtes Kuscheln. Aber nicht hier. Nicht, wo jederzeit eine Person sie entdecken und unterbrechen könnte. Sie wollte fragen, ob sie wieder um die Kapitänskajüte bitten sollten, als Rashs Lippen sie an ihrem Mundwinkel berührten und sie nur noch aus Atem und Gefühl bestand.