Marah wurde von Ushenka großgezogen und hat die Flotte der Maare quasi mitgegründet. Sie ist verliebt in die Kapitänin.

Content Notes:

Schmerz.


Knoten

Marah

Es war anscheinend für diese Leute keineswegs naheliegend, dass Nixen womöglich schwimmen könnten. Vielleicht waren sie aber auch einfach sehr überfordert gewesen, als Sindra mit ihr aus der Kramelin geflohen war. Sindra hatte Marah einfach über die Schulter gelegt und war gerannt. Nicht so furchtbar schnell, nicht sonderlich geschickt, aber ihre Körpergröße und ihr überzeugtes Auftreten hatte ausgeglichen. Wachen waren ihr einfach im ersten Moment ausgewichen. Marah kannte Sindras Überzeugungskraft schon. Sie konnte auftreten, als wäre sie im Recht, und die Gegenseite glaubte erst einmal daran.

Trotzdem, es waren viele, so viele. Es war ein Wunder, dass Sindra es bis nach draußen geschafft hatte. Dass sie bis auf die Brücke gekommen war, die den Hof der Kramelin von der Stadt abtrennte. Aber dort, auf der breiten Brücke, hatten sie sie schließlich eingekreist. Sie hatte Marah sanft abgelegt und die Hände erhoben. Eine geschickte Geste, die die Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Marah brauchte nicht erst zu hören, dass sie wegrobben sollte. Sie schaffte es, während Sindra freundliche Worte an die Wachen richtete, und durch Albernheit und Höflichkeit jene noch mehr ablenkte, zwischen den Füßen hindurch zum Geländer zu kriechen und zwischen den breiten Steinsäulen hindurch den Abgang zu machen. Sie konnte Sindra besser frei als gefangen helfen. Auf jeden Fall konnte sie nichts an Land ausrichten, gegen die Wachen der Zarin mit nichts als einem Fischschwanz.

Das kühle Wasser umschloss sie. Durch die Wasseroberfläche erblickte sie einige Zwerge, die auf sie herunterschauten und durcheinander schrien. Aber sie konnte nicht nur so ein bisschen schwimmen, sondern ausgezeichnet.

Ihr Körper fühlte sich zerschunden an. An der Fluke zu hängen, ging sehr auf die Knochen und der Flukenansatz war wundgescheuert, brannte noch einmal besonders, als er mit dem Brackwasser in Berührung kam. Sie verdrängte den Schmerz und schwamm, wo sie die leichte Strömung hinsaugen fühlte, dorthin, wo der Kanal um die Kramelin-Insel herum mit dem Fluss verbunden war, vom Fluss aus ins Meer, auf Angelhaken und Netze achtend, und von dortaus Richtung Hafen. Ein riskanter Aufenthaltsort für eine Nixe.

Es war anscheinend auch für diese Leute keineswegs so naheliegend, wie für sie, dass ein Hafen, hielt die zugehörige Stadt Maare gefangen und liefe eine bereits bekannte Rettungsaktion für selbige, voller Nixen wäre. Sie hörte es natürlich am Sirenu, das durch das Wasser zu ihr erscholl.

Sie holte kurz unauffällig Luft und antwortete. Das Sirenu, das sie willkommen hieß, fasste Erleichterung in Musik, prickelte unter der Haut.

Der Hafen war bereits mit Seilen durchspannt, als sie ankam, aber es gab noch genug zu vertüddeln, woran sie sich noch beteiligen konnte. Sie verknoteten die Schiffe miteinander. Einen einzigen, nur ihnen bekannten Fluchtweg seilfrei lassend. Sie blockierten außerdem die Scharniere der Ruder vieler der Schiffe mit Seegras und Tang. Sie sägten Löcher in die ein oder andere Bilge, die sie direkt wieder schlossen, aber verbanden die Deckel miteinander. Yanil führte die Säge, Kamira und sie schoben das Tauchboot.

Wenn es zu einer Flucht käme und ihnen Schiffe nachsetzen würden – sie wusste, welche es wären –, so würden sie nicht weit kommen. Schließlich, als sie fertig waren, sammelten sie sich unter einem der Stege. Eine ganze Sammlung an Köpfen, die in feindlichem Gebiet ihre Nasen aus dem Wasser streckten. Es war aufregend und erfüllte Marah mit einem gewissen Stolz. Das war ein Ereignis, das vielleicht Geschichte schreiben würde.

Es würde wohl zu sinkenden Schiffen kommen, das hatten sie entschieden. Nicht unbedingt ihr Stil, aber ausreichend überlebenssicher für die Abfahrenden. Es war vor allem Sabotage. Nun galt es, abzuwarten: Würde es der Rest der Crew irgendwie aus der Kramelin und auf die Schattenscholle schaffen, bevor ihr Schiff den Hafen verlassen musste? Marah und die anderen würden sich im Hafen bereit halten, um die verhedderten anderen Schiffe wieder zu entknoten, die den Hafen verlassen würden, bevor die Schattenscholle dies täte. Andernfalls würden ihre Vorbereitung zu früh auffliegen. Aber bevor zu viele Schiffe von außerhalb, die von ihnen folglich nicht präpariert hatten werden können, den Hafen erreichen würden, mussten sie ihn verlassen haben. Dann wäre es besser, die Schattenscholle aus dem Hafen zu fahren, ob der Rest der Schattencrew an Bord wäre, oder nicht. Mit der Schattenscholle hatten sie wesentlich bessere Optionen, als ohne sie.

Aber das Abwarten war eine Härteprobe ohne Gleichen. Sie erfuhren lange nichts Neues. Marah beschäftigte sich damit, leise über jedes Detail zu reden, das sie hatte miterleben oder interpretieren können, bis der Morgen graute und das Hafenleben wieder erwachte.